Süddeutsche Zeitung

Klimawandel:Sind schon alle Vögel da?

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Der Vogelschutzbund ruft dazu auf, am kommenden Wochenende in Gärten, Parks und Grünflächen die verschiedenen Arten zu zählen. Der Oberhachinger Ortsvorsitzende Rainer Warmke erhofft sich davon Aufschluss darüber, wie die Wetterkapriolen der vergangenen Wochen das Zugverhalten beeinflusst haben.

Von Carla Augustin, Landkreis München

Markus Dähne beobachtet seit mehreren Jahren regelmäßig die Vögel im Landschaftspark Hachinger Tal. Veränderungen in der Vogelpopulation im Münchener Umland seien ihm hier bisher nicht aufgefallen. "Dafür müsste man das über hundert Jahre beobachten", sagt er. Auch den als eher selten geltenden Eisvogel hat er im Winter schon häufiger entdeckt. Das liege aber weniger an der Anzahl der Vögel, sondern eher daran, dass er so viel beobachte, sagt Dähne. Der Eisvogel überwintert hier und ist vor allem an Gewässern zu finden, auch an Gartenteichen.

Wer sich selbst als Hobby-Ornithologe betätigen möchte, kann das von Freitag, 5., bis Sonntag, 7. Januar, im Rahmen der "Stunde der Wintervögel" des Landesbunds für Vogel- und Naturschutz (LBV) und des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu) tun. Bei der bundesweiten Aktion werden jedes Jahr Vögel gezählt. Ein jeder könne "mit dem Fernglas oder am Fenster" die Vögel beobachten, zählen und melden, sagt Rainer Warmke. Er ist Vorsitzender der Oberhachinger Ortsgruppe des Bundes Naturschutz, die auch zu der Aktion aufgerufen hat. Mit der alljährlichen Zählung könne man die "Entwicklung der Vogelpopulation" dokumentieren und so die langfristige Veränderung über Jahre hinweg feststellen.

Kleine Schwankungen in der Anzahl der Vögel lassen sich laut Warmke schon jetzt beobachten. Auch Krankheiten schlagen sich in der Statistik nieder. Vor ein paar Jahren habe es beispielsweise eine Amsel-Seuche gegeben, deren Auswirkung auf die Population sich auch in den Zählungen wiedergefunden habe, sagt Warmke. Die Zahlen der Aktion von 2023 lassen auf einen leichten Rückgang der hier am häufigsten vorkommenden Vögel schließen. Das sind im Münchener Umland Kohl- und Blaumeisen, Amseln, Haus- und Feldsperlinge und Buchfinken. 2023 wurden im Landkreis München in mehr als 500 Gärten circa 13 500 Vögel gezählt. Die top Drei waren hier im vergangenen Jahr die Kohlmeise, die Amsel und der Feldsperling mit je über tausend Exemplaren. Insgesamt konnten um die 70 verschiedene Vogelarten beobachtet werden.

Mit etwas Glück könne man auch Vögel beobachten, die aus dem Norden nach Deutschland kommen, um hier zu überwintern, sagt Warmke. Bei Staren oder andere Kurzstreckenziehern sei es hingegen unsicher, ob diese schon wieder zurück seien. Anhand der Daten der letzten Jahre kann man laut Angelika Nelson vom LBV allerdings immer häufiger beobachten, dass gerade diese den Winter öfter im heimischen Brutgebiet verbringen. Dies sei auf die milderen Winter in Bayern aufgrund des Klimawandels zurückführen. Doch auch in ganz Mitteleuropa haben die Temperaturschwankungen der letzten Wochen und Monate das Wetter geprägt. Bei der "Stunde der Wintervögel" soll nun beobachtet werden, welche Vögel trotz des Wintereinbruchs Anfang Dezember in Bayern geblieben sind und welche sich doch noch gen Süden aufgemacht haben.

Das Zugverhalten der Vögel aus dem Norden ist ebenso vom Wetter abhängig. Diese kommen dann nach Bayern, wenn bei ihnen aufgrund von Eis und Schnee die Nahrung knapp wird. Dähne konnte im Hachinger Tal beobachten, dass sich nach dem heftigen Schneefall noch viele Vögel in wärmere Gebiete aufgemacht haben. Dies betreffe jedoch lediglich Kurzstreckenzieher. Die Langstreckenzieher, die bis nach Afrika fliegen, machen es nicht von Witterungsverhältnissen, sondern von der inneren Uhr abhängig, wann sie losziehen.

Bisher ist eine Fütterung nicht notwendig

Warmke erklärt, dass die Vögel die gerade noch hier sind, an sich gut mit dem hiesigen Wetter klarkämen. Problematisch werde es erst, wenn große Temperaturschwankungen von warm zu kalt eintreten. Dann seien die Vögel vermehrt auf die Fütterung durch Menschen angewiesen. Gerade jedoch könnten sie sich gut selbst versorgen. Füttern dürfe man sie natürlich trotzdem. Besonders bei höheren Temperaturen seien die Vögel aktiver, bräuchten mehr Energie und damit auch mehr Futter.

In Oberhaching rechnet Warmke heuer mit allein 40 Teilnehmern der Ortsgruppe bei der Aktion. Die innerhalb von einer Stunde gezählten Vögel in Gärten, Parks oder anderen Grünflächen werden notiert. Dabei zählt die Anzahl der meisten Vögel einer Art, die auf einmal gesehen werden. So werden Doppelungen von einzelnen Tieren vermieden. Alle Zählungen sollten gemeldet werden. Auch, wenn man keine oder nur wenige Tiere sieht, sei diese Information relevant, betont der LBV. Die Beobachtungen können online in einem Meldeportal www.stunde-der-wintervoegel.de, per Post oder per Telefon 0800/115 71 15gemeldet werden.

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