Süddeutsche Zeitung

Energie:Strom und Wärme aus Abfall

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Biomüll könnte helfen, die Energiewende voranzubringen. Natur- und Klimaschützer bekräftigen ihre Forderung nach der Einführung einer braunen Tonne und dem Bau einer Vergärungsanlage

Von Ingrid Hügenell, Fürstenfeldbruck

Mit der Energie, die in organischen Abfällen steckt, könnte man viele Häuser heizen, auch im Landkreis. Darauf hat der Verein "Das bessere Müllkonzept" am Sonntag bei seiner Landesdelegierten-Versammlung in Gernlinden hingewiesen. Wird der Biomüll einsammelt und vergärt, entsteht dabei Methan, das chemisch identisch mit Erdgas ist. Das Gas kann man speichern und bei Bedarf verbrennen, um damit Turbinen anzutreiben, die Strom erzeugen. Mit dem Strom könnte man Wärmepumpen betreiben. Zusammen mit der Wärme, die bei der Verbrennung entsteht, könnte man so Häuser heizen und Wasser wärmen, erklärte Josef Metzger vom Besseren Müllkonzept. Außerdem entsteht dabei hochwertiger, phosphorreicher Dünger, etwa für die Landwirtschaft. Vor allem, so betont Metzger, brauche man dafür keinen Anbau von Energiepflanzen wie Mais. Man könnte den Boden wieder für die Lebensmittelversorgung nutzen.

Um eine solche Biogas-Anlage im Landkreis rentabel betreiben zu können, müsste man zunächst mehr Bio-Abfälle einsammeln. Derzeit werden dem Energiewende-Netzwerk Ziel 21 zufolge im Landkreis Fürstenfeldbruck nur 23 Kilogramm Bioabfälle pro Einwohner im Jahr eingesammelt, was deutlich unter dem bundesweiten Durchschnitt von 59 Kilogramm liegt. Ziel 21 fordert daher ebenso wie das Bessere Müllkonzept, der Bund Naturschutz und die Kreisräte von UBV und Freien Wählern die Einführung einer Biomülltonne. So könnte die Menge der eingesammelten Bio-Abfälle um das Drei- bis Vierfache gesteigert werden, hat Ziel 21 berechnet.

Derzeit werden organische Abfälle im Landkreis in braunen Papiersäcken eingesammelt und zur Firma Högl in Volkenschwand bei Landshut gebracht. Dort werden sie vergoren, so wie es auch in einer Anlage im Landkreis geschehen könnte. Viele Bioabfälle landen derzeit noch im Restmüll und werden in der Müllverbrennungsanlage verbrannt. Der Abfallwirtschaftsverband will künftig mehr organische Abfälle aus dem Restmüll abschöpfen. Deshalb bekommen von 2020 an alle Haushalte Bioabfallsäcke. Bisher mussten Haushalte, die organische Abfälle kompostieren, die Säcke nicht kaufen. Wer bisher schon an der Bioabfallsammlung teilnahm, zahlt vom kommenden Jahr keine zusätzliche Gebühr mehr. So soll der Anreiz steigen, Bioabfälle getrennt zu sammeln.

Dass der Landkreis nicht längst eine Biotonne und eine eigene Biogas-Anlage hat, kritisiert Josef Seemüller scharf: "Was hier läuft, ist ein Boykott gegen die Energiewende, den Klimaschutz und die Fürstenfeldbrucker Energieresolution." Der Egenhofener gehört dem Arbeitskreis Abfall und Ressourcen des Bundes Naturschutz an. Er fordert seit Jahrzehnten, dass Bio-Abfälle eingesammelt und verwertet werden. Denn sie seien der "Wertstoff Nummer 1".

Er hat am Beispiel des Landkreises Coesfeld berechnet, welchen Beitrag Bioabfälle zum Klimaschutz leisten könnten. Der westfälische Landkreis hat etwa ebenso viele Einwohner wie der Landkreis Fürstenfeldbruck und eine vergleichbare Struktur. Dort wird eine Biogasanlage mit 45 000 Tonnen Biomüll pro Jahr betrieben. "Die Müllgebühren wurden um 30 Prozent gesenkt", erklärt Seemüller.

Mit den 27 000 Megawattstunden Biomethan könnten 45 000 Menschen ohne Ausstoß von CO₂ mit Wärme versorgt werden, das reduziere des Klimaschaden jährlich um gut zehn Millionen Euro. Mit dem Dünger könnten Lebensmittel für 20 000 Einwohner erzeugt werden. Im Gegensatz dazu würden bei der Verbrennung 80 Prozent des Müllgewichts als CO2 in die Atmosphäre abgegeben.

"In 85 Prozent der Landkreise in Bayern ist die Biotonne bereits eingeführt", sagt Jakob Drexler, Kreisrat der UBV. Gäbe es sie im Landkreis, könnte man seiner Ansicht nach dreimal mehr organische Abfälle einsammeln. Die Bürger würden sparen, denn allein für die Papiertüten, die nur einmal benutzt würden, müssten sie pro Jahr 840 000 Euro bezahlen. Würde man im hiesigen Landkreis so viele Bioabfälle einsammeln und vergären wie in Coesfeld, könnte man Drexler zufolge 5000 Tonnen CO₂ pro Jahr einsparen. Überdies müsste man dann den Biomüll nicht mehr 100 Kilometer weit nach Volkenschwand fahren. Vielmehr könnte man die wertvolle Ressource komplett im Landkreis nutzen, und die Bürger bekämen durch die Abholung der Tonne einen besseren Service. Er und seine Fraktion fordern deshalb schon lange die Einführung einer Biotonne und den Bau einer Vergärungsanlage für Biomüll im Landkreis.

FW-Kreisrat Gottfried Obermair, Vorsitzender von Ziel 21, befürwortet beides. Er kennt aber auch die Bedenken, wegen derer das bisher nicht geschehen ist, etwa, es könnte nicht genug Biomüll gesammelt werden. Obermair ist zuversichtlich, dass spätestens der neue Kreistag sich zum Bau einer Vergärungsanlage entschließt. Denn der Klimawandel sei ein großes Thema.

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SZ vom 18.09.2019
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