Süddeutsche Zeitung

Folgen des G-7-Gipfels:Ein München, wie man es sonst nicht kennt

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Gesperrte Tunnel, Blaulicht-Eskorten, knatternde Hubschrauber: Die Auswirkungen des G-7-Treffens sind in der Stadt gerade an vielen Orten zu erleben. In einer Straße sind sie allerdings besonders segensreich.

Glosse von René Hofmann

Die neuen Nachbarn sind Ende vergangener Woche angekommen und, zugegeben, anfangs wurden sie skeptisch beäugt. So viele. Und alle uniformiert, ganz in Schwarz. Die Blicke ernst, der Ausdruck entschlossen. So etwas schüchtert ein. Und dann noch diese Autoparade! Wagen an Wagen, alle gleich, an den Nummernschildern die Ortskennung NRW, gefolgt von aufsteigenden Ziffernfolgen. Alles zusammen so ziemlich genau das Gegenteil von dem bunten, gelassenen und bei allem Trend zur Gentrifizierung doch immer noch leicht ungeordneten Stil, der im Franzosenviertel gern gesehen und engagiert gepflegt wird.

Gesperrte Tunnel, Blaulicht-Eskorten, knatternde Hubschrauber: Die Ausläufer des G-7-Gipfels im nicht allzu fernen Elmau sind in München gerade vielerorts zu spüren. Aber dass die gesamten Parkplätze einer ganzen Straße für Mannschaftswagen gesperrt sind, links wie rechts, rund um die Uhr, das gibt es dann doch nicht so oft. In Haidhausen aber gibt es das. Die Spicherenstraße ist nicht besonders lang. Sie ist nicht besonders prominent. Aber seit ein paar Tagen ist sie fest in Polizeihand. Ganz fest.

Angekündigt hatten den Ausnahmezustand Halteverbotsschilder. Vom 23. bis 30. Juni wird's ernst, hatten die versprochen. Aber wie ernst das gemeint war, zeigte sich erst, als die Beamten aus Nordrhein-Westfalen anrückten in ihren Mannschaftswagen und diese eng an eng parkten. Bis zu den Kronen der Bäume ragte da plötzlich eine blau-weiße Mauer auf. Die ersten Reaktionen fielen gemischt aus. "Na, da könnt ihr jetzt beruhigt schlafen", richteten Beobachter manchem Anwohner aus. Von denen aber wertete mancher die Szenerie als brandgefährlich: Waren doch in der Hochstraße acht ähnliche Polizeimobile in Brand gesetzt worden, mutmaßlich von Gipfel-Gegnern.

Inzwischen hat sich das Miteinander eingependelt. Wobei dem Samstag eine Schlüsselrolle zufiel. Da waren Hofflohmärkte im Viertel und in die Drängelphase traten die just zu der Zeit, als das NRW-Geschwader zu seinem Einsatz aufbrach. Die entschlossenen Frauen und Männern mussten sich ihren Weg in voller Montur durch das heitere Geflirre bahnen. Ein spannender Gegensatz war das. Einer, der die Welten einander näher brachte.

Was aber wirklich half bei der Aussöhnung: Dass die Gäste so oft weg sind. Vormittags schwirren sie aus in ihren vielen Wagen und zurück kommen sie oft erst, wenn die Sonne schon versunken ist. Und in den vielen Stunden dazwischen ist die ganze Straße das, was sie sonst nie ist: von parkenden Autos befreit, links wie rechts, von vorne bis hinten. Es ist einfach herrlich.

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