Süddeutsche Zeitung

Handwerk:Kruste am Ohr

Lesezeit: 3 min

Sonja Laböck ist die einzige Brotsommelière Deutschlands

Von Andreas Schubert, München

Wenn Sonja Laböck irgendwo ein Brot isst, kann sie nicht umhin, es einer umfassenden Analyse zu unterziehen. Dazu gehören unter anderem das Abtasten und das daran Schnuppern. Sie schaut sich die Porung des Brotes an und sie bewertet die Farbe und Konsistenz der Kruste. Sie hält sich das Brot ans Ohr, drückt es leicht und hört dann, wie es leise knackt. Und natürlich analysiert sie die Aromen und schmeckt heraus, ob zum Beispiel Anis, Fenchel, Koriander oder Kümmel in dem Brot enthalten sind. Schaut man Sonja Laböck beim Begutachten eines Brotlaibs zu, merkt man ihr an, welche Leidenschaft sie für das Produkt hegt.

Laböck, 40, ist Bäckermeisterin und Konditorin und führt zusammen mit ihrem Mann Markus Schmidt, 42, die Brotmanufaktur Schmidt in Haidhausen. Und seit Kurzem ist sie auch die derzeit einzige Brotsommelière Deutschlands. Den eigenen Angaben nach bietet die Akademie Deutsches Bäckerhandwerk in Weinheim als einzige Institution die neuartige Ausbildung zum Brotsommelier an. Nach einem Jahr haben vergangenen November 13 Bäckermeister aus ganz Deutschland (einer kam aus Österreich) den Titel erworben. Sonja Laböck war die einzige Frau unter den Absolventen.

Wer jetzt fragt: Brotsommelier - was soll denn das?, für den hat Sonja Laböck natürlich Antworten parat. "Wir sind Botschafter für das Handwerk", sagt sie. Handwerk ist ein wichtiges Wort im Selbstverständnis von Laböck und vieler ihrer Kollegen. "Brote müssen von Hand gemacht werden", sagt sie. "Da ist einfach Gefühl dabei." Gerade in Zeiten, in denen sich immer mehr Backshops ausbreiten, die dann aus Fertigteiglingen Aufgebackenes zum Dumpingpreis verscherbeln, ist es wichtig, dass es noch Betriebe gibt, die das Bäckerhandwerk auf traditionelle Weise betreiben. Das steht für Qualität, und die Brotsommeliers sollen ihr Wissen auch in die Welt tragen - etwa mit Schulungen, Vorträgen oder Volkshochschulkursen. "Wir wollen den Stellenwert des Brotes wieder erhöhen", sagt Sonja Laböck. Beim Treffen im Stammhaus der Brotmanufaktur spricht die Brotsommelière mit leiser Stimme, während sie die Eigenschaften verschiedener Brotsorten erklärt und wann ein Brot ein gutes ist. Sie erzählt, wie lange ein guter Teig gehen muss, wie er geknetet gehört, wie wichtig die richtige Temperatur ist. An einem Baguette kann sie zeigen, wie der Bäcker es in der Hand hatte und natürlich könnte sie stundenlang über Inhaltsstoffe und deren positive Wirkung auf den Körper erzählen. Denn Sonja Laböck ist auch noch Ernährungsberaterin für das Bäckerhandwerk und weiß als solche, was gut tut. So hat sie etwa ein Brot mit dem sinnigen Namen "Sexy Alive" kreiert, das sich positiv auf den Serotoninhaushalt im Blut auswirken soll. Der Botenstoff hat unter anderem Einfluss auf das psychische Wohlbefinden. Zu den Zutaten gehören etwa Walnüsse, Pekannüsse und Chia-Samen.

Ernährungsfragen spielen bei der Sommelierausbildung eine bedeutende Rolle. Überhaupt sei der Lehrgang ziemlich anspruchsvoll gewesen, sagt Laböck, die Prüfung schwierig. Die angehenden Brotsommeliers mussten sich mit der Geschichte und Brotkultur befassen, mit den wichtigsten Brotsorten in Deutschland und im Ausland, sie mussten ihre sensorischen Fähigkeiten trainieren und natürlich lernen, welche Brotsorten zu welchen anderen Lebensmitteln am besten passen. "Ich habe wahnsinnig viel lesen müssen", sagt die Bäckermeisterin. Wochenlang sei sie dazu in der Staatsbibliothek gesessen, alles neben dem normalen Beruf in der Bäckerei, die ihre Backstube noch dieses Jahr von der Steinstraße in Haidhausen nach Berg am Laim verlegt - die alten Räume sind inzwischen zu klein geworden.

Sonja Laböck erzählt, dass sie sich schon von klein an in der Backstube der Eltern wohlgefühlt hat, daheim in Oberteisendorf im Berchtesgadener Land. Für sie war es immer klar, dass sie auch den Beruf der Eltern erlernen wird. Nach der Ausbildung hat sie unter anderem eine Zeitlang in Frankreich gearbeitet, "von da habe ich mein Wissen über Croissants mitgebracht", sagt Laböck. Süßes Gebäck schätzt sie genauso wie das pikante. Da passt es ganz gut, dass Sonja Laböck ihren Mann auf einem Konditorenball kennengelernt hat.

Inzwischen seien sich auch der 15 Jahre alte Sohn und die 13 Jahre alte Tochter sicher, dass sie Bäcker werden wollen. Anders als viele andere Familienbetriebe muss sich das Ehepaar also keine Gedanken über die Nachfolge machen. "Wir haben ihnen da freie Wahl gelassen", sagt Laböck.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2893096
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 05.03.2016
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.