Süddeutsche Zeitung

Kommunalwahl in Ottobrunn:Der Dissens steckt im Detail

Lesezeit: 4 min

Bei der Diskussion der Bürgermeisterkandidaten ist sich Amtsinhaber Thomas Loderer mit den Herausforderinnen Sabine Athen und Tania Campbell in den großen Fragen einig. An MVG-Rädern, Fahrradstreifen und einem Kunstrasenplatz scheiden sich die Geister.

Von Daniela Bode, Ottobrunn

Wer wofür steht, hat man gleich gesehen bei der Podiumsdiskussion mit den Ottobrunner Bürgermeisterkandidaten im Wolf-Ferrari-Haus am Montagabend. Die Herausforderinnen Sabine Athen (SPD) und Tania Campbell (Grüne) trugen schließlich Blazer in ihren Parteifarben. Amtsinhaber Thomas Loderer (CSU) kennt man ohnehin, er bewirbt sich ja um die dritte Amtszeit. Als Kampfansage waren die Farben nicht zu verstehen, war die Diskussion doch von fairen, sachlichen Redebeiträgen geprägt. Den einen oder anderen Seitenhieb gegen den Rathauschef ließen sich Athen und Campbell aber nicht nehmen.

Rund 300 Zuhörer waren der Einladung der Süddeutschen Zeitung und der Volkshochschule Südost zu der Veranstaltung gefolgt, die von den SZ-Redakteuren Martin Mühlfenzl und Stefan Galler moderiert wurde. Beim Thema Wohnen und Arbeiten zeigte sich, dass die Ansichten der Kandidaten zum Teil gar nicht so weit auseinander liegen. Die Ansiedlung der Fakultät für Luft und Raumfahrt in Ottobrunn etwa bezeichneten alle als Chance.

Vor dem Hintergrund, dass mit der neuen Fakultät viele Menschen nach Ottobrunn kommen und Wohnungen brauchen werden, plädierte Athen für Nachverdichtung, aber nicht auf Kosten aller Grünflächen. Auch Campbell forderte den Erhalt des Grüns, betonte aber, "dass auch die Infrastruktur mit der Einwohnerzahl Schritt halten muss". Dem schloss sich Loderer an und sagte bezogen auf die aktuelle Einwohnerzahl der Gemeinde: "23 000 ist nicht das Ende der Fahnenstange."

Auf die Frage, wo die Studenten und Mitarbeiter alle wohnen sollten, kamen unterschiedliche Vorschläge. "Ich glaube, dass wir die Lösungen nicht immer in Ottobrunn suchen sollten", sagte Campbell und plädierte für eine Zusammenarbeit auch mit den umliegenden Gemeinden. Loderer betonte die Wichtigkeit einer guten öffentlichen Anbindung, dann könnten die Leute ihren Wohnort auch außerhalb des Ballungsraums haben. Die Verlängerung der U-Bahnlinie 5 nach Ottobrunn nannte er "das Rückgrat".

Etwas belächelt wurde Loderer von seinen Mitbewerberinnen für seine Äußerung, dass sich Ottobrunn "in letzter Zeit so wunderbar entwickelt" habe, alle Schulen saniert seien, die Ferdinand-Leiß-Halle erneuert sei, die Unternehmen das sähen und in Ottobrunn investieren wollten. "Herr Loderer, sorry, das ist doch nicht der Erfolg einer einzigen Person", sagte Athen. Campbell betonte, die Gemeinde sei auch schon früher, als sie dort aufgewachsen sei, lebenswert gewesen.

Ungewöhnliche Ideen präsentierten die beiden Herausforderinnen einer Bewohnerin der Demos-Siedlung im Publikum. Sie wünschte sich, dass es schöne kleine Wohnungen geben sollte für Leute, die dort allein im Reihenhaus wohnten, aber in eine Wohnung ziehen wollten. Campbell schlug vor, im Sinne einer Wohngemeinschaft einen Studenten ins Haus aufzunehmen. Athen regte eine Wohnungs-Tauschbörse über gemeindliche Netzwerke an. Loderer verwies darauf, dass es in der Gemeinde auch solche kleineren hochwertigen Wohnungen gebe.

Die Prioritäten setzen die Kandidaten unterschiedlich

Wo der Schuh bei den Themen Mobilität und Umwelt drückt und wie schnell was passieren muss, sahen die Kandidaten unterschiedlich. Alle drei Bewerber wollen die Verlängerung der U5. Loderer hat auch schon eine favorisierte Route, und zwar die Ostroute, die über die Bundeswehruniversität in Neubiberg, den Margreider Platz in Ottobrunn Richtung Einsteinstraße führt. "Dazu will ich mich noch nicht äußern, es wird eine Diskussion in der Öffentlichkeit geben", sagte dagegen Campbell. Athen will "die Bürger mitnehmen" und forderte ein gesamtes Verkehrskonzept.

Eine Tramlinie, wie sie eine Weile im Gespräch war, halten aus Kostengründen weder Loderer noch Athen für sinnvoll. "Sonst verzetteln wir uns", sagte Athen, und Loderer stimmte zu. Er verwies indes auf das gut ausgebaute Busnetz im Ort und darauf, dass es weiter verbessert werde. Auch eine Stärkung des Radverkehrs liegt allen dreien am Herzen. Doch bei einem Radschutzstreifen für die Putzbrunner Straße sind die Kandidaten geteilter Meinung. Loderer, der selbst gerne Rad fährt, hält eine solche Lösung für eine Schein-Sicherheit. Campbell derweil sähe die Idee, die die FDP im Gemeinderat eingebracht hatte, als Anfang, fände aber eine bauliche Lösung besser. Letzteres fordert auch Athen.

Danach gefragt, wie es sein könne, dass man mit dem MVG-Mietrad durch Ottobrunn fahren, aber nicht aufsteigen könne, rechtfertigte Loderer die Ablehnung des Systems durch den Gemeinderat. "Die Wirtschaftlichkeit ist mir wichtig", sagte er. 300 000 Euro für eine Zeit von fünf Jahren halte er für zu teuer. Für Campbell indes gehört zu einem aus ihrer Sicht nötigen Mix an Mobilität auch die Teilnahme am MVG-Leihradsystem.

Klare Vorstellungen hat sie außerdem, bis wann die Gemeinde klimaneutral sein sollte: bis 2030. Loderer ist weniger konkret, sein Ziel sei aber schon auch, "sehr schnell voranzukommen", sagte er. Auf die Frage aus dem Publikum, wann die U-Bahnverlängerung komme, gab es unterschiedliche Antworten. Athen sprach von einer Zeitspanne von zehn Jahren, Loderer hielt 15 Jahre für realistisch.

Die Themen Vereine und Arbeit als Bürgermeister wurden am Ende nur kurz angeschnitten. Nach dem Zeitpunkt gefragt, wann das Eisstadion ein Dach bekomme, sagte Loderer, immerhin habe Ottobrunn ein Eisstadion, zudem sage eine Studie, ein Dach sei wirtschaftlich untragbar. Athen verwies auf die Möglichkeit eines Sponsors. Campbell sagte, ihr gefalle es ohnehin besser, unter freiem Himmel zu fahren.

Zum zweiten Kunstrasenplatz für den TSV und den FC Ottobrunn, den der Gemeinderat zuletzt aus Umweltschutzgründen abgelehnt hat, sind die Meinungen weiterhin geteilt. Loderer hält einen solchen Platz weiter für sinnvoll, um die ganzjährige Bespielbarkeit zu gewährleisten. Campbell bleibt bei ihrem Nein, sie hält indes die Errichtung von Toiletten und Umkleiden auf dem Sportgelände für wichtig. Gefragt, wie wichtig Bürgerbeteiligung und Transparenz seien, wurde besonders Athen sehr deutlich: Man dürfe nicht warten, bis die Leute auf einen zukämen mit ihren Anliegen, man müsse frühzeitig informieren.

Auch müsse man jeden bewundern, der noch eine Frage stelle, "wenn ich bei der Bürgerversammlung die Leute erst einmal eine Stunde totrede". Loderer betonte, jeder könne sich mit Anliegen an ihn und die Gemeinderäte wenden. Er sei aber auch ein Anhänger der repräsentativen Demokratie. Nach Ansicht Campbells gibt es bereits viele Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung, etwa bei der Agenda 21. Im Gemeinderat werde bisher zu wenig auf deren Fachwissen gehört.

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SZ vom 05.02.2020
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