Süddeutsche Zeitung

Cannabis-Legalisierung:"Wir sollten die Chancen eines anderen Weges nutzen"

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Bei einer Podiumsdiskussion der Jungen Union sprechen sich auch zwei Mediziner für die Entkriminalisierung von Cannabis aus. Nur der Jüngste in der Runde ist auf Parteilinie.

Von Celine Imensek, Haar

Der Bundestag hat die Legalisierung von Cannabis beschlossen, und auch wenn nicht sicher ist, ob das Gesetz durch den Bundesrat kommt, gründen sich bereits Anbauvereine. Kein Wunder also, dass eine Podiumsdiskussion zum Thema am Dienstagabend viele Menschen angelockt hat. Die Organisatoren der Jungen Union (JU) Haar lassen das Treiben auf der kleinen Bühne im Bistro-Bereich deshalb auf einer Leinwand im Hauptsaal übertragen. Bezug zu den konkreten Plänen der Ampel-Koalition gibt es allerdings kaum, im Gespräch zwischen Medizinern, dem Pressesprecher des Cannabis Social Clubs München (CSC München) und einem Vertreter der Schüler-Union steht eher das Allgemeine im Mittelpunkt: Jugendschutz, Gesundheit, Kriminalität.

Als sich die vier Männer auf dem Podium und ihre Positionen zur Cannabis-Legalisierung vorstellen, wird klar, dass alle dasselbe Ziel vor Augen haben: den Schaden durch Konsum minimieren. Auch die Ansichten, wie man das genau umsetzen könnte, sind erstaunlich ähnlich. Für alle steht eine bessere Prävention und Aufklärung im Mittelpunkt. "Man muss die Leute zu einer anderen Sichtweise einladen. Direktive Anweisungen sind gut gemeint, haben aber keinen guten Effekt", sagt beispielsweise der Suchtmediziner Ulrich Zimmermann, Chefarzt am Isar-Amper-Klinikum.

Er und der Allgemeinmediziner Marc Weidenbusch stehen ebenso wie der CSC-München-Vertreter Werner Degenhardt einer Entkriminalisierung positiv gegenüber. Währenddessen spricht sich der Jüngste in der Runde, Nevio Zuber von der Schüler-Union, klar gegen laschere Gesetze für den Gras-Konsum aus: "Ich mache mir Sorgen um die Gesellschaft von morgen. Die Folgen für die Jugend sind nicht absehbar."

Beim Thema Jugendschutz halten sich die Diskutanten länger auf, besprechen verschiedene Aspekte. So erzählt Zimmermann von seinem Alltag in der Klinik, von Jugendlichen aus problematischen Elternhäusern, die den Joint brauchen: "Wenn junge Menschen eine Sucht entwickeln, dann ist das ein Hinweis, dass man sich um diese Person überhaupt mal kümmern müsste", sagt der Psychiater. Als es um den Schwarzmarkt geht, wird die Diskussion hitzig. Degenhardt und Zuber unterbrechen sich gegenseitig, während der CSC-Pressesprecher teilweise provokant lächelt, wird der Vertreter der Schüler-Union lauter.

Der 20-Jährige argumentiert, dass die organisierte Kriminalität auch mit der geplanten Neuregelung nicht geschwächt wäre, außerdem würde die Abgabe von Gras an Jugendliche erleichtert, wenn Erwachsene es legal erwerben könnten. Dagegen hält das CSC-Mitglied Degenhardt, dass man den Schwarzmarkt - auch in anderen Bereichen - nie vollständig austrocknen könne: "Wir sehen aber, dass sich die meisten Menschen auch nicht für Fusel aus Tschechien entscheiden, sondern für besteuerten Alkohol hier im Handel." Die beiden anderen Gesprächsteilnehmer sehen im absoluten Verbot von Cannabis ebenfalls nicht die Lösung für besseren Jugendschutz. So sagt der Allgemeinmediziner Weidenbusch: "Einen Aufklärungsversuch bei reiner Prohibition wird kein U18er als Gespräch auf Augenhöhe wahrnehmen." Der Konsum von kontrollierten Substanzen sei außerdem unbedenklicher als von Gras vom Schwarzmarkt.

In der abschließenden Fragerunde will eine Zuschauerin wissen, ob die Diskutanten auf dem Podium Cannabis als Einstiegsdroge sehen. Die Mediziner können darauf wegen schlechter Datenlage nur ambivalent antworten. Zimmermann sagt jedoch, dass nichts dafürspreche und ihm nur zwei Einstiegsdrogen bekannt seien: Alkohol und Nikotin. Der Suchtexperte macht am Ende des Gesprächs noch einmal deutlich, dass er sich nicht grundsätzlich für eine Legalisierung aussprechen möchte. "Ich kann nicht vorhersagen, was passieren wird. Wir sind jedoch lange einen Weg gegangen, der nicht funktioniert. Wir sollten die Chancen eines anderen Weges nutzen."

Von den Zuschauern sind viele gekommen, um sich allgemein ein Bild vom Für und Wider der anstehenden Reformen zu machen. Nach der Diskussion sind die Meinungen gespalten. Manche sind zufrieden mit der differenzierten Auseinandersetzung mit dem Thema und überrascht von einer JU-Veranstaltung, auf der eher wenige Unionspositionen vertreten wurden: "Ich bin klar für eine Legalisierung und hatte eigentlich gedacht, dass ich mehr Gegenwind zu meinen Ansichten bekomme", sagt Valentin Hasenöhrl. Anderen fehlte der aktuelle Bezug. So sagt ein Anwalt aus dem Landkreis München, er habe sich mehr Informationen zu den politischen Entwicklungen und der konkreten gesetzlichen Planung gewünscht. Dazu sagt der Haarer JU-Vorsitzende Florian Haller, dass die Diskussion geplant worden sei, bevor der Gesetzesentwurf vorlag, und verspricht: "Wir werden uns aber überlegen eine weitere Veranstaltung mit Politikern zu organisieren."

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