Süddeutsche Zeitung

Energieversorgung:Schwache Hoffnung für alternative Starkstromtrasse

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Der Netzbetreiber Tennet prüft wochenlang zwei Varianten für den künftigen Streckenverlauf der erneuerten 380-Kilovolt-Höchstspannungsleitung. Nun steht fest: Die Alternative der Ottenhofener Bürgerinitiative wird nicht berücksichtigt. Die Enttäuschung vor Ort ist groß.

Von Regina Bluhme, Ottenhofen

Die Starkstromleitung von Oberbachern im Landkreis Dachau nach Ottenhofen muss erneuert werden, keine Frage. Gegen die geplante Streckenführung der neuen Masten regt sich allerdings in Ottenhofen massiver Widerstand. Netzbetreiber Tennet setzt auf eine Strecke in der Nähe des Bestands, die örtliche Bürgerinitiative kämpft für die Alternativstrecke "Finsinger Holz". Beide Varianten wären laut Regierung von Oberbayern möglich. Tennet hat wochenlang die zwei Varianten geprüft. Seit Mittwoch steht fest: Der Netzbetreiber geht mit der Trasse entlang des Bestands ins Genehmigungsverfahren. Die BI blickt nun mit Spannung nach München, wo kommende Woche der Landtag über ihre Petition berät.

Ab 7 Uhr waren am Mittwoch Markus Lieberknecht, Pressereferent für Bayern, und Catherin Krukenmeyer, Referentin für Bürgerbeteiligung, für Tennet unterwegs. Bevor sie mit der Trassenentscheidung an die Öffentlichkeit gingen, hatten sie allen Beteiligten, auch der BI vor Ort, Bescheid gegeben. Gegen 17.30 Uhr dann der Redaktionsbesuch bei der SZ. Catherin Krukenmeyer erklärt, was gegen die Alternativstrecke der 380-Kilovolt-Höchstspannungsleitung spricht. Bei der Variante "Finsinger Holz" wäre zum Beispiel eine provisorische Leitung mit fünf Stromkreisen nötig. "Die nötige Trasse hätte eine Breite von rund 200 Metern und würde auf einer Länge von fünf Kilometern zwischen der Bestandsleitung und dem westlichem Ortsrand von Ottenhofen verlaufen." Zudem hätte das Provisorium "eine wesentliche Beeinträchtigung des Landschaftsbilds und des Wohnumfelds zur Folge". Die Bewirtschaftung der Flächen rund um die provisorischen Masten wäre während deren Standzeit von 18 bis 20 Monaten stark eingeschränkt.

Das Finsinger Holz könne zwar für die gleichnamige Variante überspannt werden. Dazu wären laut Tennet allerdings insgesamt sechs Masten von 90 bis 100 Metern Höhe nötig. Die "normale" Mastenhöhe betrage circa 70 Meter. Zudem müssten voraussichtlich zwei Masten im bislang unbelasteten Bannwald platziert werden.

Johann Auerweck, Sprecher der BI "Starkstromleitung ja, aber mit Abstand zu Ottenhofen und Neuching/Lausbach", hält sich am Donnerstag bedeckt. Nur so viel will er sagen: "Für uns ist die Entscheidung nicht nachvollziehbar." Nach wie vor seien der BI nicht alle Unterlagen bekannt, "es besteht noch Redebedarf". Auerweck besitzt eines von besonders betroffenen zwölf Anwesen, denen die von Tennet geplante Trasse sehr nahe kommt. Nur 44 Meter würde die Starkstromleitung an seinem Wohngebäude vorbeilaufen, betont Auerweck. An einem anderen Wohnhaus betrage der Abstand sogar nur 30 Meter.

"Ich bin extrem enttäuscht", sagt Bürgermeisterin Nicole Schley zu der Trassenwahl

Nicole Schley (SPD), Bürgermeisterin von Ottenhofen, sagt, sie sei "extrem enttäuscht" über die Variantenentscheidung, gleichwohl halte sie die Argumente von Tennet für nachvollziehbar, unter anderem das Argument, dass die "Finsinger Trasse" wiederum neue Betroffenheiten hervorgerufen hätte. Das Provisorium würde zudem 36 Millionen Euro teurer kommen als das Provisorium der Bestandstrasse. "Und dafür muss letztendlich jeder einzelne Bürger aufkommen." Dieses Summe bestätigt Catherin Krukenmeyer.

Das Kostenargument will der Landtagsabgeordneter Benno Zierer (Freie Wähler) nicht gelten lassen. Er habe das Gefühl, dass die Kosten "einfach als Totschlagargument angeführt werden", schreibt er auf Nachfrage der SZ. Für ihn sei zum Beispiel die Kostenberechnung für das Provisorium während der Bauzeit nicht nachvollziehbar. Die betroffenen Anwohner hätten sehr sachlich agiert und seiner Ansicht nach sehr fundierte Argumente vorgebracht und auch Lösungen vorgeschlagen. Nun stehe noch die Behandlung der Petition aus, "ich bin gespannt, wie meine Abgeordnetenkollegen das bewerten." Mehr als 660 Unterschriften für die Alternativtrasse hatte die BI im Juli im Landtag eingereicht.

Der Landtagsabgeordnete sieht noch Prüfungsbedarf beim Naturschutz

Der Grünen-Landtagsabgeordnete Johannes Becher schreibt auf Nachfrage, er habe den Eindruck gewonnen, die Variante "Finsinger Holz" sei "technisch möglich, finanziell wohl etwas teurer und im Hinblick auf den Naturschutz noch nicht detailliert genug untersucht". Im Hinblick auf die Versorgungssicherheit sei die Ertüchtigung der Leitung dringend erforderlich "und insofern wäre Tennet gut beraten an einer Trassenvariante im Einvernehmen mit der Bevölkerung zu arbeiten".

Pressereferent Markus Lieberknecht sagte am Mittwoch, er habe bisher noch keine solch konstruktive Zusammenarbeit wie von Seiten der BI, namentlich Familie Auerweck, erlebt. Letztendlich entscheide die Regierung von Oberbayern über die Trasse. Ende 2023 sollen die Unterlagen fürs Genehmigungsverfahren bei der Regierung eingereicht werden.

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