Süddeutsche Zeitung

SZ-Adventskalender:Jugendarbeit in der Krise

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Als die evangelische Kirche das Geld für den Diakon im Dietrich-Bonhoeffer-Haus in Martinsried kürzte, sprang der eigens gegründete Verein "Miteinander" ein. Doch in der Pandemie fehlen ihm die Einnahmequellen.

Von Rainer Rutz, Planegg

Alles begann mit einer umstrittenen Sparmaßnahme der evangelischen Landeskirche Bayern im Sommer 2003: Die Vollzeitstelle des Diakons Reinald Winter im Dietrich-Bonhoeffer-Haus in Martinsried - ein Zentrum für Jugend- und Erwachsenenbildung - sollte auf eine Halbtagesstelle zurückgestuft werden. In Martinsried schlug die Ankündigung wie eine Bombe ein, denn die Arbeit des beliebten Diakons und seiner ehrenamtlichen Mitarbeiter machte gut die Hälfte der gesamten Kinder- und Jugendarbeit in der Gemeinde Planegg aus, wie auch vonseiten der Gemeinde eingeräumt wurde.

Binnen Tagen sammelten junge Leute aus dem "Café Ausbruch" im Dietrich-Bonhoeffer-Haus tausend Unterschriften, im Frühjahr 2004 wurde der Verein "Miteinander" gegründet. Aus dem SZ-Adventskalender kamen als Finanzierungsanschub 15 000 Euro und bald stand ein Konzept, das wohl einmalig ist in Deutschland: Der eingetragene Verein zahlt der Kirche dauerhaft die Hälfte des jährlichen Diakonen-Gehalts, um die Kinder-und Jugendarbeit aufrecht erhalten zu können. Dabei handelt es sich um einen jährlichen Betrag von etwa 50 000 Euro, der stets für zwei Jahre vorgehalten sein sollte, um Kontinuität schaffen zu können.

Das Geld wurde und wird durch private Spenden, Sponsoring, Mitgliedsbeiträge und vor allem durch öffentliche Veranstaltungen aufgebracht - fast schon legendäre Events, die Jahr für Jahr Tausende von Würmtalern begeistern: das bunte Entenrennen auf der Würm, die regelmäßigen Ü-30-Partys, das Martinsrieder Dorffest, an dem sämtliche Vereine und auch der Wissenschafts-Campus teilnehmen, die Gründung der "Schrauberhütte", in der Kinder und Jugendliche zum Beispiel ihre Fahrräder reparieren lassen konnten. 16 Jahre sind seither vergangen und "Miteinander" ist zu einer viel beachteten und vorbildhaften Institution bayernweit geworden. Mehr als eine halbe Million Euro wurden seitdem von dem Verein gesammelt und der Landeskirche überwiesen, nach Winters Weggang wechseln sich junge Diakone und Diakoninnen aus ganz Bayern in Martinsried ab.

Online-Veranstaltungen haben sich nicht bewährt

Und jetzt Corona. Der Wegfall der attraktiven Veranstaltungen - allein zum Entenrennen auf der Würm kamen jährlich bis zu tausend Besucher - führt im zweiten Jahr der Pandemie zu einer deutlichen Ebbe in der Vereinskasse, wenn auch, wie Anneliese Bradel betont, die momentane Förderung der Jugendarbeit noch gesichert ist. Dass die Stelle der Diakonin zurzeit überhaupt bezahlt werden kann, ist der Tatsache zu verdanken, dass die Sozialpädagogin Stefanie Hollitzer momentan in Teilzeit arbeitet, so musste die Zwei-Jahres-Reserve bisher nicht angetastet werden. "Aber schwieriger wird es, wenn Corona anhält und die Diakonin wieder ganztags arbeitet", sagt Anneliese Bradel, die sich mit vielen anderen Ehrenamtlichen von Anfang an um den Verein gekümmert hat. Man versucht auf Online-Veranstaltungen umzusteigen, doch das ist nicht wirklich erfolgreich und spaßig.

Ein großes Projekt ist zurzeit die bei Kindern und Jugendlichen sehr beliebte Ferieninsel Lindenbichl im oberbayerischen Staffelsee. Sie ist in Ferienzeiten ein beliebter Treffpunkt für Kinder und Jugendliche zwischen neun und 13 Jahren. Hier erleben sie fernab vom täglichen Rummel Zeltlagerleben mit Gleichaltrigen. Alles läuft ehrenamtlich ab, die Nachfrage ist riesig. Planegger, Gräfelfinger und Martinsrieder Kinder und Jugendliche kennen Lindenbichl über den Verein "Miteinander" sehr gut.

Doch natürlich kostet die Ausstattung der Ferieninsel viel Geld. Die Sanitäranlagen beispielsweise wurden das letzte Mal vor 24 Jahren saniert. Bis zur kommenden Saison sollen sie komplett erneuert werden - fast 400 000 Euro müssen dafür aufgebracht werden. Bei "Miteinander" will man die jährliche adventliche Spendensammlung deshalb weitgehend der Ferieninsel zukommen lassen. "Für den Verein ist Lindenbichl ganz wichtig und für die Kinder noch mehr", sagt Anneliese Bradel: "Denn hier bilden sich Freundschaften für das ganze Leben".

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