Süddeutsche Zeitung

Forschung in Freising:Wenn Orangensaft plötzlich nach Nelken riecht

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Zu der Fehlnote können Rückstände eines Reinigungsmittels in den Produktionsanlagen führen, das hat ein Forschungsteam des Leibniz-Instituts der TU München in einer umfangreichen Studie entdeckt.

Von Petra Schnirch, Freising

Soll es in der Adventszeit so richtig schön weihnachtlich duften in der Wohnung, kann man vorsichtig Nelken in Orangen stecken. Wer dagegen eine Flasche Orangensaft öffnet, möchte eher nicht, dass dieser nach Nelken riecht, egal zu welcher Jahreszeit. Doch das kommt immer wieder vor. Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen aus Weihenstephan ist es jetzt gelungen, die Ursache dafür zu finden. Das Ergebnis ist durchaus überraschend.

Das Forschungsteam des Leibniz-Instituts für Lebensmittel-Systembiologie an der TU München konnte belegen, dass die unerwünschte Fehlnote auf den Geruchsstoff 5-Vinylguajacol zurückzuführen ist, wie es in einer Pressemitteilung heißt. Wie die Studienergebnisse zeigten, entstehe die Substanz vor allem während des Pasteurisierungsprozesses, wenn Rückstände eines Reinigungsmittels mit einem natürlichen Inhaltsstoff des Orangensafts unter Hitzeeinwirkung reagieren.

Es ist nicht das erste Mal, dass Nachrichten über Nelkengeruch im Orangensaft die Branche aufschreckten. Bisher galt 4-Vinylguajacol als Hauptverursacher für die Fehlnote, betroffen waren vor allem lange gelagerte Orangensäfte. Die mengenmäßige Bestimmung dieses Geruchsstoffs ist daher längst fester Bestandteil routinemäßiger Qualitätskontrollen.

Dennoch gab es in jüngster Zeit erneut Auffälligkeiten. Dem Leibniz-Institut wurden "Orangensaftproben gemeldet, die trotz einer geringen Konzentration von 4-Vinylguajacol einen ausgeprägten Nelkengeruch aufwiesen", erklärt Doktorandin Eva Bauersachs, sie ist auch Erstautorin der Studie: "Wir haben uns daher gefragt, welche anderen Geruchsstoffe zu dieser unerwünschten Aromanote beitragen."

Es folgten Untersuchungen des Forschungsteams um Martin Steinhaus. Unterstützung bekam das Leibniz-Institut von der Professur für Funktionelle Phytometabolomik und dem Lehrstuhl für Lebensmittelchemie und Molekulare Sensorik der TUM. Ziel war es, die Geruchsstoffe zu identifizieren, die den Fehlgeruch verursachen, und deren Entstehungswege aufzuklären.

Mithilfe von Techniken wie der Gaschromatographie-Olfaktometrie und der Aromaextraktverdünnungsanalyse identifizierte das Team in einem Orangensaft mit ausgeprägtem Nelkenaroma den Geruchsstoff 5-Vinylguajacol als Quelle dafür. "Das Auftreten dieser Substanz war bisher in Orangensaft unbekannt", heißt es weiter.

In weiteren Studien fanden die Forschenden dann auch heraus, wie das 5-Vinylguajacol entsteht: Während der Pasteurisierung reagiert der Orangensaftinhaltsstoff Hesperidin mit Peressigsäure, die in der Fruchtsaftindustrie als Reinigungsmittel für die Produktionsanlagen verwendet wird.

Eine unzureichende Spülung der Maschinen könnte zu einer Kontamination des Saftes mit Peressigsäure geführt und die Bildung von 5-Vinylguajacol bei der Weiterverarbeitung verursacht haben, erklärt Studienleiter Steinhaus. Die Empfehlung des Forschungsteam liegt auf der Hand: Es empfiehlt Betrieben, die Orangensaft verarbeiten, Peressigsäure nicht mehr als Reinigungsmittel zu verwenden.

Orangensaft ist im Übrigen ein sehr empfindliches Produkt. Auch andere Fehlaromen können bei der Verarbeitung entstehen, etwa kohlartig riechendes Dimethylsulfid bei Erhitzung des Safts. Eine längere Lagerung kann zudem chemische Reaktionen auslösen, bei denen sich α-Terpineol entwickelt, das nach Terpentin riecht. Zudem können während der Lagerung Oxidationsreaktionen dazu führen, dass O-Saft plötzlich nach Kümmel riecht, auch darauf weist das Leibniz-Institut hin.

Der Beliebtheit von Orangensaft tut das keinen Abbruch. Der Pro-Kopf-Verbrauch lag 2022 in den USA bei 6,6 Liter, in Deutschland bei 5,9 Liter.

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