Süddeutsche Zeitung

Enge Beziehungen:Alles im Takt

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Der Landkreis und viele seiner Kommunen unterhalten Partnerschaften in andere europäische Länder - auch in aktuell schwierige Staaten wie Polen und Ungarn. Persönliche Freundschaften müssen dann helfen, politische Differenzen zu überbrücken.

Von Iris Hilberth

Der Bozner Bergsteigermarsch beginnt mit den Worten: "Wohl ist die Welt so groß und weit und voller Sonnenschein." Die 200 Musiker aus Bayern und Polen geben alles. Gemeinsam. Weiter geht es mit Trompete und Tuba durch die Zeilen "Das allerschönste Stück davon ist doch die Heimat mein". Sie spielen, als würden sie es immer zusammen spielen, als gelte es, in Zeiten der Eisheiligen die Sonne gemeinsam gnädig zu stimmen, und als sei im kalten Oberschleißheimer Festzelt allen gleichsam die Heimat ganz nah. Das liegt wohl auch daran, dass sie den richtigen Ton treffen: den der Völkerverständigung.

Nun kommt es vermutlich nicht so oft vor, dass ein bayerischer Landrat eine polnische Blaskapelle dirigiert, die dann ein Tiroler Heimatlieder intoniert. Christoph Göbel (CSU) hat das schon häufiger gemacht, immer wenn im Landkreis der Tag der Blasmusik veranstaltet wird, greift er zum Taktstock - und die heimischen Musiker spielen gemeinsam mit den Gästen aus dem befreundeten polnischen Partnerlandkreis Wieliczka nach seinem Schlag. Danach reicht Göbel den Stab an seinen Gast und Kollegen weiter, den polnischen Vize-Landrat Henryk Gawor.

Seit 2003 ist der Landkreis München mit den polnischen Landkreisen Wieliczka und Krakau partnerschaftlich verbunden. Seitdem kommen Wirtschaftsdelegationen, Kommunalpolitiker, Jugendgruppen und eben auch die Blasmusik zu Besuch und die Bayern reisen regelmäßig nach Polen. "Die jungen Musiker des Orkiestra Koźmice aus dem Landkreis Wieliczka lernen in der Schule Englisch und Deutsch als zweite Fremdsprache", weiß Göbel. "Sie waren Feuer und Flamme und hatten sichtlich Vergnügen am gemeinsamen Musizieren mit ihren bayerischen Kollegen. Diese Offenheit hat jeder sofort gespürt, der ihnen begegnet ist."

Die Partnerschaft fuße auf einem stabilen und breiten Fundament und sei von großer Offenheit und Herzlichkeit geprägt. So sieht das auch die Oberhachinger Kreisrätin Karin Göbel, die nicht verwandt ist mit dem Landrat, sich seit Anfang an in beiden Partnerschaft engagiert und schon häufig mit einer Delegation in Polen war. "Wir stärken den europäischen Gedanken von unten heraus. Das ist der Weg der kleinen Schritte", sagt die Unterhachingerin. Die Menschen brächten eine große Offenheit mit und man baue gemeinsam weiter am europäischen Haus.

Das klingt in der heutigen Zeit gerade durch die politische Entwicklung in Polen nicht selbstverständlich. "Es ist schwieriger geworden", gibt Thomas H. Jaeger, der Vorsitzende des Städtepartnerschaftsvereins Unterhaching, zu, der seit 1995 die Freundschaft zur polnischen Gemeinde Zywiec pflegt. Man merke, dass das polnische Volk zerrissen sei. Auch Landrat Göbel betont: "Natürlich beobachte ich die gesamtpolitische Situation in Polen mit großer Aufmerksamkeit." Doch habe das langjährige und vertrauensvolle Verhältnis zu den Freunden aus den polnischen Partnerlandkreisen Krakau und Wieliczka für ihn gerade vor diesem Hintergrund eine umso höhere Bedeutung. Auch wenn es Themen gebe, wie in der Flüchtlingsfrage, bei denen die Meinungen auseinander gingen, habe er "bei unseren Freunden niemals einen Zweifel, weder an einem gemeinsamen Europa noch an unserer wunderbaren Partnerschaft gespürt", so Göbel.

Auch der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Kreistag, Christoph Nadler, spricht diplomatisch von "verschiedenen Sichtweisen". Aber das sei von Anfang an so gewesen, "die Polen sind sehr konservativ". Gleichwohl funktioniere der Austausch zwischen den Kreistagen sehr gut, denn der basiere vor allem auf persönlichen Freundschaften. CSU-Kreisrätin Göbel findet: "Selber hat man oft so viele Vorbehalte, wenn man aber die einzelnen Menschen kennenlernt, ändert das alles."

Nadler betont aber auch, dass man genauer hinschauen müsse. Er weiß, dass inzwischen viele Kreisräte der polnischen Regierungspartei PiS angehören. "Die geben sich auch gleich als PiS-Politiker zu erkennen und haben keinerlei Unrechtsbewusstsein." Wichtig ist dem Grünen "das Friedensprojekt EU", dafür sollte man etwas tun und "unserer Weltoffenheit vertrauen".

Auch der Unterhachinger Jaeger sagt: "Wir müssen versuchen, einen gemeinsamen Nenner zu finden, auch wenn es schwierig ist." Er glaubt aber auch fest daran, dass man das "unter guten Partnern" hinbekommt. Natürlich weiß er auch, dass der langjährige Bürgermeister von Zywiec bald nicht mehr Rathauschef sein wird, weil die PiS dafür gesorgt hat, dass ein Bürgermeister nach zwei Amtsperioden abtreten muss. Er kenne zudem viele Polen, die mit ihren oft auch kleinen Unternehmen inzwischen auf dem Weltmarkt tätig seien und befürchteten, das könnte sich ändern. Aber auch Jaeger betont, dass die politische Entwicklung in Ländern wie Polen oder in Österreich mit der FPÖ - Unterhaching ist zudem mit Bischofshofen verbandelt - "den Freundschaften keinen Abbruch getan haben".

"Wir sehen das natürlich nicht durch die rosarote Brille", sagt auch Heinz Fath, in Kirchheim Vorsitzender der Städtepartnerschaft mit der ungarischen Gemeinde Páty. Früher habe dort, gut 20 Kilometer von Budapest entfernt, ein Altkommunist auf dem Chefsessel im Rathaus gesessen, "jetzt ist es ein Orbán-Mann", sagt Fath.

Allerdings hatte man sich darauf verständigt, die politische Ebene aus dem Austausch herauszuhalten, als Kirchheim und Páty im Jahr 2006 ihre Partnerschaft offiziell besiegelten. "Natürlich bekommen wir mit, dass sie sich intern dort streiten", erzählt Fath, "doch das hat keine Auswirkungen auf unsere Städtepartnerschaft". Es sei vielmehr eine "total herzliche Verbindung". An Pfingsten sei wieder eine ungarische Delegation zu Gast, man bemühe sich sogar um einen Schüleraustausch mit Páty. Auch Unterhaching erwartet im August Besuch aus der Partnerstadt Zywiec. Der Bürgermeister und sein Stellvertreter haben sich angekündigt. Sicher werde man auch über Politik geredet, meint Jaeger. Er findet: "Unter guten Partner kann man das machen."

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SZ vom 18.05.2019
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