Süddeutsche Zeitung

Lokalgeschichte:Auslaufmodell Heimatpfleger

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Der Garchinger Ortschronist Michael Müller betreut seit 2011 ehrenamtlich das Archiv der Stadt Garching. Nun wirft der 79-Jährige die Frage auf, ob man diese Aufgabe nicht professionalisieren soll.

Von Sabine Wejsada, Garching

Für den Garchinger Ortschronisten Michael Müller ist es eine Herzensangelegenheit: das Bewahren von Geschichte und Geschichten aus der Zeit, als die heutige Universitätsstadt noch ein Dorf war. 2011 hat der frühere Gymnasiallehrer das Amt des ehrenamtlichen Heimatpflegers übernommen und ist seitdem Hüter des reichhaltigen Archivs. Nach dem Umzug ins Dach des einstigen Gesindehauses 2017, in dem ein knappes Jahr zuvor der Garchinger Augustiner eröffnet hat, kann sich Müller dort in seine Arbeit vertiefen.

Doch den 79-Jährigen treibt eine Frage um: Braucht Garching ähnlich wie Ismaning oder Unterschleißheim schon bald einen hauptamtlichen Heimatpfleger oder eine hauptamtliche Ortschronistin? Schließlich umfasst das Stadtarchiv unzählige Dokumente aus der Historie über das Leben im Münchner Norden. Jedenfalls bat Müller die Stadträte jüngst darum, sich darüber rechtzeitig Gedanken zu machen. Im Hauptausschuss präsentierte er seinen Jahresbericht und nutzte die Gelegenheit für einen Ausblick.

"Heimatkunde hat letzten Endes immer einen politischen Einschlag", sagte Müller. Es gehe immer auch um Denkmalschutz und Ortsgestaltung sowie die Perspektive, wie sich eine Kommune entwickeln und was mit ihren historischen Bauten geschehen soll. Wenn es nach ihm ginge, dann "hätte ich die Beteiligung in Zukunft etwas förmlicher", sagte er.

Und da stelle sich für ihn schon die Frage, "ob die Heimatpflege immer von irgendeinem Rentner" versehen werden solle. Müller bezeichnete dies als "Auslaufmodell" und verwies auf die Umstände in Unterschleißheim. Dort existiere die vom 2022 verstorbenen Ortschronisten Wolfgang Christoph zusammengetragene Sammlung und das von ihm 1997 begründete Heimatmuseum nicht mehr.

Es sei an der Zeit, auch in Garching etwas zu ändern, bat der ehrenamtliche Heimatpfleger. In der Stadt gebe es viel nachzuholen: Auf Dachböden und in Kellern lagerten sicherlich unzählige Schätze, die für ein Archiv von großem Wert seien, so Müller. Man brauche nur nach Ismaning zu schauen, wo die Menschen dem Schlossmuseum ihre Habseligkeiten aus der Vergangenheit nicht ganz vermachten, aber zumindest für thematisch kuratierte Ausstellungen als Leihgaben zur Verfügung stellten. Wenn dort dann Tage der offenen Tür stattfänden, sei das Interesse groß.

Unter dem Dach im Garchinger Augustiner sei das nicht ganz so leicht, auch deshalb, weil der aus Brandschutzgründen erforderliche zweite Fluchtweg noch immer nicht gebaut ist. Laut Müller hat die im Landratsamt für den Denkmalschutz zuständige Sachbearbeiterin diesem nicht zustimmt.

Unterstützt wird Müller in seinem Tun von Otto Sondermayer; dieser habe im vergangenen Jahr weiter intensiv an der Neuordnung der Aktenbestände gearbeitet. Garchings Heimatpfleger hofft zudem sehr darauf, dass Jutta König neben ihrer Tätigkeit in der Registratur im Rathaus wieder im Archiv mitarbeiten kann.

Zum Abriss des Römerhof-Kamins findet Müller deutliche Worte

Was den Römerhof in Garching angeht, nahm Müller im Ausschuss kein Blatt vor den Mund: Der Südflügel sei ebenso erhaltenswert wie der nördliche Bereich des Gebäudes, den die Stadt ertüchtigt. Der Römerhof ist eines der ältesten Gebäude Garchings, seine Geschichte reicht bis ins 13. Jahrhundert zurück. 1971 kaufte die Kommune den Hof und baute die Gebäude teilweise um und errichtete einiges neu. Der um 1900 erbaute Brennerei-Kamin wurde Ende Juni 2023 abgerissen, was Müller unverhohlen kritisierte: "Eine Rücksprache mit dem Heimatpfleger gab es nicht." Dabei habe er, Müller, vorgeschlagen, die Ertüchtigung des Kamins zu prüfen, was aber nicht geschehen sei. Nun fürchtet er um den Südflügel.

Müller schlug den Garchinger Lokalpolitikern vor, zusammen mit interessierten Stadträtinnen und Stadträten in einer Art Arbeitskreis über das weitere Vorgehen im Hinblick auf den Römerhof zu beraten. Im Hauptausschuss traf das auf Zustimmung. SPD-Stadträtin Ulrike Haerendel signalisierte bereits ihre Bereitschaft mitzumachen. Ihre Parteifreundin Sara Hoffmann-Cumani regte an, die Befugnisse des Heimatpflegers denen der Beiräte gleichzusetzen, die regelmäßig im Stadtrat gehört werden.

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