Süddeutsche Zeitung

Romantische Restaurants:Perfekt aufgegabelt

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Einst zeigten junge Männer der Angebeteten ihre Zuneigung durch eine Spinn-Gabel. Heute spielt das Besteck eher im Dating-Lokal eine Rolle - auch wenn Bayern nicht ganz vorne liegt im Ranking.

Glosse von Thomas Schmidt

Die Liebe ist ein seltsames Spiel, sie kommt und geht von einem zum andern - und wenn sie kommt, dann sollte man das passende Besteck griffbereit haben. Gemeint ist nicht der Löffel. Und erst recht nicht das Messer, je näher man sich kommt, desto weniger Stichwerkzeuge sollten im Spiel sein. Nein, die Rede ist von: der Gabel.

Warum die Gabel? Es gibt da eine Theorie, eine Legende: Vor langer, langer Zeit soll es einen Brauch gegeben haben, bei dem junge Männer ihrer Angebeteten eine Spinn-Gabel zum Aufstecken der Wolle schnitzten, als sichtbares Zeichen ihrer wollweichen Zuneigung sozusagen. Benutzte die Umworbene fortan das spitze Geschenk, dann wusste der Verehrer Bescheid: Er hatte die Dame seiner Sehnsüchte "aufgegabelt".

Ob die Geschichte so stimmt - wer weiß das schon? Längst wurde das Spinnrad als Ort des Werbens abgelöst und durch das Restaurant ersetzt. Die Gabel ist geblieben, als Liebes-Konstante über die Jahrhunderte hinweg. Aufgegabelt wird immer, im Restaurant gleich im doppelten Sinne. Doch ob das eine gute Entwicklung ist?

"Für 20 Prozent der Partnersuchenden ist die Wahl des perfekten Orts für das Date der größte Stressfaktor", stand dieser Tage in der Pressemitteilung eines Internet-Anbieters zu lesen, der "die besten Dating-Restaurants in Bayern" gefunden haben will. Nach welchen Kriterien die wohl ausgesucht worden sind? Vielleicht spielte die Attraktivität der Kellner eine Rolle: Je unansehnlicher die Servicekraft, desto hübscher schaut man selbst aus. Oder war es eher eine Frage der Beleuchtung? Was bringt einem das frisch gebügelte Designer-Hemd, wenn man im Kerzenschein nicht mal den Markennamen erkennen kann - so was kann speziell der Münchner gar nicht leiden.

Auf der Liste der 50 heißesten Speiselokale der Republik liegt Bayern mit zwölf Restaurants übrigens nur auf Platz zwei, obwohl doch München die Stadt der Amore ist. Am romantischsten soll es angeblich in Nordrhein-Westfalen zugehen - was sofort Verdacht weckt bezüglich der Methodik der Listenmacher. Das Zuzeln einer Münchner Weißwurst ist ein zärtlicher, geradezu sinnlicher Akt, wobei das Aufspießen einer nordrhein-westfälischen Currywurst einer stumpfsinnigen Gewalttat gleichkommt. Mit Liebe freilich hat beides nichts zu tun - es fehlt die ordentliche Gabel.

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