Süddeutsche Zeitung

Kommunalwahl:Genug von der Opposition

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Die Fraktion der Grünen im Stadtrat zieht Bilanz - und fühlt sich schon jetzt aktivster Gestalter im Rathaus. Für das schwarz-rote Regierungsbündnis gibt es neben viel Kritik aber auch ein paar lobende Worte

Von Heiner Effern

Wenn Bilanz gezogen wird, zeigt das oft an, dass ein Ende naht oder schon da ist, und die Grünen im Rathaus haben bereits genau im Kopf, was nach der Kommunalwahl am 15. März ganz schnell aufhören soll: ihre Zeit in der Opposition. Wenn die Fraktionschefs Katrin Habenschaden und Florian Roth nun offiziell die vergangenen sechs Jahre Revue passieren lassen, fühlen sie sich schon nah dran. Sie teilen die Amtsperiode nämlich in drei Phasen ein: Die ersten zwei Jahre hätten dem Frustabbau nach dem Aus der Stadtregierung und dem Finden der neuen Rolle gedient, sagt Roth. Dann habe eine Phase begonnen, in der man viel konstruktiv beigetragen habe, aber am Regierungsbündnis aus SPD und CSU oft gescheitert sei. Im letzten Jahr, speziell nach den heftigen Niederlagen der SPD bei der Landtags- und Europawahl, wähnten sich die Grünen beinahe schon fast dort, wo sie unbedingt hinwollen: an der Regierung.

Die letzte Vollversammlung des Stadtrats im Dezember sei zum Beispiel positiv gelaufen, sagt Roth, "aber irgendwie auch gespenstisch". Es seien nicht nur praktisch alle wichtigen Punkte der Tagesordnung von den Grünen gekommen, wie etwa die Verkehrswende oder die Klimaneutralität der Stadt bis 2035. Die Stadträte hätten grundsätzlich auch das beschlossen, was die Grünen sich gewünscht hätten. Da hätte die Fraktion schon einen Ausblick gewinnen können, wie man aktiv gestalten könne. An der Regierung eben.

Wie nicht anders zu erwarten, rechnen die Fraktionschefs der Grünen in ihrer Bilanz mit der Stadtregierung auch hart ab. Sie geben sich aber Mühe, nicht wie politische Betonköpfe aufzutreten, die undifferenziert alles besser wissen. Roth lobt also erst mal SPD und CSU für die Milliarden-Investitionen in Schulen und Wohnungen. Und er erkennt an, dass die Befürchtung, die CSU könnte die offene Stadtgesellschaft beschädigen, nicht eingetreten sei. München habe sogar "geleuchtet", als die Stadt 2015 die vielen Flüchtlinge so herzlich aufgenommen habe, sagt er. Und die Integration danach habe auch reibungslos geklappt.

Dabei belassen es die Grünen dann aber auch mit dem Lob und kommen auf die Themen, die "vertagt, verschleppt oder versandet" seien, wie Habenschaden es ausdrückt. Die Oberbürgermeister-Kandidatin ihrer Partei steigt mit der Kritik ein und macht sie zuvorderst an der Verkehrspolitik fest. Die Tram-Westtangente sei etwa in sechs Jahre keinen Meter vorangekommen, geschweige denn aufs Gleis. Der Planfeststellungsbeschluss liege immer noch nicht vor. Fünf Jahre lang hätten SPD und CSU zudem bei neuen Busspuren nichts vorangebracht, erst 2019 sei ein Spätstart erfolgt. Die Verlängerung der U4 ins geplante Wohnquartier im Osten nicht schon jetzt zu planen, sei "ein schwerer Fehler".

Die Grünen eröffnen in der Folge die Rubrik "Viel gesagt - nichts (oder kaum etwas) passiert" und bringen darin die Sanierung des städtischen Klinikums, die von Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) angekündigte Verwaltungsreform, die Digitalisierung , die Zukunftsplanung für die Isar und auch den Umbau des Stadtmuseums unter. Für die Sanierung des Gasteigs würden die Grünen die Kategorie "Pleiten, Pech und Pannen" bemühen, dabei aber Pech durch Streit ersetzen. Die großen, zukunftsweisenden Beschlüsse wie die Reform der Erhaltungssatzungen im Kampf gegen die explodierenden Mieten, die Verkehrswende oder den Klimaschutz seien nur durch "grünrosa" Stimmen zustande gekommen, sagen Habenschaden und Roth. Im Übrigen fühlten sich die Grünen konstruktiv und am Ende wie "der konservative Teil" des Stadtrats, weil sie nicht dauernd Standpunkte und Stadträte mit anderen Parteien ausgetauscht hätten.

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SZ vom 17.01.2020
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