Süddeutsche Zeitung

Lebensretter:Die größtmögliche Liebeserklärung

Lesezeit: 3 min

Indem er eine Niere spendete, hat Matthias Mälteni seine Frau von der Dialyse befreit. Zuvor hatte Sandra Zumpfe ein neues Herz eingesetzt bekommen. Die Geschichten.

Von Claudia Wessel, Haar

Es war keine alltägliche Partnerschaftsanzeige, die Sandra Zumpfe im November 2013 aufgab. Denn zu ihren "Daten" gehörte auch, dass sie als von Geburt an herzkrank ist und seit ihrem 35. Lebensjahr ein Spenderherz in sich trägt, außerdem mehrmals die Woche zur Dialyse muss. Für ihren heutigen Mann Matthias Mälteni war das kein Problem. "Er hatte zwar viele Fragen", erinnert sich die heute 42-Jährige an seine Antwort, "so wie alle Menschen, die meine Geschichte erfahren. Aber wir haben uns trotzdem sehr bald getroffen."

Schon im April 2014 zog Sandra zu ihrem Partner, im November 2014 heirateten die beiden. Und am 2. August 2017 spendete ihr Mann eine seiner Nieren an seine Frau. Inzwischen engagiert sich das Paar gemeinsam ehrenamtlich für den Bundesverband der Organtransplantierten (BDO). An diesem Samstag, 5. Juni, ist der Tag der Organspende, zu dem von 10 Uhr an auf www.bdo-ev.de ein Livestream zu sehen ist, in dem Zumpfe ihre Geschichte erzählt. Wer es verpasst, kann das Video über die Homepage auch später anschauen.

Es folgten Termine bei Psychologen

"Ich wollte natürlich zuerst nicht, dass mein Mann mir eine Niere spendet", sagt Sandra Zumpfe. Er war schließlich "top gesund" und sie wollte ihm kein Organ wegnehmen. Erst als es ihr durch die Dialyse alle zwei Tage immer schlechter ging und sie immer schwächer wurde, sagte sie ja. Nachdem die Ärzte festgestellt hatten, dass die Antikörper zueinander passten und die Abstoßungsreaktion sich im Rahmen halten würde, wurden die weiteren Schritte eingeleitet - und das waren nicht wenige. "Es muss ausgeschlossen werden, dass die Lebendspende nicht freiwillig ist, es darf kein Geld fließen und es darf kein Druck ausgeübt werden", sagt Zumpfe.

Nach Terminen bei einem Psychologen und nach Einzelgesprächen bei einer Kommission für Lebendspenden, der unter anderem ein Richter und ein Arzt angehören, gab es schließlich grünes Licht. Sandra und ihr Mann rückten gemeinsam im Krankenhaus ein, die erste Nacht sogar im selben Zimmer. Am Morgen wurde zuerst ihr Mann abgeholt, danach Sandra. Nach den Operationen gingen sie gemeinsam zur Reha.

Dass Sandra nun ein Teil ihres Mannes in sich trägt, findet sie selbst sehr schön. "Man hat dafür eigentlich gar keine Worte." Sie empfindet es auf jeden Fall als die größtmögliche Liebeserklärung. Allerdings hat sich ihr Mann damit auch selbst ein Geschenk gemacht, denn das Leben ohne die Krankheit und ohne die Dialyse alle zwei Tage, die beide zuhause bewältigten, ist auch für ihn viel einfacher geworden. Und er braucht sich nicht mehr so viele Sorgen um seine Frau zu machen. Auch das Herz, das seit acht Jahren in Sandra Zumpfes Brust schlägt, tut sehr gute Dienste. "Wir können jetzt so viel zusammen unternehmen", schwärmt die Haarerin. "Etwa ganz spontan in Urlaub fahren." Und in ihrer Wohnung stehen nicht mehr die schrecklichen Dialysemaschinen, sie muss sich nicht mehr regelmäßig in den Arm stechen. Das Ehepaar kann gemeinsam die "geschenkten Lebensjahre" genießen.

"Geschenkte Lebensjahre" heißt auch die Aktion aus Anlass des Tages der Organspende, bei der sich Transplantierte auf der Seite registrieren lassen und mitteilen, seit wie vielen Jahren sie mit einem gespendeten Organ leben. Am Freitag beim Gespräch mit Sandra Zumpfe waren dort 2800 Jahre zusammen gekommen. "Ich hoffe, dass wir bis Samstag noch 3000 werden", sagte sie.

Es sind acht geschenkte Jahre

Sandra Zumpfe blickt auf acht geschenkte Jahre zurück, die seit ihrer Herztransplantation vergangen sind. Sie hätte ihr Herzversagen damals nicht überlebt. Schon im Alter von acht Jahren war bei ihr eine hypertrophe Kardiomyopathie erkannt worden, ein unheilbarer Herzfehler, mit dem sie aber bis zum Alter von 34 Jahren weiterleben konnte. Mit der Zeit litt sie dann zunehmend an Herzrhythmusstörungen und es wurde klar, dass ihr nur noch eine Transplantation helfen konnte. Sandra Zumpfe kam auf die Warteliste für ein Spenderherz. Die Wartezeit von sechs Monaten hatte sie zwar körperlich angeschlagen, aber zuhause verbringen können. Als der Anruf kam, dass die Ärzte ein Spenderherz für sie hatten, musste alles schnell gehen, viel Zeit zum Nachdenken hatte die damals 34-Jährige nicht. Nach der Transplantation lag sie sieben Wochen im Koma. Ihr Körper war so geschwächt, dass der Eingriff zu mehreren Komplikationen und Erkrankungen führte: Sepsis, Infektionen, Lähmungen und Nierenversagen. Als Folge blieb die Dialyse.

Gemeinsam mit ihrem Mann hat sie all diese schweren Zeiten überstanden. Große Dankbarkeit trägt sie aber auch immer noch für die Herzspenderin in sich. Diese drückt sie auch damit aus, dass sie ihr "zweites Leben" besonders genießt.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5312707
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 05.06.2021
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.