Süddeutsche Zeitung

Welttag des Buches:Neue Wege für alte Seiten

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In manchen Gemeinden des Landkreises gibt es sie bereits, Germering will nun mitmischen - die Idee eines öffentlichen Bücherschranks findet immer mehr Anklang.

Von Ekaterina Kel, Fürstenfeldbruck/Germering

Es gibt Autorennamen, die häufen sich an bestimmten Orten. In den Bücherregalen von Anhängern der deutschsprachigen Literatur steht unbedingt ein Goethe, sicherlich der ein oder andere Mann. Bei Menschen, die sich keinen neuen Trend der Popkultur entgehen lassen, findet sich bestimmt der Name George R. R. Martin, der auf ewig mit der beliebten Serie "Game of Thrones" verbunden sein wird. Aber das sind alles private, dem Auge der Öffentlichkeit verborgene Bücherorte. Was ist mit den Regalen voller Bücher, die für jedermann jederzeit zugänglich sind, auf offener Straße?

Seit einiger Zeit findet ein internationaler Trend auch im Landkreis Fürstenfeldbruck immer mehr Anklang - der öffentliche Bücherschrank. Darin ist besonders ein Name ein verlässlicher Gast: Utta Danella. Die Frau, die mit ihren Unterhaltungsschmökern Abertausende Leser erreichte und deren Bücher zu den meistgekauften deutschsprachigen Romanen des 20. Jahrhunderts wurden. Nur, dass sie offenbar von besonders vielen Menschen gerne abgetreten werden. Auch in Fürstenfeldbruck an der Pucher Straße bei Florian Döring und Carolin Vogt in ihrem privaten Bücherschrank lässt sich Danella finden.

Das Weitergeben ist die Idee des Bücherschranks. Ob er nun in Form einer alten Telefonzelle, wie in Eichenau, als einzeln im Stadtraum verteilte kleine Bücherkästen, wie in Puchheim, oder in alten Bienenkästen, wie in Fürstenfeldbruck, daherkommt - der Grundgedanke ist immer derselbe. Man stellt die Bücher, die man gelesen hat und gerne mit anderen teilen möchte, in einen solchen Schrank hinein. Dafür kann man sich auch immer andere Bücher, die wiederum andere Menschen dort hingebracht haben, mitnehmen. Durch dieses einfache solidarische Prinzip entsteht eine Zirkulation von zahlreichen Büchern. Lesestoff steht unabhängig von irgendwelchen Öffnungszeiten bereit - und zwar für jeden, der Lust hat, ein Buch in die Hand zu nehmen. Die Nutzung eines Bücherschranks ist kostenlos.

Germering zieht nun nach. Agnes Dürr vom Ortsverband der Grünen hat sich in einem Antrag an den Stadtrat gewandt mit der Bitte, eine Bücherbox in der Stadt aufzustellen. Die einmaligen Kosten würden 1500 Euro betragen, eine Summe, die sich an den Ausgaben der Gemeinde Wörthsee im Landkreis Starnberg orientiert, die drei solcher Kästen aufgestellt hat und überaus erfolgreich verwaltet. Die Betreuung der gewünschten Bücherbox, so Dürr, würde der Grünen-Ortsverband übernehmen. Man müsse ein- bis zweimal in der Woche nachschauen, wie der Zustand der gebrauchten Bücher im Schrank ist, und notfalls auch mal ein altes, zerfleddertes Buch entsorgen, falls es dort wochenlang herumliegt, sagt Dürr. Und damit versucht sie, einen Schwachpunkt der ansonsten so attraktiven Idee zu umgehen.

Denn dass Literatur durch die öffentlichen Bücherschränke unbekannte Wege nimmt und jedes geteilte Buch eine größere Reichweite als sonst hat, ist sicherlich richtig. Aber das ist auch nur ein Teil der Wahrheit. Dass die Bücherschränke nicht vermüllen und als Abstellgleise für unbeliebte Literatursonderlinge dienen, dafür muss man aktiv sorgen. So wie die Brucker Bücherschrank-Paten Döring und Vogt es täglich tun.

In Eichenau ist die ehemalige gelbe Telefonzelle der Post, die auf dem Bahnhofsplatz steht und als sogenannte Buchhaltestelle dient - und auf die die Gemeinde laut Bürgermeister Peter Münster drei Jahre gewartet hat - dem Vandalismus zum Opfer gefallen. In einer Nacht im vergangenen November haben Unbekannte mehrere Bücher in der Zelle angezündet. "Das Risiko hat man immer", entgegnet Dürr. Man dürfe sich davon nicht entmutigen lassen, so die Grünen-Stadträtin. Weil die Bücherbox "für einen Austausch von Ideen" sorge, würde sich eine Anschaffung auf jeden Fall lohnen. "Die Bücher gehen neue Wege", sagt Dürr. So hofft sie, dass sie sich in Zukunft in einer Bücherbox in Germering einfinden werden.

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Quelle:
SZ vom 23.04.2018
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