Süddeutsche Zeitung

Erneuerbare Energie:Ein Haufen Holz

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Die Gemeinde Höhenkirchen-Siegertsbrunn plant ein Nahwärmenetz. Geheizt werden soll mit Hackschnitzeln aus den Wäldern in der Region

Von Bernhard Lohr, Höhenkirchen-Siegertsbrunn

Abschied von Öl und Gas: Die Gemeinde Höhenkirchen-Siegertsbrunn plant mit dem katholischen Pfarrverband im Bereich der Erich-Kästner-Volksschule und des Pfarrzentrums ein Nahwärmenetz, in das ein angrenzendes Wohngebiet und vielleicht später mal die Realschule angebunden werden soll. Auf Anraten der Energieagentur Ebersberg-München wird wohl eine mit Hackschnitzeln beschickte Heizanlage entstehen. Ein Vertreter der MW Biomasse AG, die für Waldbauern Holz als Brennstoff vermarktet, überzeugte die Gemeinderäte von den Vorteilen einer CO₂-freien Energiequelle aus der Region.

Den Pfarrverband ereilte im vergangenen harten Winter das Schicksal manches Hauseigentümers, der über eine in die Jahre gekommene Heizanlage verfügt. Einer der beiden Kessel fiel aus und die Frage stand plötzlich im Raum, auf welchen Energieträger man künftig setzen soll. Weil im Rathaus wegen eines geplanten Wohngebiets auf einem Areal der Wohnungsbaugesellschaft Gewofag und wegen der Erich-Kästner-Schule sowieso über ein Nahwärmenetz nachgedacht wurde, fragte die Kirche wegen einer Verbundlösung an. Und die zeichnet sich jetzt ab. Der Gemeinderat beschloss in der jüngsten Sitzung, die Schule an die neue Heizanlage anzuschließen und auf dem Areal auch sicherzustellen, dass eine Verbindungsleitung zum Pfarrzentrum verlegt werden kann.

Bevor die Entscheidung für eine Hackschnitzelanlage fiel, hatte Michael Strunz von der Energieagentur Ebersberg-München die Alternativen abgeklopft. Öl und Gas verwarf er freilich wegen der schlechten Klimabilanz der fossilen Brennstoffe und er verwies ausdrücklich auf den Kostenfaktor, wenn künftig Kohlendioxid mit einem Preis versehen werde. Eine Anfrage von Strunz bei den Stadtwerken München, die mittlerweile die Geothermieanlagen in Dürrnhaar und Kirchstockach betreiben und ein Fernwärmenetz aufbauen, zerstreute Hoffnungen, es könnte in absehbarer Zeit auch im Bereich der Erich-Kästner-Schule ein Geothermieanschluss zu erwarten sein. Am Ende riet Strunz zu einer Hackschnitzelanlage, kombiniert mit Solarthermie - und übergab damit das Wort an Sebastian Henghuber.

Der Vorstand der MW Biomasse mit Sitz in Irschenberg kann auf einige Erfahrung im Pellet- und Hackschnitzelgeschäft verweisen. Sein Unternehmen beliefert mehr als 20 Heizwerke im südlichen Oberbayern mit Brennstoff. Und der kommt aus den Wäldern der Region. Einer der Gesellschafter der AG ist die Waldbauernvereinigung Holzkirchen, die im Bereich Höhenkirchen-Siegertsbrunn 652 Hektar Wald bewirtschaftet. Mit dem jährlichen Zuwachs in diesem Wald könne ohne weiteres die geplante Anlage betrieben werden, sagte Henghuber. Wobei nach seiner Aussage derzeit an Brennstoff sowieso kein Mangel herrscht. Der jüngste harte Winter mit Schneebruch und der wegen des Klimawandels laufende Waldumbau hätten die Holzvorräte wachsen lassen und die Preise in den Keller geschickt, sagte er. Dazu komme noch das sogenannte Käferholz, also das Holz, das wegen Borkenkäferbefalls aus dem Wald entfernt werden muss.

Einen Mangel an nachhaltig zu verwertendem Brennstoff sieht Henghuber auch in den kommenden Jahren nicht. Im Gegenteil: "Es wird in dieser Region immer mehr Schadholz anfallen", sagt er. Die Waldbauern arbeiteten an der Grenze zur Rentabilität. Dennoch warnte er, dass Hackschnitzel im Vergleich zum Öl oder Gas immer noch ihr Geld kosteten, weil die fossilen Brennstoffe derzeit so günstig seien. "Wir hoffen auf die CO₂-Steuer", sagte Henghuber offen, und darauf, dass der russische Präsident Wladimir Putin irgendetwas mache, was den Gaspreis in die Höhe treibe. Öl- und Gaspreise seien politische Preise.

Und wie verhält es sich mit dem Holz? "Sie unterstützen die bäuerliche Wald- und Forstwirtschaft", sagte Henghuber. Wegen des relativ niedrigen Energiegehalts von Hackschnitzeln lohne sich ein weiter Transport nicht. Das Material komme aus den Wäldern im weiteren Umkreis.

"Wir begrüßen, wenn die Wertschöpfung in der Region bleibt", sagte CSU-Gemeinderat Peter Guggenberger. Wann die Hackschnitzelanlage errichtet wird, ist allerdings noch unsicher. Zeitdruck besteht alleine bei der Pfarrei, die aber mittlerweile die beiden bestehenden Heizkessel verknüpft hat und ein externes Heizmobil anschließen kann, wodurch die Versorgung erst einmal gesichert ist. Die Gasheizung der Volksschule wurde erst 2012 generalsaniert. Und die Realschule, die nebenan entstehen soll, ist bei den Überlegungen noch ganz außen vor, weil für diese laut Bürgermeisterin Mayer noch nicht einmal die staatliche Genehmigung vorliege. Dennoch hat sich die Gemeinde perspektivisch festgelegt. Die Gewofag hatte auch darum gebeten, um fürs künftige Wohngebiet Planungssicherheit zu haben.

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Quelle:
SZ vom 17.09.2019
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