Süddeutsche Zeitung

Mitten in Maisach:Blaue Schafe erleben ihr blaues Wunder

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Kunst im öffentlichen Raum hat es nicht leicht, weil der Mensch sie nicht in Ruhe lassen kann. Die neue Installation im Rathausgarten hat das schon erfahren müssen.

Kolumne von Christian Hufnagel, Maisach

Mit der Kunst im öffentlichen Raum ist das keine leichte Sache. Zumeist ist sie gar nicht da, weil der Kommunalpolitiker an sich vieles ist, in seiner Mehrheit aber eines nicht: kunstsinnig. Und wenn sich doch mal ein Kunstwerk in die Öffentlichkeit verirrt, hat die selbige irgendwie immer ein Problem damit, fühlt sich der Mensch als Alltagspassant stets zur Schandtat herausgefordert. Selten, dass das Objekt lange so überlebt, wie es gedacht war. Diese Erfahrung trägt sich derzeit in Maisach zu.

Dort hat sich die Gemeinde am Rathaus ein bisschen Kunst im Garten gegönnt. Für 1000 Euro war der Erwerb durchaus ein Schnäppchen, selbst wenn es sich um ein "serielles Kunstwerk", also kein Unikat handelt. Denn für diesen geringen Preis bekommt der Käufer doch eine ganze Menge Symbolwert mit. Aktionskünstler Rainer Bonk möchte "Denkanstöße geben, auf das Verbindende hinweisen und für ein friedliches Miteinander und Toleranz werben, auf der Basis von Wertschätzung des Anderen", heißt es im Beipackzettel der Presseabteilung der Gemeinde. Das alles soll den Figuren ins Gesicht und auf den Leib geschrieben sein.

Einer Gruppe von Schafen fällt die bedeutungsschwere Aufgabe eines sprachlosen kosmopolitischen Friedensbotschafters zu. Drei Jung- und zwei Elterntiere wurden dafür auserwählt, im lieblichen Stil naiver Kunst gestaltet und mit einem tiefenpsychologischen Anstrich einheitlich überzogen: "Die Signalfarbe Blau steht für das Verbindende - es ist die Farbe der EU, der UNO sowie von UNESCO und Unicef." So liest man auf einem Schild, das der Installation extra hinzugestellt ist und das auch darüber aufklärt, dass die kleine Familie hier in Maisach nur der winzige Teil einer europaweit verteilten und aufgestellten "Blauen Herde" ist.

www.der-blauschaefer.de

Dass es sich hier also um hochwertige Toleranzträger handelt, kann jeder nachlesen, wenn er es schon nicht sieht. Das hat aber bereits einen Banausen nicht interessiert, der sich gegenüber dem Kunstwerk ziemlich intolerant verhielt. Obgleich man in der Gemeinde ja schon mit solcherlei Ungemach gerechnet und die "Blauschafe" deshalb auf einem Gitter befestigt hat, ist ein Elterntier von unbekannt losgemacht und neben die Gruppe gestellt worden. Es befindet sich derzeit in sicherer Obhut im Rathaus, soll aber bald wieder draußen installiert werden, damit die Familie im herkömmlichen Sinne wieder komplett ist und kein Sinnbild alleinerziehender Fürsorgestrukturen abgibt.

Und selbst wenn die Absicht weniger brachial ist und die niedlichen Figuren zu harmloseren Umgang verleiten sollten, sie sind kein Freiluftspielzeug: "Unsere kleine Schafherde will nur Ihre Aufmerksamkeit - sie streicheln, auf die Schafe klettern oder sitzen, schadet Ihnen." Weil das Hinweisschild vermutlich zu wenig, schon gar nicht bis zu diesem freundlichen Ende gelesen wird, will die Gemeinde Maßnahmen ergreifen: Geplant sei eine niedrige Koppel, "die zumindest die Schutzwürdigkeit der Tiere andeutet und von unbedarften Annäherungsversuchen abhalten soll". Nicht dass die blauen Schafe am Ende noch ihr blaues Wunder in Maisach erleben.

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