Süddeutsche Zeitung

Garching:Kostenexplosion beim Bürgerhaus

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Mehr als neun Millionen Euro wird eine umfassende Sanierung voraussichtlich kosten. Zum ersten Mal taucht nun auch die Frage nach einem Neubau auf.

Von Gudrun Passarge, Garching

Die Stadt bekommt gerade die Rechnung dafür präsentiert, dass im Garchinger Bürgerhaus "zehn Jahre lang fast nix gemacht" worden ist, wie Zweiter Bürgermeister Alfons Kraft (Bürger für Garching) feststellte. Jetzt steht eine dringend notwendige Sanierung an, für die etwas mehr als vier Millionen Euro eingeplant waren, inzwischen ist von bis zu 9,3 Millionen Euro die Rede. Abhängig ist das von den Wünschen der Stadträte. Wollen sie eine Foyererweiterung? Soll das Restaurant Klubräumen Platz machen? Gibt der Architekt des Hauses, Wilhelm Betsch, sein Einverständnis? Zum ersten Mal tauchte auch die Frage nach einem Neubau auf.

In wie vielen Schritten soll der Umbau vor sich gehen?

Andreas Irl, Architekt von Raumtailor, erläuterte im Bauausschuss am Dienstagabend, warum es sinnvoll wäre, das Projekt in drei Stufen anzugehen. Die erste und teuerste umfasse die Dinge, "die dringend notwendig sind". Wie beispielsweise die Dachsanierung, die im Mai begonnen werden soll, oder der Austausch der maroden Fenster sowie neue Bodenbeläge. In dieser Phase sollen auch Brandschutzmaßnahmen berücksichtigt werden. Der Lesegarten der Bücherei ginge dabei verloren, unter anderem auch, weil dort kein zweiter Fluchtweg vorhanden ist.

Irl empfahl jedoch, die Stufe zwei miteinzubeziehen. Dann könnte das Gerüst gleich stehenbleiben. Ein erneuter Aufbau zu einem späteren Zeitpunkt würde etwa 80 000 Euro kosten. In der zweiten Phase könnte der Lesegarten wieder hergestellt und das Foyer erweitert werden, zudem ist geplant, die Hausmeisterwohnung in Büroräume für die Bücherei umzuwandeln und behindertengerechte Umbauten vorzunehmen.

Zur Foyererweiterung hatte Irl zwei sehr unterschiedliche Entwürfe mitgebracht, wobei im Moment fraglich ist, welcher Form Wilhelm Betsch zustimmen würde. Als Architekt des 1977 erbauten Hauses besitzt er das Urheberrecht. Bürgermeister Dietmar Gruchmann (SPD) berichtete, auf die letzten Kontaktversuche hin habe Betsch nicht reagiert. Dieser habe selbst einen Vorschlag zur Foyererweiterung gemacht, sagte Irl, riet jedoch gleichzeitig ab, weil er ein "irres Budget" erfordere und nur "minimalen Raumgewinn" bringe. In Stufe 3 schließlich könnte als eine der Maßnahmen noch die Bühnenbeleuchtung digitalisiert werden. Das würde Mehrkosten von 150 000 Euro verursachen.

Über die Zukunft des Bürgerhauses entscheidet nun der Stadtrat

Nicht berücksichtigt ist bei diesen Vorschlägen ein möglicher Umbau der Restauranträume. Sie erfüllen die Brandschutzvorgaben nicht und seien nur schwer zu vermieten, erläuterte Irl. Hier gebe es die Alternative, im Erdgeschoss alles in Klubräume umzuwandeln oder einen Teil für eine Systemgastronomie frei zu halten, wie etwa Vapiono oder Hans im Glück. Die Pächterwohnung im Obergeschoss könnte, so Irl, für die Verwaltungsräume der Bibliothek genutzt werden, die dann einen direkten Zugang zur Bücherei hätten. Die gut gelegene Hausmeisterwohnung mit zwei Terrassen könnte dann als Wohnung erhalten bleiben.

Es ist nun an den Stadträten, sich in den Fraktionen über die Zukunft des Bürgerhauses zu beraten. In der Diskussion wurden sehr unterschiedliche Stimmen, auch innerhalb der Fraktionen, laut. Jürgen Ascherl, Fraktionschef der CSU, wollte wissen, ob "die Sanierung überhaupt noch rentabel ist", während Manfred Kick (CSU) das Bürgerhaus als durchaus sanierungswürdig bezeichnete. Auch Harald Grünwald (Unabhängige Garchinger) stellte die Frage, was ein Neubau kosten würde. Irl nannte die Summe von etwa 35 Millionen Euro, worauf Grünwald antwortete: "Wir wollen kein zweites Gymnasium." Und auch Salvatore Disanto (CSU) warnte vor einem Fass ohne Boden.

Einen Abriss hält der Grüne Hans-Peter Adolf für "völlig schwachsinnig"

Die Frage nach einem Neubau rief Hans-Peter Adolf, Fraktionschef der Grünen, auf den Plan, der einen möglichen Abriss als "völlig schwachsinnig" vom ökologischen Standpunkt aus bezeichnete. Andere Stadträte, wie etwa Ulrike Haerendel (SPD) betonten, wie gut das Bürgerhaus in Garching funktioniere. "Wir haben keinen Grund, das Ganze zu zerlegen, sondern wir sollten es behutsam sanieren." Aber wie, darüber zeichneten sich auch schon unterschiedliche Meinungen ab. So sieht etwa Nihan Yamak (SPD) keine Zukunft für Systemgastronomie à la Vapioano in Garching, "das wird nicht passieren, sie werden sich nicht hier einmieten". Sie plädierte dafür, den so gewonnenen Raum eher für Klubräume zu nutzen.

Es bleiben noch jede Menge offener Fragen. In der nächsten Stadtratssitzung soll darüber abgestimmt werden, wie es mit dem Bürgerhaus weitergehen wird. Doch wenigstens was die neuartige Belüftungsanlage betrifft, die nach einem Vorschlag der Energie-Wende-Garching mit Geothermie arbeiten soll, gaben die Stadträte schon positive Signale. Die Anlage würde 55 000 Euro mehr kosten, aber im Jahr 6000 Euro Strom einsparen. Olga Stein, stellvertretende Bauamtsleiterin betonte, "das ist CO₂-neutral". "Eine sinnvolle Lösung", fand nicht nur Bastian Dombret (FDP).

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SZ vom 10.11.2016
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