Süddeutsche Zeitung

Bilderbuch:Fressen und gefressen werden

Es kann sinnvoll sein, Kindern Bücher über Monster zu geben - nicht damit sie sich fürchten, sondern um ihnen Wege zu zeigen, Ängste zu besiegen. Aufs Schönste veranschaulicht dies das Bilderbuch "Der Tag, an dem Louis gefressen wurde".

Von Barbara Hordych

Bekanntlich suchen Kinder wie auch Erwachsene in Filmen und Büchern oft ganz bewusst das Spannende und Gruselige. Als "Angstlust" bezeichnet der Psychoanalytiker Michael Balint dieses Phänomen, das an die Gewissheit gekoppelt ist, dass die eigene Situation völlig gefahrlos ist. In ihrer literaturwissenschaftlichen Studie "Warum Kinder Monster brauchen" (München, Grin Verlag 2016) zeigt Julia Hornemann, wie sinnvoll es ist, Kindern Bücher über Monster zur Verfügung zu stellen - nicht um ihre Ängste zu mehren, sondern um ihnen Wege zu zeigen, mit ihren vorhandenen Ängsten umzugehen und diese zu besiegen. Aufs Schönste überzeugt in dieser Hinsicht das Bilderbuch des englischen Autors und Zeichners John Fardell "Der Tag, an dem Louis gefressen wurde": Als Louis von einem Schluckster verschlungen wird, bleibt seine große Schwester Sarah ganz cool und nimmt radelnd die Verfolgung auf. Sie sieht, wie die schaurige Kreatur alsbald von einem Grabscherix gefressen wird, der seinerseits im Schlund eines Wasserschnappers landet, der wiederum einem Säbelzahnschlinger zum Opfer fällt. Doch Sarah schreckt vor den Vielfraßen nicht zurück. Klug wie sie ist, hat sie nicht nur ihr Taschenmesser eingesteckt, sondern auch einen Schluckauf-Frosch dabei. Diese schön-schreckliche Geschichte über zwei wehrhafte Geschwister lässt den Leser all der eindrucksvollen Ungeheuer zum Trotz laut lachen - besser kann Angst gar nicht überwunden werden.

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Quelle:
SZ vom 16.04.2020
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