Süddeutsche Zeitung

Grünwald:"Wir lachen!"

Lesezeit: 3 min

21 Mädchen und ein Junge bereiten beim Ferienprogramm ein Musical vor. Sie singen, tanzen, schauspielern - und lernen, alles gleichzeitig zu tun

Von Claudia Wessel, Grünwald

Vom Zuschauen kann einem ganz schön schwindelig werden. Rechts gehen, links gehen, dann schneller und dazu mit den Fingern schnippen, mal auf der einen Seite, dann auf der anderen, dann das Ganze mit Musik. "Schon ein bisschen schnell, gell", sagt Tanzlehrerin Patricia Probst-Söhn, weil ein paar der kleinen As nicht mehr mitkommen, und stellt die Musik am Laptop aus. Die "As" sind die jüngsten Kinder aus der Gruppe A, ab vier Jahren. Eben haben sie gemeinsam mit den Bs und Cs einen Teil ihres Auftritts geübt. Aber dafür, dass sie all das erst vorgestern begonnen und pro Tag nur zweieinhalb Stunden eingeübt haben, sind sie schon unglaublich gut.

22 Kinder - 21 Mädchen und ein Bub - haben sich zum Ferienprogramm "Musical" in Grünwald angemeldet. Es findet statt in den Räumen des Ballettzentrums an der Ludwig-Thoma-Straße, das Inhaberin Petra Söhn der Gemeinde dafür kostenlos zur Verfügung stellt. Die Kinder sind nach Alter in drei Gruppen eingeteilt, die Jüngsten vier Jahre, die ältesten 14 Jahre. Alle durchlaufen drei verschiedene Bereiche bei drei Lehrerinnen. Patricia Probst-Söhn ist zuständig für Tanz, Susanne Hollmach für Gesang und Monika Fried für Schauspiel. Was die Kinder bei den Einzelnen gelernt haben, wird zum Abschluss zusammengesetzt zu einem Mini-Musical. Und dass das leichter gesagt als getan ist, zeigt sich bei den Einblicken in die Stunden zur Halbzeit.

Schon in der Gesangsstunde müssen die Kinder zwei Dinge gleichzeitig tun: singen und Bewegungen machen. "Wella wolla we" singen sie etwa und machen dabei Wellenbewegungen mit den Händen, einmal nach links, einmal nach rechts. Bei "uuuuuiiiii" werden die Hüften gerollt, bei "sssss" die Hände der Nachbarin leicht berührt, zu "schschsch" hängen Arme und Kopf locker nach unten, bei "hmmmm" lassen die Kinder die Schultern kreisen, und zu "fuu fuu fuu", "füü füü füü" und "fi fi fi" wedeln sie mit den Armen.

Offensichtlich aber ist diese gleichzeitige Beanspruchung mehrerer Gehirnbereiche sehr fruchtbar. Denn als Gesangslehrerin Susanne Hollmach das Ganze ohne Bewegung wiederholen lässt, stellt sie fest: "Da kommt nur noch 50 Prozent der Stimmleistung!" Sie fordert die Mädchen auf, sich die Armbewegung nur vorzustellen und schon klingt auch der Gesang wieder lauter.

Nach einer Unterrichtseinheit bei einer Lehrerin wechseln die Kinder die Räume, und dann wird ein neuer Aspekt geübt. Bei Tanzlehrerin Patricia Probst-Söhn heißt es jetzt Füße kreuzen, hochspringen und klatschen. "Klatschen erst, wenn ihr oben seid, nicht früher!" ruft die Lehrerin. Jetzt werden Lied und Tanz schon mal probehalber zusammengebaut. Gesangslehrerin Susanne Hollmach ruft jetzt abwechselnd mit Probst-Söhn Ansagen in den Raum: "Mund aufmachen, damit der Ton auch rauskommen kann!" - "Wir machen das jetzt noch hundert Mal!" - "Bei dem Kreis sind die Arme nicht tot! Und auch nicht die Gesichter. Wir lachen!"

Monika Fried schließlich holt schauspielerisch das Beste aus den Kindern raus. Einige von ihnen sind jetzt Kuscheltiere, die herumliegen dürfen. Dafür setzen und legen sich die Kinder kreuz und quer und trotzdem schön aussehend auf den Boden. Die zwei Besitzerinnen der Kuscheltiere möchten diese mitnehmen zu einer "Mega-Party" - die Eltern aber sind dagegen. Das erfordert eine besondere schauspielerische Leistung: Wut. Da müssen die kleinen Stimmen ganz schön erhoben werden.

Alle Einzelteile klappen sichtlich schon recht gut, nun gibt es einen Auftritt aller Kinder zusammen als Probe für die Aufführung vor den Eltern an diesem Freitag um 13 Uhr. Kaum zu glauben, was dabei alles Neues zum Vorschein kommt, was die Kinder offensichtlich in den vergangenen beiden Tagen gelernt haben. Die Cs legen eine komplizierte Choreographie hin, bei der vom Schulterschütteln und gleichzeitigem Vorbeugen, Beine werfen und Füße hinten hoch alles vorkommt, die Bs tanzen gemeinsam mit den kleinen As und müssen diesen nur ab und zu kleine Impulse geben, damit sie in die richtige Richtung laufen.

"Wir haben noch fünf Minuten", ruft Patricia Probst-Söhn. "Da können wir noch was Neues lernen." Und zwar, dass bei der Textpassage "Zu spät, zu spät, zu spät" die As beim ersten "Zu spät" nach vorne gehen und stehen bleiben, sich beim zweiten "Zu spät" auf die Knie hocken und beim dritten "Zu spät" auf den Po setzen. Gleichzeitig gehen die Bs nach links und die Cs nach vorne. Oder so ähnlich. Okay, beim ersten Ausprobieren setzen sich die As noch zu schnell auf die Knie, doch schon beim zweiten Mal klappt es besser, beim dritten Mal haben sie die Neuheit dann intus. Kind müsste man eben sein und noch so schnell lernen.

Petra Söhn ist sicher, dass bei dem Spaß, den die Kinder haben, einige weitermachen wollen. Sie können dann in die feste Musicalgruppe eintreten und bei den regelmäßigen Auftritten mitwirken, die der Verein "Jugend aktiv in Grünwald" präsentiert. Am Samstag, 23., und Sonntag, 24. November, wird das nächste Musical im August-Everding-Saal aufgeführt mit dem Titel "Kimberly".

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Quelle:
SZ vom 09.08.2019
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