Süddeutsche Zeitung

Aying:Städtebau im Idyll

Lesezeit: 2 min

Die Gemeinde macht sich geräuschlos auf den Weg in die Zukunft. Bürgermeister und Gemeinderat suchen das Gespräch mit den Bürgern und zeigen sich bei Widerstand auch mal flexibel. Dabei sieht der neue Flächennutzungsplan sogar ein Bevölkerungswachstum von 22 Prozent vor

Von Martin Mühlfenzl, Aying

Die Gemeinde Aying ist auf so vielfältige Weise eine sehr eigene. Vor allem, weil es "die" Gemeinde eigentlich gar nicht gibt. Aus 19 Gemeindeteilen besteht die flächenmäßig zweitgrößte Kommune im Landkreis München - und der Großhelfendorfer versteht sich halt auch eher als Großhelfendorfer denn als Ayinger. Der Peißer geht in St. Nikolaus zur Kirche und eben nicht nach St. Emmeran im Pfarrdorf Kleinhelfendorf. Und der Graßer ist fast genau so schnell im Haflhof in Münster wie im eigenen Rathaus im Hauptort Aying.

Wenn es aber darum geht, die Zukunft der eigenen Gemeinde - oder besser gesagt: aller Gemeindeteile - mitzugestalten, sind sie dabei. Die Ayinger, Helfendorfer, Peißer und Graßer. Bei Workshops, Bürgerversammlungen und in großer Zahl im Gemeinderat wie am Dienstagabend

Das Gremium ist mittendrin, einen neuen Flächennutzungsplan auszuarbeiten. Ein für zehn bis 15 Jahre gültiges, städtebauliches Programm, mit dem die Entwicklung des Ortes geregelt werden soll.

In Diskussionen, bei den immer wieder die Bürger einbezogen wurden, hat der Gemeinderat in Zusammenarbeit mit dem Planungsverband Äußerer Wirtschaftsraum München bereits zwei zentrale Ziele entwickelt. Erstens: Die Gemeinde wird wachsen, moderat, aber doch schneller, als mancher es für möglich gehalten hat. Und zwar um etwa 1200 Menschen in 15 Jahren - sowie um 600 bis 650 Arbeitsplätze im selben Zeitraum. Ende vergangenen Jahres hatte Aying etwa 5300 Einwohner. Kommen alle zwölf Monate etwa 80 Neubürger hinzu, wird die Einwohnerzahl bis ins Jahr 2033 auf 6500 Menschen zulegen - also um etwas mehr als 22 Prozent.

Als zweiten zentralen Punkt haben die Ayinger sich auf Projekte geeinigt, die sie nur bedingt selbst in der Hand haben: die große Ortsumfahrung anstelle der bisherigen Staatsstraße 2078 durch Großhelfendorf, Göggenhofen, Peiß und Aying. Und zwar, wie Bürgermeister Johann Eichler (PWH) deutlich macht, "in einem Korridor westlich der Staatsstraße". Kommen sollen auch die Tangente nördlich des Ortsteils Aying als Umfahrung nahe dem Sportplatz sowie der zweigleisige Ausbau der S 7.

Dass nicht alle Bürger mit allen Projekten, die in Zukunft geplant sind, einverstanden sind, ist zuletzt vor eineinhalb Wochen deutlich geworden. Anwohner in Großhelfendorf haben ein Bürgerbegehren gegen die Umwidmung einer landwirtschaftlichen Fläche im südlichen Ortsteil in ein sogenanntes Mischgebiet aus Wohnen und Arbeiten gestartet. Sie fürchten eine drastische Zunahme an Verkehr und Lärm. Am Dienstagabend nahmen die Gemeinderäte die Ausweisung der Gewerbefläche nun aus der Gesamtfortschreibung des Flächennutzungsplans heraus. Vorerst. Rathauschef Eichler sagte, das Verfahren für das Gewerbegebiet werde zwar weitergeführt; der Gemeinderat wolle aber erst abwarten, wie sich die Beteiligung am Bürgerbegehren entwickle.

Ansonsten aber bleiben die großen Proteste gegen die städtebauliche Ausrichtung aus; sicher auch, weil die Bürger früh eingebunden wurden. Wer nun glaubt, in einer so weitläufigen Kommune mit vielen Freiflächen, würde ohne Sinn und Verstand neu ausgewiesen, der irrt. Vielmehr gilt selbst in den ländlich geprägten 19 Ortsteilen: Es soll verstärkt nach innen verdichtet werden. Innerorts soll Wohnraum für etwa 700 Menschen entstehen - dem gegenüber werden nur für etwa 500 Neubürger neue Wohnflächen ausgewiesen. Dennoch warnte Grünen-Gemeinderätin Christine Squarra davor, in den Ortsteilen immer mehr Gewerbeflächen anzusiedeln: "Wir wollen uns unseren Charakter erhalten." Bürgermeister Eichler stimmte zu und machte deutlich, ein Flächennutzungsplan sei ja kein Bebauungsplan: "Alles was später passiert, entscheiden wir hier im Gemeinderat." Ob etwa das kleine Örtchen Graß, das in den vergangenen Jahrzehnten eine erstaunliche Entwicklung vom abgelegen Flecken Erde mit ein paar Einödhöfen hin zu einem ansehnlichen Gemeindeteil mit reger Bautätigkeit im Inneren durchlaufen hat, weiter verdichtet wird. Oder ob es nach außen wachsen soll. Ob das Gewerbegebiet gegenüber der Ayinger Brauerei so groß wird, wie es im neuen Flächennutzungsplan vorgesehen ist. Ob die Schreinerei Vogl aus der Großhelfendorfer Ortsmitte auf ein freies Grundstück westlich des S-Bahnhofs ziehen darf. Und wie weit die unterschiedlichen Ortsteile überhaupt zusammenwachsen sollen. Oder ob.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3848958
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 01.02.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.