Süddeutsche Zeitung

Ukraine-Hilfe:Mit der Kettensäge für den Frieden

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Um nicht in eine Angst-Schock-Starre wegen des Ukraine-Krieges zu verfallen, hat der Holzbildhauer Jörg Herz neue Skulpturen geschnitzt. Jetzt startet er eine Benefiz-Aktion.

Von Michael Bremmer, München

Nach der ersten Bombennacht hat Jörg Herz die ersten Skizzen gezeichnet. Nach dem Wochenende, an dem er die ganze Zeit an die Schrecken des Krieges in der Ukraine denken musste, hat er dann zu seiner Kettensäge gegriffen. Er musste etwas tun. Er musste etwas schaffen.

Entstanden ist eine grob bearbeitete Holzfigur, Fichte, circa 80 Zentimeter hoch. Die Füße und der Oberkörper blau, die Beine gelb. Die Farben der Ukraine. In der Hand hält die Figur ein Plakat mit der Aufschrift "No War", das "o" in Herzchenform. "Demo4democracy" hat er sie genannt. Er versteigert diese Skulptur gerade zugunsten der Ukraine-Hilfe, bis Sonntag, 13. März, läuft die Auktion.

Mittlerweile ist schon eine kleine Reihe entstanden. Die zweite Figur trägt ein Plakat mit einer Friedenstaube. Die dritte weint ukrainische Tränen. Die Figuren verkauft er auf seiner Homepage, das Stück für knapp 900 Euro, auch hier geht die Hälfte davon an die Ukraine-Hilfe.

Der Krieg macht dem Künstler schwer zu schaffen, das hört man an seiner Stimme. "Ich denke an nichts anderes mehr", sagt er. Und von Anfang an habe er sich gedacht: "Was kann mein Beitrag sein?" Zwei Jahre Corona, zwei Jahre ohne Ausstellung haben bei ihm Spuren hinterlassen, auch finanziell. Geld spenden ist in so einer Situation nicht einfach. Nichts tun war für Jörg Herz aber auch keine Alternative. "Fassungslos und geschockt vom Krieg in Osteuropa habe ich beschlossen, mit meinen Ausdrucksmitteln etwas dazu beizutragen, den Menschen in der Ukraine zu helfen", sagt er.

Herz, Jahrgang 1965, ist Grafiker, Bildhauer und Maler. Vor mehr als zehn Jahren leitete er seine eigene Grafikagentur mit 30 Angestellten. Aber der Stress und die Verantwortung, die man in so einer Position zu tragen hat, machten ihm zu schaffen. Auch körperlich. Deswegen zog er einen Schlussstrich. Er fand zurück zu seiner ursprünglichen Leidenschaft - der Bildhauerei. Und entdeckte die Kettensäge als sein ureigenes Werkzeug.

Auf einem Bürohaus steht seine bekannteste Figur, die Turmspringerin

Sein Atelier hat Herz am Ostbahnhof, direkt an den Bahngleisen. Fährt man die Friedensstraße entlang, sieht man auf einem zehn Meter hohen Bürogebäude, in dem er arbeitet, seine wohl bekannteste Skulptur. Eine Turmspringerin im roten Badeanzug. Kantig. Grob. Und voller Lebensfreude.

Das Markenzeichen von Jörg Herz sind expressiv gesägte Skulpturen. Sie zeigen den Menschen in all seinen Facetten. Mann und Frau gleichermaßen. Die Figuren wirken skurril, eigenwillig, ehrlich - und in der aktuellen Situation eben auch traurig. Sie tragen Titel wie "Japanische Haarstäbchen", "Warme Füße" oder eben "Demo4democracy".

"Mein Ausdrucksmittel ist die Kunst. Und das Arbeiten mit der Kettensäge hilft mir, nicht in eine Angst-Schock-Starre zu verfallen", sagt Jörg Herz. "Und ich kann mit dem Erlös etwas Gutes tun."

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