Süddeutsche Zeitung

Ausbildung:Die Lehrlinge mit dem Plus

Lesezeit: 3 min

Beim Berufsinformationsmarkt stellen sich Unternehmen und Innungen den potenziellen Auszubildenden vor. Die Berufsschule Fürstenfeldbruck wirbt für das neue Unterrichtsmodell mit dem Fachabitur als Abschluss

Von Erich C. Setzwein, Fürstenfeldbruck

Für Lukas Boguth wäre die Berufsschule "plus " fast zu spät gekommen. Ein Jahr war der junge Gröbenzeller schon bei der Elektronikfirma Stemmer Imaging AG in Puchheim in der Ausbildung zum Elektroniker für Geräte und Systeme, als er in der Berufsschule von dem neuen Angebot erfuhr. Neben der Lehre für das Fachabitur lernen, das würde ihm doch liegen, habe sein Lehrer Martin Geigenberger gesagt. Und so büffelt Boguth jeden Dienstag und Donnerstag ab 17 Uhr für den Abschluss, der ihm ein Studium ermöglichen soll. Boguth und Geigenberger sind am Sonntag beide beim Berufsinformationsmarkt in den Räumen der Sparkasse an der Oskar-von-Miller-Straße, um zu zeigen, was möglich ist in der Welt der Ausbildungsberufe.

Jahr für Jahr bauen Firmen, Innungen und Vertreter von Einrichtungen und Organisationen ihre Stände auf, um für die Berufsausbildungen zu werben, die sie anbieten. Die Betriebe müssen sich inzwischen mehr um den Berufsnachwuchs bemühen, stehen doch die klassischen Handwerke bei den Buben und Mädchen unterschiedlich hoch im Kurs. Andrea Macha zum Beispiel, die Obermeisterin der Friseurinnung, kann sich über das Interesse nicht beschweren.

Ihren Stand, an dem sie mit zwei Kollegen vor allem Schülerinnen berät, steht unübersehbar vis-à-vis des Eingangs. Klar, dass es dort noch keine Bewerbungsgespräche geben kann, "aber wir bieten Praktika an, die sehr nachgefragt sind", sagt Andrea Macha. Die Friseure in der Mitte, daneben die Dachdecker und Zimmerer, gegenüber das Bäckerhandwerk - drei völlig unterschiedliche Handwerke mit unterschiedlichen Problemen. So suchen die Bäcker stets nach Lehrlingen für die Backstube und den Verkauf, doch scheint es für die 14- bis 16-Jährigen derzeit nicht sonderlich attraktiv zu sein, früh aufzustehen, um Brezen und Brot zu backen oder acht Stunden im Geschäft zu bedienen. Die Schreiner dagegen haben überhaupt keine Sorgen. "Ich würde sagen, der Landkreis Fürstenfeldbruck entwickelt sich gerade zu einer kleinen Schreinerhochburg", sagt Innungsobermeister Harald Volkwein aus Gröbenzell. Er verweist dabei nicht nur auf die nationalen und internationalen Preisträger unter den Brucker Schreinermeistern, sondern auch auf die derzeit 24 Lehrlinge.

Ganz dringend auf der Suche nach fünf oder sechs Lehrlingen sind die Mitarbeiter der Allinger Elektrofirma IK-Elektroanlagen. Für sie ist die Akquise von Lehrlingen zwar nicht neu, dafür aber die Präsenz auf dem Berufsinfomarkt in Fürstenfeldbruck. "Es ist auf jeden Fall eine gute Erfahrung", sagt Ulf Deckart, der interessierten Schülern gerne zeigt, wie an ein Starkstromkabel eine dauerhafte Verbindung angebracht wird. Unter seiner Anleitung probiert das der 14 Jahre alte Konstantin aus Germering aus. Ein paar Handgriffe und ein wenig Kraftaufwand später hat er die Aufgabe erledigt und aus dem Kabelabschnitt einen Schlüsselanhänger gemacht. Auf der Hülle ist sein Name eingraviert - ein Unikat, das er so schnell nicht mehr weglegen dürfte. Konstantin und seine Mutter Stephanie Proske suchen nach einem Platz für das Pflichtpraktikum, das er im kommenden Schuljahr machen muss. Er sei sehr interessiert an Technik, sagt der Realschüler.

Nicht nur beim Berufsinfomarkt schaut er sich deshalb um, sondern er hat sich auch für die in dieser Woche im Veranstaltungsforum Fürstenfeld stattfindende Ausbildungsmesse Vocatium angemeldet. Konstantin will nach der Mittleren Reife studieren, und deshalb kommt für ihn die Berufsschule plus in Frage. Eine Schulform, die bei Personalfachleuten wie Marion Strencioch hoch im Kurs steht. Bei der Stemmer AG in Puchheim ist sie im Personalmanagement für die Ausbildung zuständig. Die Firma bilde für den eigenen Bedarf aus, und auch wenn Lukas Boguth nach seiner dreijährigen Lehre noch ein weiteres Jahr auf die Berufsschule gehen werde, um das Fachabitur zu machen, könne er weiter bei Stemmer arbeiten. Die Firma ermögliche ihren Auszubildenden auch eine duales Studium, so wolle man sich Fachpersonal sichern. Dringend angewiesen auf neues Personal ist auch das Klinikum Fürstenfeldbruck. Gleich vier Mitarbeiterinnen werben am Stand für die Pflegeberufe. Irene Weinberg hofft darauf, dass das Interesse, vor allem auch von jungen Männern, mit der Reform der Berufsausbildung im kommenden Jahr wieder steigen wird. Denn die Ausbildung werde mit Allgemeinem über den Beruf beginnen, erst danach erfolge die Spezialisierung. Neu sei auch die Ausbildung zur medizinischen Fachangestellten. Sie sagt: "Ein interessanter Beruf, der sowohl mit Patienten als auch der Verwaltung einer Klinik zu tun hat."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4381072
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 25.03.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.