Süddeutsche Zeitung

Karl-Valentin-Orden für Heino:"Kompetenzfreies, bräsiges Kasperl-Event"

Lesezeit: 2 min

Unter den Humorarbeitern des Freistaats herrscht kollektive Fassungslosigkeit: Die Narrhalla verleiht den Karl-Valentin-Orden an Heino. Die simple Schlagerpoesie des Sängers ist frei von jedem Hintersinn. Wie also kommt er zu dem Preis?

Von Thomas Becker, München

Bruno Jonas lacht erst mal laut und ausdauernd, und auch Ottfried Fischer hält es für einen Scherz. "Ich hab' davon gehört, aber geglaubt hab' ich es nicht", sagt Fischer. Kein Wunder: "Karl-Valentin-Orden für Heino" - wer kommt denn schon auf so was? Die Narrhalla kommt auf so was, seit 1973 verleiht die Münchner Faschingsgesellschaft diesen Orden im Rahmen ihrer Eröffnungs-Soiree im Deutschen Theater.

Standen die ersten Preisträger (Werner Finck, Loriot, Sigi Sommer, Gert Fröbe) fraglos in der Tradition des hintersinnigen Sprachgenies Valentin, so lief die Sache danach aus dem Ruder: Helmut Kohl, Joseph Ratzinger, Edmund Stoiber, Fritz Wepper, um nur einige eher ungeeignete Preisträger zu nennen. Der Schlagersänger Heinz Georg Kramm, kurz Heino, ist nun der nächste Fehlgriff nach den Vorgängern Horst Seehofer, Til Schweiger und den Klitschkos.

Zwischen Lachen und Empörung

Die Humorarbeiter des Freistaats reagieren mit kollektiver Fassungslosigkeit. Alfons Schweiggert, Gründer der "Karl-Valentin-Gesellschaft" und Initiator des Großen Karl-Valentin-Preises, schimpft in der AZ auf die Narhalla: " Hört auf, Valentins Namen für alberne Faschings-Spassettl zu missbrauchen." Luise Kinseher und Christian Springer sprechen ebenfalls von Missbrauch, Kleinkunst-Impresario Till Hofmann sieht in der Veranstaltung ein "kompetenzfreies, bräsiges Kasperl-Event, das man lieber in Dieter-Bohlen-Orden umbenennen sollte".

Und Bruno Jonas meint: "Den Filser-Hut sollte der Heino jetzt auch noch bekommen! Die Selbstironie mit den Coversongs dieser Rocker: Das war schon clever, muss man zugeben." Jonas hätte aber einen anderen Sänger ausgezeichnet: "Wolf Biermann wäre ein würdiger Preisträger gewesen. Der hätte ihn sogar angenommen!" Auch Otti Fischer nimmt's mit Humor: "Der Heino ist Rheinländer, von Haus aus fröhlich. Einer, der die Welt aus dem Aquarium genau betrachtet. Und der im Gegensatz zu Howard Carpendale weiß, dass es ein Leben nach dem Schlager gibt."

Schlagerpoesie, frei von jedem Hintersinn

Es ist beileibe nicht die erste Preisverleihung, die von Kopfschütteln begleitet wird. Gerade wurden in Berlin Bambis an Prominente verteilt, die gerade in der Stadt waren. Den Karl-Valentin-Orden, 15 Zentimeter feinvergoldetes Sterlingsilber, gibt es nicht für jeden, sondern für "eine Persönlichkeit aus Politik, Kunst, Wissenschaft, Literatur oder Sport" und für "die nach Meinung der Gesellschaft humorvollste bzw. hintergründigste Bemerkung im Sinne von Karl Valentin, für eine Rede oder Handlung, für ein Zitat, welches in der Öffentlichkeit publik wurde". Beschlossen wurde dies am 11. 11. 1972. Unklar ist, ob Alkohol im Spiel war.

Wie Heino da reinpasst? Schließlich ist die simple Schlagerpoesie ("Ja, ja, so blau blau blau blüht der Enzian") frei von jedem Hintersinn. Egal. Der Geehrte, derzeit für RTL mit Dieter Bohlen in Thailand auf "Superstar"-Suche, findet's toll: "Das ist sensationell für einen Rheinländer, einen bayerischen Orden zu bekommen, und dann noch den Valentin-Orden. Der war ja ein ganz verrückter Kerl. Das macht mich schon ein bisschen stolz."

Eins kann man der Narrhalla nicht vorwerfen: fehlenden Mumm. Nicht wie dieser Valentin: "Mögen hätt' ich schon wollen, aber dürfen hab' ich mich nicht getraut." Nix da, die Narrhalla traut sich. Und kürt wieder einmal völlig humorlos einen Preisträger, bei dem es nicht die geringste Verbindung zu Karl Valentin gibt.

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Quelle:
SZ vom 15.11.2014
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