Süddeutsche Zeitung

Demo-Kundgebungen:Was die Richter zu Pegida noch verstehen müssen

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Immer wieder scheitert die Stadt vor Verwaltungsgerichten mit Verboten von Pegida-Demos an geschichtsträchtigen Orten. Dabei sind die Fakten klar.

Kommentar von Martin Bernstein

"Ich kann gar nicht soviel fressen, wie ich kotzen möchte." Der damals 85-jährige Maler Max Liebermann sagte das im Januar 1933 über einen Fackelzug der SA. Die uniformierten braunen Horden der Nazis: Sie waren etwas grundsätzlich anderes als das traurige 200-Köpfe-Häufchen der Pegida, das sich zu Provokationszwecken allwöchentlich an NS-Erinnerungsorten trifft und es noch immer nicht hochgradig albern findet, dabei "Wir sind das Volk!" zu skandieren. Man könnte dem Kreisverwaltungsreferat also vorwerfen, mit einer Kanone auf Spatzen zu schießen. Doch das KVR tut das einzig Richtige - und bleibt hoffentlich bei seiner harten Linie.

Denn Pegida ist längst nicht mehr nur das bizarre nächtliche Schauspiel in der Maxvorstadt. Pegida ist auch das, was sich auf den Facebook-Seiten der Gruppierung abspielt. Von wegen Sorge vor der angeblichen Islamisierung: Da wird gegen alles gehetzt, was nicht dem selbst gepinselten Bild vom Deutschen entspricht - gegen Ausländer, gegen Juden, gegen die Repräsentanten des Rechtsstaats.

Die Fakten sind klar

Wer liest, wie Pegida-Anhänger die mahnenden Worte Charlotte Knoblochs kommentieren, dem wird übel. Es ist eine trübe Suppe aus antisemitischen Ressentiments, völkischer Deutschtümelei und Gewaltfantasien, in der Pegida fischt. Eigentlich nicht überraschend bei einem Vorsitzenden, der am Platz der Opfer des Nationalsozialismus vom "totalen Krieg" schwadroniert und der wegen seiner Kontakte zu einem verurteilten Rechtsterroristen im Visier des Generalbundesanwalts ist.

Die Stadt hat das in ihrer detaillierten Verfügung aufgezeigt und belegt, wie Pegida bewusst NS-Erinnerungsorte ansteuert und dort die Opfer des Naziterrors verhöhnt. Die Fakten sind klar. Den Münchner Verwaltungsrichtern hat das nicht genügt - noch nicht, wie sie selbst schreiben.

Angeblich war ihnen auch die Zeit zu kurz, um sich mit solchen inhaltlichen Fragen zu befassen. Nun ja. Bis zum 9. November sind es ja noch fast zwei Wochen. Zeit zur Lektüre. Vielleicht verstehen dann auch die Juristen, was die Bürger Münchens zum Glück schon längst verstanden haben.

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Quelle:
SZ vom 28.10.2015
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