Süddeutsche Zeitung

Sendling-Westpark:40 000 Autos am Tag, doch Lärmschutz ist zu teuer

Lesezeit: 2 min

Von Berthold Neff, Sendling-Westpark

Endlich unser eigenes Geld: Die Erwartungen waren groß, als der Stadtrat die 25 Münchner Bezirksausschüsse (BA) zu Jahresbeginn mit einem neuen, viermal höheren Budget ausstattete. Der BA Sendling-Westpark zum Beispiel, der zuvor pro Jahr lediglich 34 100 Euro zur Verfügung gehabt hatte, um Vereine, kulturelle Veranstaltungen oder schulische Aktivitäten mit Zuschüssen zu unterstützen, saß nun auf einer mit rund 136 000 Euro gefüllten Kasse. Und malte sich bereits aus, welche Dinge man mit diesem Geld von der Stadt bestellen könnte, die man sonst nie bekommen hätte. Eine Lärmschutzwand zum Beispiel.

Sebastian Uhl, der am Max-Seidl-Weg wohnt und unter dem Lärm leidet, den der an der Oberfläche verbliebene Verkehr am Luise-Kiesselbach-Platz verursacht, beantragte deshalb im Juni, dass mit Geld aus dem neuen Stadtbezirksbudget ein "Lärmschutz in einfacher Ausführung" an dieser Stelle errichtet wird. Zwei Wochen danach machte sich der BA-Unterausschuss Verkehr ein Bild von der Situation und empfahl dem BA-Plenum einstimmig, dem Bürgerantrag zu folgen und die Investition zu wagen.

Die Anwohner des Max-Seidl-Wegs müssen immerhin täglich 40 000 Autos verkraften - nämlich all jene, die durch den Heckenstallertunnel kommen, dann aus dem Trog die Rampe hochbrettern, um danach über den Luise-Kiesselbach-Platz Richtung Garmischer Autobahn zu fahren.

Nun, drei Monate später, hat die Antwort aus dem Baureferat das Stadtviertel-Gremium erreicht - und eine Reaktion ausgelöst, die zwischen Empörung und Ernüchterung pendelt. "Wir geben uns damit nicht zufrieden", wetterte BA-Chef Günter Keller (SPD) in der jüngsten Sitzung. Ohne genauer auf die örtlichen Gegebenheiten einzugehen, rechnet das Baureferat vor, dass selbst bei einer Konstruktion in einfacher Ausführung (Beton oder Holz) mit einem Quadratmeterpreis von 500 Euro gerechnet werden müsse.

Bei zwei Metern Höhe und 100 Metern Länge sind da schnell 100 000 Euro zusammen. Bereits damit wäre fast das gesamte Stadtbezirksbudget für Sendling-Westpark aufgebraucht. Eine hochwertige Ausführung, etwa eine Glas-Stahl-Konstruktion, könne bei dieser Größe auch mit 400 000 Euro zu Buche schlagen.

Selbst eine Lärmschutzwand braucht ein Planungsbüro

Damit nicht genug. Zunächst einmal müsse ein Planungsbüro im Rahmen einer Objektplanung die Details einer solchen Konstruktion abstecken und auch ermitteln, ob das Fundament zum Beispiel den im Straßenraum verlegten Leitungen in die Quere kommt, "da deren Verlegung immer mit verhältnismäßig hohen Kosten verbunden ist". All das müsste aus dem Stadtbezirksbudget finanziert werden. Mit keinem Wort wird in dem Schreiben die Möglichkeit erwähnt, dass die Stadt wenigstens einen Teil dieser Kosten übernehmen könnte.

BA-Chef Günter Keller findet es "unglaublich", dass in dem Schreiben nicht auf die Situation am Max-Seidl-Weg eingegangen wird. Weil eine Abgrenzung zur Straße fehlt, könne es derzeit durchaus vorkommen, dass die Kinder einem Ball nachlaufen, der auf die Straße gerollt ist oder gar hinunter in den Heckenstaller-Trog. Außerdem, so warf Arnold Egerer (SPD) ein, habe das Baureferat die möglicherweise günstigere Variante mit Lärmschutz-Gabionen, also mit Steinen gefüllte Drahtkörbe, gar nicht erwähnt.

CSU-Fraktionssprecher Alfred Nagel forderte das Baureferat auf, wenigstens die Grundplanung zu übernehmen. Anderenfalls laufe man Gefahr, viel Geld für eine Planung auszugeben, um danach festzustellen, dass der Bau das gesamte Jahres-Budget verschlinge. Der geharnischte BA-Protest wird nun dem Baureferat übermittelt.

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Quelle:
SZ vom 03.11.2018
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