Süddeutsche Zeitung

Kabarett:Der Mann im Schatten der Rampensäue

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Klaus Peter Schreiner rettete die Münchner Lach- und Schießgesellschaft, er war Vordenker der deutschen Fernsehsatire. Nun ist er im Alter von 86 Jahren gestorben.

Nachruf von Oliver Hochkeppel

Am Anfang war er freiwillig und explizit ein Namenloser: "Die Namenlosen" nannte sich das Studentenkabarett, das Klaus Peter Schreiner, Student der Kunstgeschichte, Theater-, Literatur- und Zeitungswissenschaft, 1953 unter anderem mit Sammy Drechsel und Dieter Hildebrandt aus der Taufe hob - für das Faschingsfest der Theaterwissenschaftler. Ein Name, der tatsächlich kaum dazu geeignet war, sich ins Gedächtnis einzugraben und umso rascher in Vergessenheit geriet, desto erfolgreicher sich der Nachfolger zu einer der ersten Adressen des deutschen Kabaretts entwickelte: die Lach- und Schießgesellschaft.

Kurz vor der Premiere des ersten Programms 1956 war Schreiner nach einem Streit um Nichtigkeiten zwar abtrünnig geworden und zur "Zwiebel" gegangen. Rechtzeitig aber gelang es Hildebrandt und Drechsel, ihn zurückzuholen. Von da an blieb Schreiner dem "Laden" fast 50 Jahre lang treu - als wichtigster Hausautor.

Eine beeindruckende, an Tucholsky heranreichende Sprachgewalt

Angefangen hatte Schreiner zunächst auf einer ganz anderen Baustelle, den Naturwissenschaften. 1930 in Zweibrücken in der Pfalz geboren, war er zwar alt genug, die Schrecken des Krieges bewusst mitzuerleben, aber glücklicherweise zu jung, um selbst an die Front zu müssen. Nach Krieg und nachgeholtem Abitur nahm Schreiner 1949 in Mainz ein Chemiestudium auf, das ihn jedoch bald nicht mehr so fesselte, wie er das erhofft hatte.

Er wechselte zur Philosophischen Fakultät, wo er Hanns-Dieter Hüsch kennenlernte, den niederrheinischen Kauz des deutschen Nachkriegskabaretts, der ihn für die Macht der Worte und die Kraft der Bühne sensibilisierte. Schon im Jahr darauf zog Schreiner in die Stadt München, die seine Heimat wurde, ebenso wie die Lach- und Schießgesellschaft zu seinem Zuhause.

Sein Name wurde hier schnell bekannt, sein Gesicht freilich kannte lange nur der innere Zirkel - hatte Schreiner doch, von kleinen Intermezzi, Gastauftritten und dem fast pflichtschuldigen Einrücken ins Ensemble während der großen Krise der Lach- und Schieß 1999 abgesehen, die Bühne rasch zugunsten der Arbeit im Hintergrund aufgegeben. Dort, sozusagen im Schatten der Rampensäue, wurde er dafür die graue Eminenz der Branche. Nicht nur als Haustexter und Co-Autor aller Lach-und Schieß-Programme bis 1999, sondern auch als Mastermind der deutschen Fernsehsatire: 15 Jahre lang schrieb er "Die Rückblende" für RIAS Berlin, ein paar Jahre lang auch die BR-Glosse "Was sagen Sie dazu"; er war Dieter Hildebrandts Alter Ego bei "Notizen aus der Provinz" und dem "Scheibenwischer", er arbeitete bei Michael Pfleghars "Klimbim" ebenso mit wie bei Gerhard Polts "Fast wia im richtigen Leben" - immer noch zwei Meilensteine der deutschen Fernsehgeschichte; selbst der Playboy verdankte ihm zwölf Jahre lang amüsante Lesbarkeit abseits der Bildstrecken.

Bruno Jonas, Kabarettist und ehemaliger Autor der Lach- und Schießgesellschaft:

"Diese Nachricht macht mich sehr traurig. Er war ein ganz großer Kabarett-Autor. Für mich persönlich war er auch ein Vorbild, ich habe viel von ihm gelernt. Am Anfang, als ich zur Lach und Schieß kam, hatte ich große Ehrfurcht, aber er war unheimlich sympathisch und hat mir von Anfang an viele Tipps gegeben. Unsere erste Begegnung war im Jahr 1972, da ging ich noch zur Schule. Ich hatte eine kleine Sprechrolle am Stadttheater Passau in der Operette "Die Landstreicher". Den Text hatte Klaus Peter bearbeitet. Ich habe ihn als einen sehr ruhigen Zuhörer kennengelernt, der bei Besprechungen mit spitzem Bleistift Ideen aufgeschrieben hat. Seine damalige Frau hat sie dann immer mit der Schreibmaschine abgetippt. Klaus Peter Schreiner war unglaublich vielseitig, er beherrschte alle Formen, auch die Liedform, seine Reime haben einfach immer gestimmt. Ohne Klaus Peter wäre die Lach und Schieß nicht denkbar gewesen. Er hat meist die grundlegenderen Texte geschrieben, während das Aktuelle von Dieter Hildebrandt kam. Er war der letzte Verbliebene aus der Urmannschaft, der jetzt auf einer Wolke neben den anderen Platz nimmt. Sammy Drechsel wird ihm wahrscheinlich gerade schon zurufen. Für mich steht er als Autor in einer Reihe mit Erich Kästner und Martin Morlock."

Renate Küster, Witwe von Dieter Hildebrandt, Ensemble der Lach- und Schießgesellschaft von 1984-90:

"Klaus Peter Schreiner war ein sehr freundlicher, manchmal mürrisch dreinblickender Mensch, was er aber nicht so gemeint hat. Er konnte vor allem wunderbar reimen, in sehr witziger Art und Weise. Mit Jochen Busse setzte er sich abends an Thema - und schon zwei Tage später war das Solo fertig. Das habe ich immer beneidet an ihm. Er war ein großer, großer Könner. Bei der Beisetzung in Mainz werde ich ihm auf jeden Fall Lebewohl sagen. Vielleicht trifft er ja den Dieter, und dann machen sie da oben zusammen ein neues Kabarett, mit dem Roger Willemsen, dem Helmut Dietl und all den anderen, die sie uns schon genommen haben."

Dieter Hanitzsch, Münchner Karikaturist:

"Ich habe Klaus Peter Schreiner im Jahr 1961 bei den Proben der Lach- und Schießgesellschaft kennengelernt. Ich war immer dort, um die Akteure zu zeichnen. Ich habe ihn rückhaltlos bewundert wegen der Präzision, der Genauigkeit seiner Texte. Er hat sich immer auf Dinge gestürzt, die von Fakten belegt waren, und sie dann mit besonderer Schärfe versehen - er war ein genialer Autor, der Jahrhundertautor für das deutsche Kabarett. Er war ein großartiger Kollege ohne Allüren, ein wunderbarer, liebenswerter Mensch."

Till Hofmann, Geschäftsführer Lach- und Schießgesellschaft:

"Er war ein ganz feiner Typ. Ohne ihn gäbe es die Lach- und Schieß längst nicht mehr. Als das Ensemble in den späten Neunzigerjahren zuletzt in einer Krise war, ist er ja auch noch einmal zurückgekommen und mit auf Tour gegangen. Klaus war einer der besten Kabarett-Texter der vergangenen 60 Jahre."

Rainer Basedow, Kabarettist, Schauspieler Kollege an der Lach- und Schießgesellschaft:

"Ohne Klaus Peter Schreiner wäre die Lach- und Schießgesellschaft nie das geworden, was sie wurde. Ohne ihn hätte ich es nicht 20 Jahre lang dort ausgehalten. Er war, neben Dieter Hildebrandt, der Hauptautor der Stücke. Er war wohl sogar der bessere Autor als Hildebrandt. Klaus Peter hat wunderbarste Texte geschrieben - und er war vor allem sehr präzise. Er hatte ein ungeheures Sprachgefühl, ordinär schreiben konnte der gar nicht - er war ein Herr, ein Gentleman, ein ruhiger Vertreter. Im hohen Alter ist er dann auch auf die Bühne gegangen, aber da war er nicht so gut wie seine Texte. Er war sozusagen den Anforderungen seiner eigenen Texte auf der Bühne nicht gewachsen. Klaus Peter hat schon ein bisschen darunter gelitten, dass Dieter Hildebrandt - weil der immer auf der Bühne stand - berühmter war als er selbst." (Im Bild mit seiner Frau)

Schreiners Erfolgsgeheimnis lag nicht nur in der beeindruckenden, an Tucholsky heranreichenden Sprachgewalt, sondern auch in der Fähigkeit, "ein wenig früher zu wissen, welche Philosophien abgenutzt waren, was Mode und was echt ist", wie es sein Freund und Weggefährte Dieter Hildebrandt in seiner Laudatio zum Bayerischen Kabarettpreis für Schreiners Lebenswerk 2007 formulierte.

Angeblich neue neoliberale Radikalökonomen

Das demonstrierte er dem Publikum in seinem Lebensherbst am liebsten wieder persönlich. Zu Lesungen seiner besten Texte reiste er in der ganzen Republik umher, erst mit dem Programm "Meistersatiren", seit 2002 mit "Einmal Deutschland und zurück", das ihn endgültig als einen der genauesten und weitsichtigsten Chronisten deutsch-deutscher Geschichte auswies. Fast erschreckend, wie aktuell viele seiner Texte noch nach Jahrzehnten waren und zum Teil bis heute sind: ob solche zur vermeintlichen Pressefreiheit, zu den Fluten scheinbar hilfreicher neuer Technologien bis zu den nur angeblich neuen neoliberalen Radikalökonomen.

Prototypisches fing er auch zum eigenen Metier ein, unvergessen und unerreicht ist etwa sein schon im Jahr 1965 entstandenes Gedicht über den Kabarettbesucher: Erst lacht er sich halb scheckig und frohlockt: "Nie mehr schau' ich so 'nen Mist an wie Hamlet oder Tristan", doch "verpasst er dann die Tram, war's wieder mal ein Scheißprogramm."

Nach längerer Krankheit und an den Folgen eines Schlaganfalls ist Klaus Peter Schreiner, diese herausragende Gestalt des deutschen Kabaretts, am Dienstag im Alter von 86 Jahren gestorben.

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Quelle:
SZ vom 09.02.2017
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