Süddeutsche Zeitung

U6 nach Hochbrück:Garching verkauft die U-Bahn

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Weil teure Sanierungen anstehen, stößt die Stadt ihren Anteil an der Strecke einschließlich Bahnhöfen und Zügen an den Landkreis München ab.

Von Irmengard Gnau, Garching

Es war ein ziemlicher Coup, den Helmut Karl, der langjährige SPD-Bürgermeister von Garching, und sein Gemeinderat 1988 beschlossen. Wenn die Stadt München wie geplant die U-Bahn erstmals aus dem Stadtgebiet hinaus verlängern würde, um das stetig wachsende Forschungszentrum der Technischen Universität (TU) bei Garching anzubinden, dann wollte die Kommune auch selbst mitreden bei Planung und Streckenführung.

Also stimmten die Verantwortlichen nach einigem Zögern zu, selbst die Trägerschaft für den Bau der U-Bahn zu übernehmen. Die Kosten wurden zu 90 Prozent vom Freistaat Bayern bezuschusst. Mit der Eröffnung der neuen Haltestelle in Garching-Hochbrück am 28. Oktober 1995, der in den Jahren darauf die Stationen Garching und Garching-Forschungszentrum folgten, durfte sich die 1990 zur Stadt erhobene Kommune stolz als U-Bahnbesitzerin bezeichnen - damals ein Unikum für eine kreisangehörige Kommune.

Doch von diesem Titel wird sich Garching nun verabschieden müssen. Der Stadtrat von heute unter Bürgermeister Dietmar Gruchmann (SPD) will den Garchinger Teil an der U-Bahn verkaufen. Das Geschäft sei schon von der Rechtsaufsicht genehmigt, bestätigt Gruchmann. Von Herbst 2023 an wird der Landkreis München Eigentümer der Strecke sein, dieser erhält dann auch die Betriebsgenehmigung für die U-Bahn. Auch Bauwerke und die beiden U-Bahnzüge, die bislang Garching gehörten, gehen in den Besitz des Landkreises über. Die Stadt bleibt lediglich Eigentümerin der bebauten Grundstücke. Für den U-Bahn-Betrieb wird, wie bisher, die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) zuständig sein.

Grund für den Verkauf ist, dass die Stadtverantwortlichen befürchten, dass ihnen bald hohe Sanierungskosten für die U-Bahngleise ins Haus stehen werden. Insgesamt habe Garching in die beiden Streckenabschnitte nach Hochbrück und bis zum TU-Campus mehr als 30 Millionen Euro investiert, sagt Bürgermeister Gruchmann. Angesichts der erwartbaren nötigen Investitionen haben die Stadt und der Landkreis einen Verkaufspreis von etwa 25 Millionen Euro vereinbart, in dem auch etwa 7,5 Millionen Euro enthalten sind, welche die Stadt über ihre bisherigen Pachteinnahmen zurückgelegt hat; auch diese sollen an den Landkreis gehen.

Im Stadtrat sei ein Verkauf der U-Bahn bereits seit etwa drei Jahren diskutiert worden, sagt Gruchmann - seit absehbar wurde, dass der Betreibervertrag ausläuft, den die Stadt mit Inbetriebnahme des zweiten Streckenabschnitts 2006 über 15 Jahre abgeschlossen hatte. Dem Bürgermeister zufolge drohen in naher Zukunft Investitionen in Millionenhöhe, welche Garching finanziell überfordert hätten. Daher habe er gegenüber dem Landkreis die strikte Gesprächslinie verfolgt, dass der ÖPNV Sache des Landkreises sei und nicht einer einzelnen Kommune und er sich nicht an die Vereinbarungen seiner Amtsvorgänger gebunden fühle. Hauptnutznießer der U-Bahn sei der Freistaat Bayern mit seinem Forschungscampus, sagt Gruchmann.

Die Grundsatzentscheidung der früheren Garchinger Kommunalpolitiker vor 35 Jahren zieht Gruchmann aber nicht in Zweifel. Dafür sei er seinen Amtsvorgängern sehr dankbar. "Ohne die finanzielle Risikobereitschaft meiner Amtsvorgänger Helmut Karl und Manfred Solbrig und die damalige Übernahme der Bauleitplanung durch die Stadt Garching für die U-Bahn von Fröttmaning bis zum Forschungscampus hätte Garching sehr wahrscheinlich keine U-Bahn zum damaligen Zeitpunkt bekommen, wer weiß ob überhaupt", so der Rathauschef.

Nachdem die Verhandlungen zunächst zu keinem Ergebnis führten, schlossen Freistaat, Landkreis und Kommune für die Jahre 2021 bis 2023 einen sogenannten "Notübernahme-Betriebsvertrag", um den Weiterbetrieb der U-Bahn zu sichern. Dieser Vertrag läuft Mitte Oktober 2023 aus. Dann geht, so ist es nun beschlossen, die Garchinger U-Bahn an den Landkreis. Und Garching erhält im Gegenzug etwa 25 Millionen Euro.

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