Süddeutsche Zeitung

Gleichstellung:Deshalb müssen Frauen beim Friseur meist mehr zahlen

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Fast 90 Prozent der Salons verlangen nach Geschlechtern differenzierte Preise. Das beschäftigt sogar die deutsche Antidiskriminierungsstelle.

Von Pia Ratzesberger

Es ist eines von diesen ungeschriebenen Gesetzen. Eine Frau und ein Mann sitzen beim Friseur, beide tragen die Haare bis zum Kinn, beide wollen einen neuen Schnitt - und am Ende wird die Frau mehr zahlen als der Mann. Die Kunden haben sich an die Preise gewöhnt, schon lange werden die Tafeln mit "Damenschnitt" und "Herrenschnitt" nicht mehr infrage gestellt. Nur wie begründen Friseure den Unterschied, wenn man sie danach fragt?

Ein Anruf bei einem Friseursalon im Münchner Stadtteil Neuhausen. Bei Männern brauche man nicht so lange wie bei Frauen, sagt die Friseurin, und der Kunde bezahle nun einmal für die Zeit. Aber Männer mit langen Haaren, warum zahlten die weniger als Frauen? "Wir sind hier in München, den Fall hatte ich noch nicht so oft." In der Theorie, schiebt die Friseurin nach, müssten Männer mit Mähne schon genauso viel zahlen wie Frauen. In einem anderen Salon in Sendling heißt es, der Haarschnitt bei Frauen sei generell aufwendiger, da könne das Haar noch so kurz sein - wegen eines Ponys zum Beispiel, Frauen seien zudem "anspruchsvoller".

Fragt man nach, wie viel Zeit der Salon für eine Frau im Terminkalender veranschlagt, lautet die Antwort: 45 Minuten bis eine Stunde. Fragt man nach der eingeplanten Zeit für einen Mann, heißt es: 35 Minuten bis 45 Minuten. Was dann der Unterschied zwischen den 45 Minuten für die Frau und den 45 Minuten für den Mann sei? Das Föhnen zum Beispiel sei aufwendiger, sagt die Friseurin, weil man bei Frauen mit der Rundbürste arbeiten müsse. Ein anderer Friseur sagt, selbst die Spitzen zu schneiden sei bei langem Haar aufwendiger, weil man die einzelnen Strähnen abteilen müsse - "wahrscheinlich ist das diskriminierend, gell?"

Wenn Frauen und Männer für die gleiche Leistung unterschiedliche Preise zahlen, dann ist es das. Bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) hält man von der Argumentation mit dem höheren Aufwand entsprechend wenig, das sei eine pauschale Unterstellung. Im vergangenen Jahr hatte die ADS eine Studie herausgebracht, der zufolge Frauen für den gleichen Kurzhaarschnitt im Schnitt 12,50 Euro mehr zahlen.

Fast 90 Prozent der Friseurinnen und Friseure verlangten solche nach Geschlechtern differenzierten Preise. "Wir glauben aber nicht, dass deutsche Frauen andere Haare haben als österreichische", sagt Sebastian Bickerich, Sprecher der Antidiskriminierungsstelle. In Österreich nämlich gibt die Wiener Friseurinnung eine Preisliste heraus, auf der kein Unterschied mehr zwischen Frauen und Männern gemacht wird. Die Betriebe sind nicht verpflichtet, diese Liste zu übernehmen, werden aber dazu angehalten, und solch eine freiwillige Selbstverpflichtung würde Bickerich sich auch für die deutschen Friseurgeschäfte wünschen.

Mit den Innungen sei man derzeit im Gespräch. Bei der bayerischen sowie der Münchner Friseurinnung war auf Nachfrage niemand zu erreichen. Einige wenige Friseure in der Stadt haben die Preislisten auch ohne Druck von oben umgestellt, bei einem Salon mit niedrigen Preisen zumindest heißt es, der Kunde bekomme immer nur eine halbe Stunde. Und für die zahlten alle gleich.

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Quelle:
SZ vom 23.08.2018
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