Süddeutsche Zeitung

Problem verschoben:"Gefährdungspotenzial durch traumatisierten Flüchtling"

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Das Landratsamt verlegt einen durch Aggression aufgefallenen Flüchtling von Haag nach Eching - und hofft auf die Security dort.

Von Katharina Aurich, Haag

Der afghanische Flüchtling, der seit einem Jahr im Pfarrhaus in Haag lebt und am Montag einen jungen Mitbewohner bedroht hat, zieht an diesem Freitag mit seiner Frau und dem gemeinsamen Baby in die Unterkunft nach Eching. Das hat Robert Stangl von der Pressestelle des Landratsamtes mitgeteilt, nachdem sich die Sachbearbeiter der Ausländerbehörde mit Vertretern des Jugendamtes beraten hatten. Eigentlich war dieser Umzug erst für kommenden Donnerstag geplant, die Vertreter des Jugendamtes, die für die beiden 16-jährigen Flüchtlinge im Pfarrhaus verantwortlich sind, hatten jedoch auf rasches Handeln gedrängt, um eine Gefährdung ihrer Mündel zu vermeiden.

Ins Rollen gekommen war der ganze Vorgang durch eine Mail, die Raimund Strolo vom Haager Helferkreis am Mittwoch an die Presse geschickt hatte, um auf das hohe Gefährdungspotenzial durch den offensichtlich traumatisierten Flüchtling hinzuweisen. Am Montag hatte dieser einen jungen Mitbewohner in der gemeinsamen Küche des Pfarrhauses mit einem Messer bedroht. Bereits vorher sei er immer wieder durch aggressives Verhalten aufgefallen, so dass in der Unterkunft ein Klima der Angst herrsche, so Strolo.

Der Mann soll freiwillig in psychosozialer Behandlung sein

Der problematische junge Mann sei freiwillig in psychosozialer Behandlung, die Familie werde vom Jugendamt betreut, um die Mutter und das Baby zu unterstützen, schilderte Stangl. In der Unterkunft in Eching leben 175 Menschen verschiedener Nationalitäten, darunter auch Familien aus Afghanistan. Eine Security ist 24 Stunden anwesend. Dies sei der Grund, warum man den Betroffenen dorthin verlege, sagte Stangl.

Gert Fiedler vom Echinger Helferkreis ist besorgt, dass ein Flüchtling, der in einer Einrichtung mit elf Mitbewohnern nicht zurechtkam, nun in eine Unterkunft mit 175 Menschen umziehen muss. Zudem werde seinen Informationen nach die Security, die für Sauberkeit und Sicherheit in Eching sorge, demnächst abgezogen. Eine absolut unverständliche Maßnahme, kritisiert Fiedler: Die Helfer könnten nicht für die Sicherheit von 175 Menschen sorgen.

Im Pfarrhaus in Haag haben die verbliebenen Bewohner eigene Konsequenzen gezogen. Aus Angst, dass ihr Mitbewohner sie nach der Nachricht von der Verlegung tatsächlich angreifen könnte, werden sie die nächsten Tage bei Freunden und Verwandten unterkommen. Drei Cousins aus Afghanistan im Alter von 16, 18 und 21 Jahren würden einige Tage bei ihrer Tante in München wohnen, zu den Sprachkursen kämen sie natürlich nach Zolling, schildert Strolo.

Habib Amiris Frau soll in München bleiben, bis es in Haag wieder sicher ist

Habib Amiri, ebenfalls Flüchtling aus Afghanistan, der im Pfarrhaus lebt und tagsüber bei einem Fernsehsender in München arbeitet, brachte seine Frau und die 16-jährige Schwägerin zu Verwandten nach München, wo sie bleiben sollen, bis es in Haag wieder sicher ist, wie Amiri sagt. Er hatte den aggressiven Mitbewohner bereits im vergangenen Sommer angezeigt, weil dieser seine Frau massiv bedrohte. Zeugen dafür gab es nicht, daher endete eine Gerichtsverhandlung ohne Verurteilung oder Konsequenzen.

Im Pfarrhaus zurück blieben eine 40-Jährige aus Afghanistan, ihre 83-jährige Mutter und ihr Sohn. Sie seien bisher nicht in den Fokus des aggressiven Mitbewohners geraten, schildert Strolo. Die Situation im Haager Pfarrhaus, wo zwölf Flüchtlinge aus Afghanistan seit einem Jahr zusammen leben und eine Küche gemeinsam nutzen, sei von Anfang an problematisch gewesen, weil der jetzt Beschuldigte immer wieder Mitbewohner angeschrien und bedroht habe, berichten Strolo und Amiri. Die Unterkunft wird von einem Mitarbeiter des Landratsamts betreut, es gab Vermittlungsgespräche und dem aggressiven Flüchtling wurde die Verlegung in eine andere Unterkunft bereits im Sommer schriftlich angedroht. Mehrfach hätten die Mitglieder des Helferkreises darum gebeten, dass er verlegt und betreut werde, da sich besonders die weiblichen Unterstützer im Pfarrhaus nicht mehr sicher fühlen, betont Strolo.

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SZ vom 20.01.2017
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