Süddeutsche Zeitung

Olching:Selbst Aufstehen fällt schwer

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Christine Mühlmann wünscht sich mechanische Hilfe

Von Amelie Sittenauer, Olching

Gesundheitlich ist Christine Mühlmann "ganz am Boden". Selbst die Corona-Pandemie wird für die 76-Jährige da zu einer Nebensächlichkeit. Denn rausgehen kann sie schon seit vielen Jahren nicht mehr, und auch das Umherlaufen in der kleinen Wohnung fällt ihr immer schwerer. Aufgrund ihrer Diabetes-Erkrankung, den Wassereinlagerungen in ihren Beinen und einer Sehbehinderung muss Mühlmann ihre Tage sitzend oder liegend verbringen. Das Aufstehen meistert sie, mehr schlecht als recht, mithilfe ihres Rollators, an dem sie sich unter großer Kraftanstrengung in die Höhe ziehen kann. Der Adventskalender für Gute Werke der Süddeutschen Zeitung möchte Christine Mühlmann deshalb bei der Anschaffung eines elektrischen Sessels mit Aufstehhilfe unterstützen.

Mit ihrem Rollator kommt Mühlmann gerade so durch die schmalen Türen ihrer Wohnung. "So ein Glück", sagt sie. "Was hätte ich denn ansonsten gemacht?". Wenn sie mit der Unterstützung der Leserinnen und Leser der Süddeutschen Zeitung aber wirklich einen elektrischen Sessel bekommen könnte, wäre das "wirklich sehr nett", sagt sie gerührt.

Seit 45 Jahren lebt Mühlmann im Landkreis Fürstenfeldbruck, erst in Maisach, dann in Esting und schließlich in Olching. Zusammen mit ihrem mittlerweile verstorbenen Ehemann und ihren beiden Söhnen kam sie 1975 aus Zwickau nach Bayern. Dem Neuanfang in Westdeutschland ging damals eine abenteuerliche Flucht voraus, bei der die Familie an der Grenze gefasst wurde. Mühlmann und ihr Mann mussten ins Gefängnis, während die Jungen in einem Heim für schwererziehbare Kinder untergebracht wurden. "Als uns die Kinder weggenommen wurden, das war ein traumatisches Erlebnis", erinnert sich Mühlmann, "meine Söhne und ich leiden da heute noch darunter". Erst durch den sogenannten Häftlingsfreikauf, zwischen der BRD und DDR, konnte die Familie ausreisen.

Nach der Flucht arbeitete die gelernte Weberin viele Jahre in Olching als Hausmeisterin. Trotz jahrzehntelanger Arbeit ist ihre finanzielle Lage heute prekär. Die kleine Rente reicht gerade so zum Leben. Beide Söhne seien noch in ihrer Nähe und würden ihr mit Einkäufen und Erledigungen helfen. Auch der Sozialdienst Olching schaut jeden Tag mehrmals nach ihr und bringt ihr Essen auf Rädern. Durch den Tag helfe ihr vor allem ihre Musik. Mühlmann hat eine große CD-Sammlung. Jeden Tag höre sie sich eine an. "Mein Schatz ist der Elvis", erzählt sie strahlend. Seit ein Pfleger vom Sozialdienst den Elvis-Kalender an der Wand gesehen hat, haben die beiden sogar einen kleinen Elvis-Fanclub. Jeden Mittag spielt er ihr jetzt Rock'n'Roll auf seinem Handy vor.

Für die Zukunft wünscht sich Mühlmann vor allem, dass sie, ihre Familie und Freunde noch lange gesund und voll Lebensfreude bleiben. "Ich habe sogar angefangen zu beten, für meine Söhne, meine Enkelkinder und die Leute vom Sozialdienst auch. Die muss man ehrlich bewundern," sagt die 76-Jährige. "Die müssten wirklich mehr Geld kriegen. Alle, die für uns in dieser schwierigen Zeit da sind."

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Quelle:
SZ vom 05.12.2020
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