Süddeutsche Zeitung

Puchheim-Ort:Geschichtsträchtiger Fund

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Bauarbeiter stoßen bei Vorbereitungen für ein neues Wohnhaus in Puchheim-Ort auf alte Fundamente. Archäologen wollen nun herausfinden, ob es Reste eines mehr als 200 Jahre alten Bauernhauses sind.

Von Peter Bierl, Puchheim

Keine hundert Jahre genügen, um ein Haus vollkommen unter der Erde, genauer gesagt Lehm und etwas Humus, verschwinden zu lassen. Vor ein paar Wochen stießen Arbeiter, die ein Grundstück für einen Neubau vorbereiteten, in Puchheim-Ort an der Augsburger Straße Hausnummer 4 auf Fundamente im Boden. Der Bauherr Hans Stürzer, Geschäftsführer der städtischen Wohnungsbaugesellschaft (WEP), informierte die Behörden, und das Landesamt für Denkmalschutz beauftragt eine private Archäologiefirma zu graben. Inzwischen sind die Grundmauern eines kleinen Bauernhauses samt Vorbau sichtbar, das vermutlich zweihundert Jahre alt ist und 1933 einem Gemeindehaus weichen musste, das auch als Entbindungsstation diente.

Wie alt die Relikte sind, stehe noch nicht fest, sagt Ina Hofmann, die Chefin der Grabungsfirma. Das könne man erst sagen, wenn alle Schichten ausgegraben und untersucht und insbesondere die Keramikscherben datiert seien. Sie geht davon aus, dass das Gebäude im Lauf der Jahrhunderte immer wieder verändert wurde. Auf jeden Fall ist das Haus bereits im bayerischen Urkataster von 1809 verzeichnet, einer Bestandsaufnahme, die das ganze neue Königreich erfasste. Der Verein d'Buachhamer besitzt einige Fotos des Lindenschneider-Anwesens aus der Zeit um 1911. Der Name rührt daher, dass die Bewohner das Schneiderhandwerk ausübten und dort Linden standen.

Die Archäologin erklärt, was bisher gefunden wurde. Zu sehen sind Reste von äußeren und inneren Mauern und Fundamenten, einige Stellen aus gestampftem Lehm, der als Boden diente, Pflaster aus Steinen und Ziegeln. Zur Straße hin stand einmal ein Stadel, von dem sich Reste aus Holzstämmen erhalten haben. Rund um das Gebäude hat das Grabungsteam weitere Löcher und Gruben gefunden sowie einen Graben, der aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts stammt, den Jahren des 30-jährigen Krieges.

Die Archäologen sind mit Hacke, Schaufel und Pinsel im Einsatz. Alle Relikte müssen dokumentiert und gesäubert werden. Die Grabungsstellen werden fotografiert, die Bodenprofile gezeichnet und eingemessen. Das Team hat inzwischen drei Kisten mit Überresten aus Keramik, Glas und Metall gesammelt, darunter ein verziertes Stück von einer Ofenkachel. An einer Seite des Hauses haben die Archäologen eine Kellergrube entdeckt und darin ein Gefäß, ein kleines Fass, das allerdings zerfällt.

Alles lag unter einer dünnen Schicht begraben, die Fundamente und Relikte im Boden sind von Lehm umgeben. Wenn die Sonne scheint, wird dieser hart wie Beton. Zur Geschichte des Hauses und seiner Bewohner spricht Hans Aichner vom Verein d'Buachhamer, der seit Jahrzehnten die Vergangenheit Puchheims erforscht. Er berichtet, dass in dem kleinen Anwesen die Vorfahren der Familie Keil lebten, bis diese 1888 Grund und Boden verkauften. Ihr Nachfolger endete tragisch, er wurde 1901 erstochen. Seine Witwe verkaufte das Haus ein Jahr später an Martin Reger aus Germering. Das Foto zeigt die Familie 1911 vor dem Haus. Die Regers wiederum verkauften das Haus 1932 an die Gemeinde, die es im folgenden Jahr abreißen ließ.

Auf dem Gelände entstand 1934 das Gemeindehaus, später auch Lehner-Haus nach einem langjährigen Bewohner genannt. Anfangs wohnten dort Arbeiter der Gemeinde, dann die Hebamme, von 1936 an diente ein Zimmer als Entbindungsstation. Bei einer vom Verein organisierten Besichtigung sind zwei Puchheimer dabei, die 1936 und 1945 in dem Haus zur Welt kamen. 2012 wurde das Gemeindehaus abgerissen, jetzt sollen auf dem Gelände, das der Kommune gehört, drei Häuser der WEP mit acht barrierefreien Wohnungen errichtet werden.

Kurz nach Beginn der Grabung stellte sich heraus, dass es nicht nur das Werk einiger Tage sein würde. Hofmann schätzt, dass die Arbeiten noch bis Mitte August dauern werden. Anschließend folgt die Auswertung der Funde, zuletzt schreibt sie einen Bericht an das Landesamt für Denkmalpflege. Dann wird man wissen, wie alt das Gebäude wirklich war.

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