Süddeutsche Zeitung

Pasinger Kuvertfabrik:"So porös, dass man das Haus von Hand hätte wegtragen können"

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Die ehemalige Pasinger Kuvertfabrik ist saniert - nach einigen Überraschungen während der Restaurierung ist die "Kupa" jetzt so stabil, dass sie die U-Bahn-Erschütterungen sieben Meter unter der Oberfläche aushält.

Von Ellen Draxel

Ganz klar: Das Highlight der restaurierten Kuvertfabrik in Pasing ist das Dachgeschoss. Sichtbare Holzbalken, unterbrochen von weißen Wänden. Mitten im Raum thronend eine Galerie aus kühlem Metall. Helligkeit dank großer Fenster und Gauben. Und dann riecht es noch nach einer Mischung aus Waldduft und Neubau. Die Kupa, wie die Pasinger das 1906 errichtete Gebäude nennen, in dem einst Zucker verarbeitet wurde und in dem dann bis in die Neunzigerjahre des vorigen Jahrhunderts hinein Briefkuverts hergestellt worden sind, ist fertig saniert.

Acht Büro-Mieteinheiten mit Platz für 250 Arbeitsplätze sind entstanden, jede zwischen 450 und 500 Quadratmeter groß. Die meisten Partien verfügen über Mischungen aus offenen und separierten Bürobereichen, abgetrennt durch verglaste Türtrennwände oder erhöht auf stählernen Stelzen. Fünf Jahre hat die Bauzeit auf dem Gelände an der Landsberger Straße 440-446 gedauert. Fünf Jahre, in denen das Immobilienunternehmen Bauwerk, bekannt für hoch- bis höchstpreisigen Wohnungsbau, nicht nur das historische Schmuckstück unweit des Pasinger Bahnhofs revitalisiert hat.

Hochgezogen wurden in dieser Zeit auch fünf Wohnneubauten mit insgesamt 167 Wohnungen, alle sind bereits vergeben. Eigentum zu Münchner Preisen: "Im Schnitt 10 000 Euro pro Quadratmeter" zahlten die Käufer dafür, sagt Prokurist Christian Schulz. Wie viel Bauwerk sich die Sanierung der Kuvertfabrik hat kosten lassen, will der Projektleiter an diesem Tag, an dem er das Herzstück des Quartiers der Öffentlichkeit präsentiert, lieber für sich behalten. Er wählt andere Worte, um die baulichen und finanziellen Anstrengungen zu verdeutlichen, die das Unternehmen für die Verwandlung ehemaliger Fabrikarbeitsplätze in ein modernes Bürogebäude hat aufbringen müssen.

"Jede Menge Kraft", sagt Schulz, habe die Firma in die Wiedererweckung des Baus investiert. Beispielsweise in die Sanierung des Souterrains. "Da unten stand das Wasser, wir mussten also alle Stützen freilegen und runter bis ans Fundament." Weil sieben Meter unter der Kupa künftig die U5 durch zwei Tunnelröhren fahren soll, brauchte das Haus außerdem eine besondere Stabilität - weshalb man für das Gebäude eine Art "steifen Rahmen" fertigte. Unerwartet kompliziert gestaltete sich auch die Dachkonstruktion. Am Tag der Grundsteinlegung glaubten die Bauherren noch, das Gebälk mit acht Metern Firsthöhe befinde sich in einem sehr guten Zustand.

Doch Holzproben nach Abnahme der Ziegel belehrten sie eines Besseren. Einzelne Balken und Sparren waren morsch oder schon verfault. "Wir fragten also beim Denkmalschutz nach, ob wir einfach alle Sparren komplett ersetzen dürfen", erzählt Schulz. Dafür hätte man aber Hölzer von 1905 gebraucht, denn in diesem Jahr wurde das Originalholz geschlagen, wie Messungen ergaben. Die Lösung war schließlich eine Doppelstruktur: Neben die schadhaften alten Holzbalken positionierte man neue, die nun das Dach tragen. Und auch die beiden Giebelwände mussten neu errichtet werden: Dieser Teil war "so porös, dass man das Haus mit ausreichend Zeit von Hand hätte wegtragen können", scherzt der Projektleiter im Nachhinein.

Drei Monate lang stand der Dachstuhl damals offen, eine Operation am offenen Herzen. Sukzessive hat man bei Bauwerk alle Probleme gelöst, neben den alten, restaurierten Rundbogenfenstern aus Holz finden sich heute neue, dafür wurden die verformten Fassaden wieder in ihren Ursprungszustand versetzt. Und es gibt jetzt einen Aufzug und ein zweites Treppenhaus, ergänzend zu dem historischen Treppenaufgang mit seinem verschnörkelten Jugendstil-Geländer.

Dass das bis 2014 als Atelier- und Kulturhaus mit Werkstätten, einer Ballettschule und einer Moschee zwischengenutzte Industriegebäude mit dem Bebauungsplan zum Stückgutareal 2006 fast der Abrissbirne zum Opfer gefallen wäre und nur dank des Protestes und Engagements der Pasinger gerettet wurde, ist inzwischen kaum mehr vorstellbar.

Seit 2011 steht die Kupa, in der die ersten Briefkuverts mit Fenstern mutmaßlich nicht nur produziert, sondern auch erfunden wurden, nun unter Denkmalschutz. Wer dieses Stück Münchner Industriegeschichte von außen betrachten möchte, braucht nur die Promenade entlang der Pasing Arcaden weiterzugehen. Die Kuvertfabrik liegt mitten auf dieser Achse. Ende des Monats sollen die Kupa-Schlüssel nun der Stadtsparkasse übergeben werden.

Die Bank hat die Immobilie bereits 2019 erworben und schon Gespräche mit möglichen Mietern geführt. "Unterschrieben", sagt der Leiter des Immobilienmanagements, Michael Rubenbauer, sei "aber noch nichts". Denkbar, dass eines Tages auch eine für die Öffentlichkeit zugängliche Gastronomie in den historischen Bau einzieht - in das ehemalige Kesselhaus. Die Vorinstallationen dafür sind jedenfalls vorhanden.

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