Süddeutsche Zeitung

"Moosburg im Wandel Zeit":Stalag, Stadtbrand, ein Heiliger und ein eingemauertes Kind

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Ein P-Seminar des Karl-Ritter-von-Frisch-Gymnasiums hat sich anlässlich der 1250-Jahr-Feier der Stadt Moosburg mit deren Geschichte beschäftigt. Das Ergebnis der Arbeiten haben die Schülerinnen und Schüler jetzt im Stadtrat vorgestellt.

Von Alexander Kappen, Moosburg

Lange Tafel, Jubiläumsumzug, Vorträge, Ausstellungen, neue Kanaldeckel - es gab kaum etwas, das es nicht gab zur 1250-Jahr-Feier der Stadt Moosburg. Das Stadtjubiläum, das im vergangenen Jahr gefeiert wurde, durchdrang alle Lebensbereiche und machte vor den Toren des Karl-Ritter-von-Frisch-Gymnasiums nicht Halt, wo sich 14 Schülerinnen und Schüler in einem P-Seminar auf eine Reise in die Vergangenheit begaben und "Moosburg im Wandel der Zeit" genauer unter die Lupe nahmen. Ihre Arbeiten, die ein breites Spektrum von der Entstehung des Kastulusmünsters über die wirtschaftliche Entwicklung ab 1800 bis hin zu diversen Themen rund um das Kriegsgefangenenlager Stalag VII A reichten, stellten die Gymnasiasten jetzt im Stadtrat vor.

Es war ein passender Zufall, dass die Arbeiten just am 30. Januar, dem 90. Jahrestag der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten, vorgestellt wurden. "Damals wie heute ein Montag", stellte der betreuende Lehrer Markus Wellnhofer fest und verwies auf die "menschenverachtende Ideologie" der Nazis, die mit dem Stalag und später den dort angesiedelten Heimatvertriebenen auch in Moosburg ihre Spuren hinterlassen habe: "Das ist ein Beispiel, wie sich Weltgeschichte immer auch auf die Region und die Stadt Moosburg ausgewirkt hat."

Speziell diesem Teil der Moosburger Geschichte widmeten sich gleich mehrere Arbeiten der Gymnasiasten, die dabei auch auf für sie manch neue Erkenntnis stießen. So in einer Arbeit über die Wachmannschaften des Stalag und die dortige Organisation der Lebenswirklichkeit, bei der der Verfasser etwa erfuhr, dass es unter den Wehrmachtsoffizieren des Stalag auch Widerstand gegen die Gestapo bei der Selektierung und Deportation sowjetischer Gefangener gegeben habe, wie er berichtete. Andere Arbeiten befassten sich mit dem Alltag der Kriegsgefangenen aus mehr als 40 Nationen im Stalag und der gravierenden Ungleichbehandlung unterschiedlicher Volksgruppen und Nationalitäten, aber auch mit der Befreiung des Lagers und dem großen Interesse an dem Thema, das in den USA heute noch bei den Nachfahren ehemaliger Gefangener und Befreier herrscht.

Eine Schülerin hat das Einzelschicksal eines Sowjetgefangenen aus der Ukraine beleuchtet, der nach dem Krieg in Moosburg blieb, dort heiratete, später aber nach Kaiserslautern zog und für die US-Armee arbeitete. Thema waren auch die Fluchtgeschichte von Heimatvertriebenen und der infrastrukturelle Wandel in Moosburg nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Heimatvertriebenen inklusive des Neubaus der Piuskirche, der vom damaligen Papst Pius finanziell unterstützt wurde.

Andere Seminararbeiten - alle wurden laut Wellnhofer nach wissenschaftlichen Standards für ein Hochschulstudium im Fach Geschichte erstellt - widmeten sich Ereignissen, Entwicklungen, Plätzen oder Gebäuden aus einer ferneren Vergangenheit. So etwa der Zeit ab dem großen Stadtbrand von 1865, nach dem Moosburg zu einer modernen Stadt wurde. Die Arbeit umfasste den Ersten Weltkrieg und die 1920er-Jahre inklusive Hyperinflation und eigens gedrucktem Notgeld bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs. Eine Schülerin widmete sich der Geschichte des 1084 erstmals urkundlich erwähnten Schloss Asch, in dem der Legende nach ein Vater einst sein uneheliches Kind bei lebendigem Leib in einer Nische einmauern ließ. Dessen Geist soll sich dort heute noch rumtreiben.

Thema waren aber auch der in Moosburg allzeit präsente "Plan", auf dem in früheren Zeiten noch keine Autos standen, sondern eine Burg, die dann abbrannte. Eine Arbeit befasste sich mit dem Heimatmuseum, dessen jetziger Leiter Michael Kerscher ein neues Konzept erarbeitet hat und verstärkt auf Digitalisierung und den Einsatz sozialer Medien setzt. Auch die Baugeschichte des Wahrzeichens der Stadt, des Kastulusmünsters, durfte im Reigen der Seminararbeiten nicht fehlen. Ebenso wenig eine Abhandlung über den Heiligen Kastulus - wobei der zugehörige Kurzvortrag im Stadtrat mit dem Appell an das Gremium schloss, vielleicht doch bitte zu versuchen, die Reliquien des Heiligen Kastulus, die immer noch in Landshut liegen, nach Moosburg zu holen.

Das habe sein Vorvorgänger bereits vergeblich versucht, bemerkte dazu Bürgermeister Josef Dollinger (FW), der sich insgesamt beeindruckt zeigte von den Arbeiten der Gymnasiasten. Johannes Becher (Grüne) ermunterte die Schüler, weiterzumachen mit Geschichte. "Unsere vielfältige Geschichte ist für eine Stadt mit 20 000 Einwohnern nämlich ziemlich einzigartig in Bayern."

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