Süddeutsche Zeitung

Schadstoffbelastung am Airport:Bürgerverein fordert schnelles Handeln

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Die Freisinger sehen ihre eigenen Messungen durch Ergebnisse aus Frankfurt bestätigt und setzen sich dafür ein, den Ausstoß ultrafeiner Partikel zeitnah zu verringern.

Von Peter Becker, Freising

Jetzt, da der Flugverkehr im wahrsten Sinne des Wortes am Boden liegt, sieht der Freisinger Bürgerverein die Zeit zum Handeln gekommen. Es sei an der Zeit, Maßnahmen in die Wege zu leiten, den Ausstoß ultrafeiner Partikel (UFP) aus den Triebwerken von Flugzeugen zu reduzieren, bevor der Flugverkehr wieder zunimmt, forderten Reinhard Kendlbacher, Wolfgang Herrmann und Oswald Rottmann in einem Gespräch mit der Freisinger SZ.

Bestätigt fühlt sich der Bürgerverein durch die jüngsten Messergebnisse am Frankfurter Flughafen durch die hessische Landesregierung. Diese untermauerten die Resultate, die er selbst mit seinen mobilen Messgeräten rund um den Flughafen im Moos erzielt habe. Der Bürgerverein sieht die Politiker, allen voran Stimmkreisabgeordneten Florian Herrmann (CSU), in der Verantwortung, ihrer Fürsorgepflicht gegenüber der Bevölkerung in der Flughafenregion nachzukommen.

Der Wind trägt die Partikel kilometerweit

"Die Abgase aus den Triebwerken formen die ultrafeinen Partikel", stellte Rottmann fest. So entstünden aus einem Gramm Kerosin 100 Milliarden UFP. Weil diese extrem leicht sind, trage sie der Wind kilometerweit fort, bis sie irgendwo hängen blieben. Das könne eine Hauswand sein, ein Blatt oder aber fatalerweise eine menschliche Lunge, von der aus sie dann in den Kreislauf gelangten. Bei der Verbrennung von Kerosin entstünden außerdem Hunderte chemische Verbindungen, von denen viele giftig seien, krebserregend oder erbgutverändernd wirkten. Wie der Wind auf die Verbreitung der Partikel Einfluss nimmt, hat der Bürgerverein bei seinen Messfahrten selbst erfahren.

Dies erläuterte Herrmann an zwei Beispielen: Am 5. Juni war der Verein im Berufsverkehr in Freising unterwegs. Besonders hohe Partikelkonzentrationen stellte er laut Herrmann entlang der Kammergasse und im Bereich der Karlwirtkreuzung fest. Ein paar Meter rechts und links der Hauptverkehrsadern sei kaum mehr ein Effekt messbar gewesen. "Das war lokal begrenzt", sagte Herrmann. Ganz anders am 20. Juli, als der Messwagen um 22 Uhr in Lerchenfeld an der alten Isarbrücke unterwegs war. Obwohl an diesem Tag nur ein Drittel des üblichen Flugaufkommens unterwegs war, sei der Wert der UFP enorm angestiegen. Der Südwind habe "eine UFP-Fahne" vom Flughafen herübergetrieben. Je näher man an diesen herangefahren sei, umso höher sei die Konzentration gestiegen, sagte Herrmann.

Der Bürgerverein sieht seine Messergebnisse und die Schlussfolgerungen daraus vom dritten Bericht des Hessischen Landesamts für Umweltschutz vom 20. Oktober bestätigt. Dieses hat für den Frankfurter Flughafen befunden, dass er eine bedeutende Quelle von Ultrafeinstaub ist. Das Hessische Landesamt kommt in einer Presseerklärung zu dem Schluss, dass eine schnell wirkende Möglichkeit, den Schadstoffausstoß der Triebwerke zu senken, die Reduzierung des Schwefelanteils im Kerosin sei. 60 Prozent des UFP-Ausstoßes entstünden laut Herrmann beim Bodenverkehr der Flugzeuge. Darum sei es nur konsequent, wenn die hessische Umweltministerin Priska Hinz fordere, elektrobetriebene Fahrzeuge einzusetzen, um die Flugzeuge zur Startbahn zu schleppen.

Es sollten nicht weitere Jahre ins Land ziehen

Kendlbacher sieht das Verhalten der verantwortlichen Politiker im Widerspruch zum sonstigen "Bayern first" der Staatsregierung. Während an anderen Flughäfen schon seit Jahren Feinstaub gemessen werde und Bestrebungen liefen, diesen zu reduzieren, weigere sich die Flughafen München GmbH (FMG) bis heute, zu messen oder Messungen am Flughafen zuzulassen. Im Februar beginnt zwar ein Forschungsprojekt zu den UFP mit Beteiligung der Uni Bayreuth, des Helmholtz-Zentrums und des Bürgervereins. Doch der Bürgerverein hält es nach dem Bericht des Hessischen Landesamts für Umweltschutz schon jetzt für erwiesen, dass auch der Flughafen im Moos maßgeblich zum Ausstoß der UFP beitrage. Es sollten deshalb nicht weitere Jahre ins Land ziehen, bis die Ergebnisse dazu vorlägen. Jetzt sei die Zeit zu experimentieren, wie man den UFP-Ausstoß reduzieren könne, forderte der Bürgerverein.

Was die Politiker anbelangt, ist Kendlbacher enttäuscht, insbesondere von Florian Herrmann. "Der hat kein Interesse, sich für uns einzusetzen", stellte er fest. In den Antwortschreiben der Minister, in denen der Bürgerverein auf die Gefahr durch die UFP aufmerksam machte, sei stets die gleiche "Themaverfehlung" zu finden. Die Minister gingen nicht auf die Schadstoffe ein, sondern verwiesen auf die Absicht der FMG, den Flughafen bis zum Jahr 2030 CO₂-neutral zu betreiben.

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Quelle:
SZ vom 09.12.2020
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