Süddeutsche Zeitung

Ortskern Althegnenberg:Historischer Schutthaufen

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Der dörfliche Ortskern von Althegnenberg rund um die Kirche verschwindet. Die Traditionsgastwirtschaft aus dem 19. Jahrhundert ist dieser Tage abgerissen worden und musste einem Wohn- und Geschäftshaus weichen.

Von Peter Bierl, Althegnenberg

Im dörflichen Ortskern von Althegnenberg klafft eine riesige Lücke: Die Bagger haben dieser Tage das Bergmüller-Anwesen neben der Kirche abgerissen. Der große ehemalige Bauernhof, zum Teil aus dem 19. Jahrhundert, stand nicht unter Denkmalschutz. Vorne an der Straße will die Sparkasse ein neues Wohn- und Geschäftshaus errichten. Bauamtsleiter Markus Hörmann wertet das als "gutes Zeichen" für eine Einigung zwischen Gemeinde und Grundeigentümern, die jahrelang stritten, was aus dem großen Areal werden soll. Ungewiss ist jedoch, was mit dem hinteren Teil einmal geschieht.

Für das frühe 17. Jahrhundert ist an der Stelle ein kleiner Bauernhof in einer Urkunde erwähnt. In der Folgezeit wechselten mehrfach die Besitzer. 1878 kaufte Viktoria Bergmüller aus Mering das gesamte Anwesen von den Grafen von Hegnenberg-Dux und bekam ein Jahr später die Konzession für eine Wirtschaft. Die Familie Bergmüller baute die Gebäude um und erweiterte den Hof zu einem stattlichen vierseitigen Komplex, der einen Innenhof umschloss. 100 Jahre lang betrieben die Bergmüllers dort Landwirtschaft und Gastronomie. Von 1892 bis 1979 war die Gaststätte unter Friedrich-Maximilian dem Älteren und Maximilian dem Jüngeren über den Ort hinaus bekannt. Der jüngere Maximilian engagierte sich politisch in der Gemeinde, der ältere ging im April 1945 mit einer weißen Fahne den vorrückenden amerikanischen Truppen entgegen und bewahrte das Dorf möglicherweise vor einem Bombardement, erzählt Altbürgermeister Helmut Hilscher.

Er schwärmt vom guten Essen, dem gepflegten Bier und den Schafkopfrunden, die beim Bergmüller immer geboten wurden. Hochzeiten und Feiern von Vereinen wurden dort abgehalten. 1979 übernahm die Familie Jung den Betrieb und führte ihn als Wirtschaft und Metzgerei bis 1997 fort. Dann ging der Betrieb pleite. Das Anwesen wurde versteigert. Seitdem stand der Hof leer. "Es war ein Schandfleck mitten im Ort", sagt Hilscher, der den Abriss trotzdem "mit gemischten Gefühlen" sieht. Die Wirtschaft neben der Kirche im Mittelpunkt des Dorfes hätte eben Tradition gehabt. Es sei das typische Ensemble in Bayern gewesen.

Die Gemeinde und die drei neuen Eigentümer, darunter die Sparkasse, konnten sich nicht einigen, was mit der Immobilie geschehen sollte. Zeitweise seien Reihenhäuser im Gespräch gewesen, berichten Hörmann und Hilscher. Ende 2006 verabschiedete der Gemeinderat schließlich einen Bebauungsplan "Ortsmitte" für ein insgesamt rund 5000 Quadratmeter großes Areal. Demnach wären auf dem vormaligen Bergmüller-Grundstück zwölf Doppelhäuser errichtet worden, mit Grundflächen zwischen 110 und 160 Quadratmeter, und vorne ein großes Wohn- und Geschäftshaus. Zur Erschließung der Doppelhäuser hätte man eine neue Straße mittendurch das Gelände anlegen müssen, das allerdings hätten die Grundeigentümer nicht gewollt, so der Bauamtsleiter.

Nach den jahrelangen Diskussionen zwischen Gemeinde und Grundeigentümern scheine sich nun eine Einigung abzuzeichnen, sagte Hörmann. Die Sparkasse hat eine Bauvoranfrage gestellt. Die Bank will vorne an der Straße ein großes Wohn- und Geschäftshaus mit zwei Stockwerken und Dachgeschoss errichten, das in Größe und Umfang der alten Wirtschaft entspricht, bestätigte Pressesprecher Dirk Hoogen. Wie viele Wohnungen in dem Neubau entstehen sollen, konnte er allerdings nicht sagen. Die Sparkasse als Bauherr hat eine Abrissgenehmigung bekommen, der Gemeinderat beschloss, den Bebauungsplan von 2006 aufheben zu lassen. "Es schaut so aus, als gäbe es eine Einigung", meinte der Bauamtsleiter.

Wann mit dem Neubau des Wohn- und Geschäftshauses begonnen wird, ist laut Hörmann offen. Eine Genehmigung bekäme die Sparkasse erst, wenn das Prozedere der Aufhebung des Bebauungsplanes das Stadium der Planreife erreicht habe. Was aus dem rückwärtigen Teil des Areals werden soll, konnten weder Hörmann noch Hoogen sagen. "Wir haben noch keine weiteren Pläne", sagt der Sparkassensprecher. Bürgermeister Paul Dosch (Wählergruppe Bürgerinitiative) war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Sein Vorvorgänger Hilscher hofft, dass Grundbesitzer, Gemeinderat und Bürgermeister "viel Fingerspitzengefühl" zeigten und in Absprache mit den Nachbarn schließlich eine ansprechende Bebauung entwickelten. "Keine Lösung wären Reihenhäuser, die haben nichts im Dorfmittelpunkt zu suchen."

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Quelle:
SZ vom 15.01.2015
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