Süddeutsche Zeitung

Rekordmenge an Schadholz:"Wir sitzen auf einem Pulverfass"

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Die Trockenperioden und Stürme leisten dem Borkenkäfer Vorschub. Waldbesitzer sind angehalten, akribisch zu kontrollieren und befallene Bäume sofort zu entfernen. Dazu ist der Holzpreis vor allem für Fichte deutlich gefallen.

Von Gudrun Regelein, Freising

Der heiße, trockene und sturmreiche Sommer 2018 hat eine Rekordmenge an Schadholz in den bayerischen Wäldern zurückgelassen: 4,5 Millionen Festmeter an von Borkenkäfern befallenem Holz bilanzierte die Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft für das vergangene Jahr - und damit so viel wie noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg. "Wir verzeichnen seit 2015 einen kontinuierlichen Anstieg, das hat sich 2018 noch einmal verschärft", berichtete Ralf Petercord, Leiter der Abteilung Waldschutz bei der Landesanstalt. Die Waldexperten im Landkreis dagegen geben Entwarnung: Von einem Katastrophenjahr mag niemand sprechen. Dennoch sei der Borkenkäfer auch hier ein Problem: "Wir sitzen auf einem Pulverfass", sagt Alfred Fuchs, Leiter der Forstbetriebe Freising. Denn die Fichtenbestände in seinem Forstbetrieb seien sehr groß. Gerade die Fichte aber sei bei heißen Trockenperioden besonders anfällig, da sie nicht mehr genügend Harz absondere, um den Borkenkäfer zu verkleben.

"Eine Eskalation sehe ich aber nicht", beruhigt Fuchs. Im Gegenteil. In den vergangenen Jahren konnten große Erfolge bei der Bekämpfung der Borkenkäfer erzielt werden, berichtet Fuchs. "Wir haben konsequent die befallenen Bäume geschlagen und aus dem Wald entfernt." Nach den großen Stürmen Anfang der 1990er-Jahre habe man noch etwa 70 000 Festmeter Schadholz gehabt, durch das systematische Entfernen seien es im vergangenen Geschäftsjahr unter 30 000 Festmeter geworden. "Wir haben das also unter die Hälfte drücken können", sagt Fuchs stolz. Das aber bedeute ein "wahnsinniges Unterfangen" und koste unendlich viele Arbeitsstunden. Denn etwa 15 500 Hektar Wald im Forstbetrieb müssen ständig kontrolliert werden. "Der gesamte Forstbetrieb läuft dann auf Borkenkäfer-Modus", sagt Fuchs.

Dennoch spüre man auch im Freisinger Forstbetrieb die Auswirkungen, denn auf dem Holzmarkt werde für von Borkenkäfer befallenes Holz nur ein niedrigerer Preis gezahlt. "Da machen wir keinen Überschuss, sondern schreiben die schwarze Null, die Verluste sind enorm." Für 2019 rechnet Fuchs mit einem ähnlichen Käferholzbefall wie im Jahr zuvor - "vielleicht liegen die Schäden auch geringfügig unter denen der Vorjahre". Denn noch sei der Boden im Freisinger Gebiet gut mit Wasser versorgt. Das mache die Bäume stabil und weniger anfällig.

Die kritische Zeit beginnt jetzt, Waldbesitzer müssen engmasching kontrollieren

Josef Denk, Geschäftsführer der Waldbesitzervereinigung im Landkreis Freising, ist mit dem Geschäftsjahr 2018 noch einigermaßen zufrieden. "Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen." Für dieses Jahr allerdings ist er nicht mehr ganz so optimistisch, "wir werden wohl wegen der extrem gefallenen Holzpreise nicht mehr im wirtschaftlichen Bereich bleiben können". Tatsächlich wird der Festmeter Fichte der mittleren Güteklasse 2b derzeit mit 60 bis 75 Euro gehandelt. Vor zwei Jahren sind es noch um die 100 Euro gewesen. Beim Schadholz würden häufig nur noch 25 bis 30 Euro bezahlt. "Die Holzaufarbeitung kostet uns oftmals mehr, als wir dann letztendlich für unser Holz bekommen", beklagt Denk.

Auch in diesem Jahr hat die große Trockenheit seit März, die nur durch einen relativ feuchten Mai unterbrochen wurde, eine starke Schwarmaktivität beim Borkenkäfer zur Folge. "Die Fangzahlen sind hoch, gerade in der vergangenen Woche sind sie nach oben geschnellt", berichtet der staatliche Förster Marcus Nißl. Im Landkreis herrsche Warnstufe. Er sei in seinem Revier mit einem hohen Fichtenbestand - neben Moosburg zählen auch die Gemeinden Gammelsdorf, Hörgertshausen, Mauern, Nandlstadt, Rudelzhausen und Wang dazu - fast täglich unterwegs. Der stehende Befall sei massiv, berichtet Nißl. Er könne nur an die Waldbesitzer appellieren, engmaschig zu kontrollieren und die befallenen Bäume möglichst bald zu schlagen und aus dem Wald zu entfernen. "Jetzt kommen die drei kritischen Monate", sagt Nißl. Sein Kollege Bernhard Söllner ist für den südlichen Landkreis zuständig. Er habe ein gemischtes Revier, in den Isarauen beispielsweise finden sich auch viele Laubbäume, erzählt er. Das vergangene Jahr sei zwar keine Katastrophe gewesen, "aber ein Anstieg der Schäden ist schon sichtbar gewesen". Wie hoch die Schadholzmenge aber in diesem Jahr sein werde, könne er derzeit nicht sagen. "Das sieht man erst im nächsten Jahr."

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SZ vom 05.07.2019
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