Süddeutsche Zeitung

Kritik:Klang einer Riesengeige

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Pierre Colombet, Raphaël Merlin und Hyung-ki Joo beglücken mit einem Kammerkonzert in Grünwald.

Von Klaus Kalchschmid, Grünwald

Am Ende war der Applaus so gewaltig, dass man den August-Everding-Kammermusik-Saal in Grünwald voll besetzt wähnte, obwohl nur 25 Prozent Auslastung erlaubt war. Denn Geiger Pierre Colombet, Cellist Raphaël Merlin, beide vom Quatuor Ébène, und Hyung-ki Joo am Flügel hatten in einer beglückenden Intensität, Leidenschaft und Unerbittlichkeit, aber auch immer wieder mit traumverlorener Sanftheit und Schönheit pausenlose 75 Minuten musiziert.

Anders als im Programm ausgedruckt, begann das Trio mit Brahms, dem ersten Klaviertrio op. 8 in H-Dur des 21-Jährigen in der überarbeiteten Version von 1889. Der selbstvergessene Einsatz des Cellos täuschte, denn schon bald reizten die drei Männer den Pegel des Ausdrucks in allen Sätzen nach beiden Seiten voll aus. Wann immer Geige und Cello geradezu symbiotisch miteinander kommunizierten, erinnerte man sich an das Doppelkonzert für Geige und Cello und das Wort von Brahms, es sei für eine "achtsaitige Riesengeige" komponiert.

Das soll nicht heißen, dass Pianist Hyung-ki Joo lediglich Stichwortgeber und "Begleiter" war, ganz im Gegenteil! Nicht zuletzt bei Maurice Ravels einzigem Klaviertrio in a-Moll von 1914 war der Koreaner oftmals Primus inter Pares. Alle drei kosteten auch hier den Kontrast zwischen mediterraner Helle des Finales, der Strenge der "Passacaille" und den düsteren Seiten, die an eine Mischung aus "Bolero" und den Abgründen von "La Valse" erinnerten, bis zur Neige aus, bevor es in der Zugabe ganz beschaulich wurde.

Joo hatte vor ein paar Jahren in "Lullaby for Leo" mit seinen Jazz-Allusionen alles andere als ein Schlaflied für seinen Sohn komponiert. Jetzt wurde es, weil auch Pierre und Raphaël gleichaltrige Söhne mit ähnlichen Namen haben, umgewidmet in "For Leo, Léonard and Theo"!

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