Süddeutsche Zeitung

Sozialleistungen in München:Zahl der Leistungsbezieher steigt

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Von Sven Loerzer

In München ist der Anteil der Menschen, die auf den Bezug von Hartz-IV-Leistungen oder Sozialhilfe angewiesen sind, weitaus geringer als in anderen deutschen Großstädten. Allen Bemühungen des Jobcenters um Langzeitarbeitslose zum Trotz: Es ist nicht gelungen, den Anteil der Hartz-IV-Bezieher an der Bevölkerung bis 65 Jahre abzubauen. Der Wert bewegt sich weiterhin bei 6,1 Prozent, wie der Vergleich unter den 16 großen Städten zeigt, den Sozialreferentin Brigitte Meier am kommenden Donnerstag dem Sozialausschuss für das Jahr 2013 vorlegen wird.

Die absolute Zahl der Leistungsbezieher ist um rund 1300 auf 73 000 gestiegen, "eine Entwicklung, die in erster Linie der sehr verhaltenen wirtschaftlichen Entwicklung geschuldet ist", wie die Sozialreferentin meint. Einige Städte hatten leichte Rückgänge bei der Quote, wie etwa Berlin von 20,2 auf 19,8 Prozent oder Hamburg von 12,5 auf 12,3 Prozent, andere verzeichneten Stagnation wie Frankfurt (12,1 Prozent) oder leichte Anstiege wie Stuttgart um 0,2 Prozentpunkte auf 8,2 Prozent.

Weniger Kinder von Hartz IV betroffen

Deutlich wird diesmal aber auch in der Auswertung, die das Hamburger Unternehmen "consens" alljährlich im Auftrag der beteiligten 16 Großstädte erstellt, dass ein großer Anteil der Langzeitarbeitslosen über einen sehr langen Zeitraum mit dem staatlich zugestandenen Existenzminimum auskommen muss. Im bundesweiten Vergleich liegt München mit einem Anteil von 40,3 Prozent zwar deutlich unter dem Durchschnitt aller Städte, der 48,3 Prozent beträgt. Mehr als 29 400 Menschen in München waren Ende 2013 bereits länger als vier Jahre im Hartz-IV-Bezug, ihre Zahl ist sogar noch geringfügig gestiegen.

Die Sozialreferentin sieht darin eines der "drängendsten Probleme", vor allem weil der Bund den Betrag für die Eingliederung von Arbeitslosen immer weiter gekürzt habe. Gerade die Langzeitbezieher aber müssten stärker in den Blick genommen werden, fordert auch SPD-Stadträtin Anne Hübner, Mitautorin des Münchner Armutsberichts, denn sie hätten keine Perspektive auf Veränderung. Je länger der Bezug der knapp bemessenen staatlichen Unterstützung dauere, desto stärker mache sich in den betroffenen Haushalten die finanzielle Auszehrung bemerkbar. Unter den schwierigen Bedingungen leiden Kinder ganz besonders.

In München sind Kinder und Jugendliche allerdings nicht so stark von Hartz IV betroffen, wie es in anderen Städten der Fall ist. Von Münchner Kindern im Alter bis sieben Jahre wachsen 11,7 Prozent in Hartz-IV-Haushalten auf, während in Berlin fast jedes dritte Kind (32,5 Prozent) betroffen ist. Ähnlich sehen die Werte für die Altersgruppe sieben bis 15 Jahre aus: München kommt da auf 11,7 Prozent, Berlin auf 33,0 Prozent.

Mehr als ein Viertel der Hartz-IV-Bezieher stocken auf

Deutlich mehr als ein Viertel der erwerbsfähigen Leistungsbezieher, 28,4 Prozent, sind erwerbstätig. Von diesen 14 600 Münchnern, die aufstockende Hartz-IV-Leistungen benötigen, hat gut ein Drittel ein Erwerbseinkommen von mehr als 800 Euro im Monat und arbeitet meist in Vollzeit. Wie schon in den Jahren zuvor bleibt München Spitzenreiter bei den durchschnittlichen Kosten für Unterkunft und Heizung. Pro Hartz-IV-Haushalt musste München 564 Euro monatlich ausgeben. Mit Abstand folgen Frankfurt (513 Euro) und Stuttgart (497 Euro).

Trotz der hohen Mieten in München ist insgesamt betrachtet der Bevölkerungsanteil, der auf Sozialhilfe oder Hartz- IV-Leistungen angewiesen ist, mit 6,1 Prozent am niedrigsten unter den deutschen Großstädten. Selbst Stuttgart kommt auf 7,9 Prozent, in Berlin liegt die Quote bei 18 Prozent. Insgesamt bezogen in München 2013 mehr als 92 000 Menschen staatliche Unterstützungsleistungen, das sind etwa 2,3 Prozent mehr als noch im Jahr zuvor.

Armut ist ein immer größer werdendes Problem

In der Gesamtbetrachtung und im Vergleich mit den anderen deutschen Großstädten biete München aber ein "sehr positives Bild", betont die Sozialreferentin. Das seit Jahren zu beobachtende gute Abschneiden dürfe jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, "dass Armut auch in München ein immer größer werdendes Problem darstellt". Denn der Vergleich bilde nur einen Teil der tatsächlich existierenden Armut ab.

Zu einem wichtigen Thema enthält die Datenanalyse gar keine Münchner Zahlen: zu den seit 2012 ausgewerteten Wohnungsnotfällen, also zu drohender oder bestehender Wohnungslosigkeit. "Es ist völlig unverständlich, dass wir keine Zahlen dazu liefern können", ärgert sich SPD-Stadträtin Anne Hübner, schließlich sei dies eines der "größten Probleme Münchens". Die Sozialreferentin entschuldigt den nun schon zweijährigen Datenausfall mit der EDV-Umstellung im Wohnungsamt.

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SZ vom 13.04.2015
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