Süddeutsche Zeitung

Gräfelfing:Vergoldeter Lärmschutz

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Ein Grundstückseigentümer will einer Wand entlang der Autobahn A 96 nur zustimmen, wenn er im Gegenzug Baurecht erhält.

Von Annette Jäger, Gräfelfing

Manchmal ist Politik nicht mehr als ein Tauschgeschäft. In Gräfelfing besteht der Tausch gerade aus Lärmschutzwand gegen Baurecht. Die Gemeinde benötigt die Zustimmung eines Grundstückeigentümers in der Maria-Eich-Straße, um direkt am Tunnelportal der Lindauer Autobahn A 96 an dessen Grundstück entlang die schon lange geplante Lärmschutzwand zu errichten. Dafür ist sie gewillt, das Grundstück mit Baurecht zu versehen. Das Vorgehen führte zu massiver Kritik in der jüngsten Sitzung des Bauausschusses.

Das Grundstück in der Maria-Eich-Straße direkt an der Autobahn ist keine begehrte Wohnlage: Tagein, tagaus rauschen Autos hier vorbei und tauchen direkt auf Höhe des Grundstücks in den Tunnel ein. Die Lärmbelastung ist massiv, deshalb gilt für die vier existierenden Wohneinheiten auf dem Grundstück nur ein Bestandsschutz, es ist als private Grünfläche ausgewiesen, das heißt: Etwas Neues darf der Eigentümer nicht darauf errichten. Das könnte sich nun ändern. Denn mit der Lärmschutzwand würden sich die Emissionswerte erheblich verbessern, eine Wohnbebauung wäre dann möglich. Gebaut werden dürfte freilich erst, wenn die Lärmschutzwand auch wirklich errichtet wird.

Die Gemeinde hat kaum eine andere Wahl, als der Baulandausweisung zuzustimmen, wie in der Sitzung des Bauausschusses deutlich wurde. Denn die Wand führt direkt am besagten Grundstück vorbei und hält teilweise nicht die Abstandsvorgaben ein. Eine Zustimmung des Eigentümers ist demnach eine Voraussetzung, um die Wand aufzustellen. Bleibt das Ja aus, würde dies das ganze Lärmschutzprojekt gefährden, das die Gemeinde seit Jahren zum Schutz der Anwohner in dem gesamten Wohngebiet plant, machte Bürgermeister Peter Köstler (CSU) klar. Und eines hat der Eigentümer wohl auch schon klar signalisiert: ohne Baurecht keine Zustimmung.

Martin Feldner (Grüne) kritisierte das Vorgehen scharf. Er warf die Frage auf, was für die Gräfelfinger bei der Aktion denn abfalle. Denn der Schallschutz werde von Steuergeldern bezahlt, den Gewinn fahre aber nur ein Eigentümer ein, dessen Grünfläche quasi vergoldet werde. Für den Bürgermeister liegt der Mehrwert der Wand auf der Hand: Die Gräfelfinger erhalten Lärmschutz. Walter Frank sah in Feldners Kritik eine "Neiddebatte" und Mathias Pollok (Interessengemeinschaft Gartenstadt Gräfelfing) mahnte dazu, sachlich zu bleiben: "Es gibt keine Alternative, die Wand sollte kommen, wir müssen diesen Weg gehen." Nun muss der Gemeinderat an diesem Dienstag final entscheiden.

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