Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie Im Märzen der Bauer, Folge 6:Die nächste Runde

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Getreide und Futtererbsen sind geerntet. Nun bereitet Georg Huber den Boden für die Aussaaten im Herbst und im Frühling vor

Von Ingrid Hügenell

Es ist heiß in der Kabine des Mähdreschers, heißer als draußen, wo es an diesem zweiten Freitag im August um die 33 Grad hat. Die Klimaanlage der fast 20 Jahre alten Maschine ist ausgefallen. Georg Huber, der Puchheimer Landwirt, dem die Süddeutsche Zeitung ein Jahr lang bei seiner Arbeit über die Schulter schaut, ist schon seit zwei Stunden auf dem Acker. Die Futtererbsen müssen gedroschen werden, und das heiße, trockene Wetter ist genau richtig dafür. Sind die Pflanzen zu feucht, kann der Mähdrescher sie nicht richtig aufnehmen und verarbeiten. Länger auf dem Feld stehen bleiben könnten sie nicht, denn die Schoten beginnen schon aufzuplatzen. Fallen die Erbsen auf den Boden, sind sie verloren. "Der Tag heute ist Gold wert", sagt der 45-jährige Ackerbauer über den heißen, trockenen Freitag.

Vier Stunden lang fährt er in Schrittgeschwindigkeit mit dem Mähdrescher hin und her über das Erbsenfeld. Wo vor vielleicht 60 Jahren der Boden aufgegraben wurde, um eine Wasserleitung zu verlegen, wächst, deutlich zu sehen, unter den Erbsen ein Streifen Ackerschachtelhalm. Wenn der Boden gestört werde, dauere es Generationen, bis man nichts mehr davon bemerke, erklärt Huber. Die Arbeit erfordert hohe Konzentration, der Fahrer muss aufpassen, dass sich das Mähwerk nicht festfährt oder durch ein Gewirr aus Erbsenpflanzen und Unkraut blockiert wird. Huber kommt seine große Erfahrung zugute, als junger Mann hat er einige Jahre für ein Lohnunternehmen bei Bauern gedroschen, die sich selbst keinen Mähdrescher leisten konnten.

Um kurz nach 16 Uhr ist der Landwirt auf dem ersten, vier Hektar großen Schlag direkt oberhalb seines Hofs fertig, dann geht es zu einem zweiten, der 2,4 Hektar groß ist und vom Hagel schlimmer getroffen wurde. Ein halbwegs normaler Feierabend kündigt sich an. "Heut' Abend freu ich mich, weil's besser ist, als ich geglaubt habe, und weil das Dreschen gut geklappt hat", sagt Huber zufrieden. 20,1 Tonnen Erbsen landen im Lager, etwa 60 Prozent der Ernte hat der Hagel zerstört. Die Erbsen verkauft Huber über die Naturland-Marktgesellschaft, sie kommen als Eiweißkomponente in Mischfutter für Schweine, Rinder oder Geflügel. Alleine könnte man sie nicht verfüttern, sie schmecken ziemlich bitter, das mögen die Tiere nicht. Mit den süßen grünen Erbsen, die wir Menschen tiefgekühlt oder aus der Dose kennen, haben die gelben Futtererbsen wenig gemein, außer der Form.

Auf dem Feld sind sie wichtig in der Fruchtfolge. Voriges Jahr wuchs dort Mais. Damit sie das Maisstroh abbauen können, brauchen die Lebewesen im Boden Stickstoff. Den holt die Erbse als Leguminose aus der Luft. Gleichzeitig bereitet sie so das Feld vor für das Wintergetreide, das Huber im Herbst säen will. Es steht über den Winter auf dem Feld und wird im kommenden Sommer geerntet. Bekommt er flüssiges Gärsubstrat, wird er Weizen säen, bekommt er weniger nährstoffreichen Dünger, wird es Triticale sein. Die Züchtung aus Weizen und Roggen hat einen geringeren Nährstoffbedarf als Weizen. Huber freut sich auf die Zeit, wenn er die Umstellungsphase auf ökologischen Anbau hinter sich hat. Dann kann er wieder Dinkel, Roggen oder Braugerste für den menschlichen Verzehr anbauen. "Das Triticale ist nur eine Umstellungsfrucht", sagt er, Tierfutter, und schlechter bezahlt. Dabei könnte es auch ein Nahrungsmittel für Menschen sein, wird dafür aber momentan in Deutschland noch nicht genutzt.

Die Vorhersage der Hagelschätzer hat sich bewahrheitet: 90 Prozent der Getreideernte hat das Unwetter am Pfingstmontag vernichtet, fünf Doppelzentner pro Hektar statt 50 konnte Huber ernten. Dazu gab es einen Nachschuss, es standen gleichzeitig grüne, unreife und gelbe, reife Halme auf dem Feld. "Zwiezeitig" nennen die Bauern solches Getreide auch. Das sei schwierig zu dreschen gewesen, sagt Huber, und er musste die Ernte in die Trocknungsanlage fahren und trocknen lassen. Denn wegen der grünen, unreifen Körner war sie viel zu feucht. Ohne Trocknung hätten die Körner angefangen zu schimmeln. Passiert das, kann man alles nur noch wegwerfen. Eine eigene Reinigungsanlage hat Huber noch nicht. Die Pläne dafür seien fertig, sagt er, aber der Bau sei heuer wegen der Ernteausfälle finanziell nicht drin. "Ich muss schauen, dass ich so über die Runden komm'."

"Die Erträge waren unter aller Sau", fasst Huber das Triticale-Ergebnis zusammen. "Aber wie sollen die auch gut sein." Zusätzlich sind Huber zufolge auch die Preise für Bio-Getreide im Keller. "Es ist zu viel auf dem Markt", erklärt er. Ein Kollege aus Kaufering habe für seinen Bio-Roggen nur 20 Euro pro Doppelzentner erlösen können. "Das ist das konventionelle Niveau", erklärt Huber. Die konventionellen Preise liegen aber noch darunter, wie Huber selbst erfahren hat. Den Weizen seiner letzten konventionellen Ernte hat Huber voriges Jahr eingelagert, in der Hoffnung auf einen höheren Preis. Das hat sich nicht erfüllt. Statt dem Preis der Erntezeit 2018, 19,50 Euro pro Doppelzentner, bekam er heuer im Juni nur 16,50 Euro. Und das, obwohl im vorigen Jahr die Weizenernte auf der Nordhalbkugel und vor allem in Deutschland schlecht war. Der Preis wird für konventionelle Ware weltweit an der Börse festgelegt (siehe Bericht Lebensmittel an der Börse).

Beim Biogetreide kommt dazu, dass derzeit viele Betriebe umstellen, der Markt aber laut Huber nicht entsprechend mitwächst. "Die Umstellung erfolgt schneller, als der Markt die Produkte aufnehmen kann." Die Politik müsse die Umstellung auf ökologische Landwirtschaft fördern. "Der Verbraucher hat es nicht alleine in der Hand."

Der Abschluss der Ernte markiert auch einen Neuanfang. Nun werden die Karten neu gemischt und die Felder für die nächste Aussaat vorbereitet. Auf die Stoppelfelder fährt Huber, was bei der Kompostieranlage übrig bleibt, wenn der gute Kompost für die Gärtner abgesiebt wurde. Er bekommt es kostenlos gegen Abholung. Ein grobes, braunes Substrat ist das, 600 Kubikmeter liegen als dampfender Haufen neben dem Erbsenfeld. Es ist reich an Kali und Phosphat, enthält aber praktisch keinen Stickstoff. Auf den Pachtflächen, wo heuer Triticale stand, sollen nächstes Jahr Sojabohnen wachsen, die selbst Stickstoff aus der Luft binden. Huber bringt mit einem Streuer die Kompostreste auf. Hinterher fährt Matthias Darchinger, Hubers 450-Euro-Kraft, mit dem Grubber und arbeitet Kompost, Stoppeln und Unkraut ein, das schon wieder gekeimt hat. Manche Felder tragen einen grünen Flaum. Dort haben die Körner gekeimt, die beim Dreschen zu Boden fallen. Mit Scharen und Hohlscheiben werden Pflanzenteile möglichst klein zerschnitten und vergraben, ein Nachläufer verfestigt und krümelt den Boden. Grubbern ist Düngung und Unkrautbekämpfung in einem. Den Kompoststreuer hat Huber ausgeliehen, 22 Touren fährt er an einem Tag von seinem Hof durch halb Puchheim bis zu Feldern. Wahnsinnig anstrengend sei das, sagt er. Denn er müsse vorsichtig sein und auf Autos, Fußgänger, Radler und Hunde aufpassen.

Auf dem Weg zu den Feldern beim Mondscheinweiher kommt Huber an einem Blühstreifen vorbei, der zwischen neun und 16 Meter breit ist. Er hat ihn mit der Stadt Puchheim angelegt, je zur Hälfte auf eigenem und städtischem Grund. Monika Dufner vom Umweltamt der Stadt hat das Saatgut besorgt, Huber die Arbeiten übernommen. Für die Pflege wird er vom kommenden Jahr an bezahlt. Er freut sich über die Blütenpracht. Wenigstens dort hat der Hagel keinen Schaden angerichtet.

Die komplette Serie ist zu finden unter www.sz.de/landwirtschaft.

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Quelle:
SZ vom 17.08.2019
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