Süddeutsche Zeitung

Historische Kriminalgeschichten:Tod auf dem Scheiterhaufen

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Zwei Männer plündern 1773 die Rudlfinger Wallfahrtskirche St. Maria im Landkreis Freising. Zur Beute gehören Monstranz, Speisekelch und - eidesstattlich versichert - 210 Hostien. Beide werden öffentlich hingerichtet. Nachlesen kann man das im "Armesünderblatt" in der Bayerischen Staatsbibliothek.

Von Peter Becker, Marzling

Kirchenraub und Hostienfrevel - auf diese beiden Verbrechen stand über viele Jahrhunderte hinweg eine der grausamsten Strafen: das Verbrennen auf dem Scheiterhaufen. Widerfahren ist dies vor genau 250 Jahren, am 2. Oktober 1773, einem 22-jährigen Mann aus der Hallertau. Der war zusammen mit einem Kumpan aus dem Landkreis Erding in die Rudlfinger Kirche bei Marzling eingebrochen. Dabei erbeuteten die Einbrecher mehrere sakrale Gegenstände.

Wie die Gerichtsbarkeit der beiden Halunken habhaft wurde, ist nicht bekannt. Heimatforscher Ernst Keller ist in der Bayerischen Staatsbibliothek auf ein so genanntes Armesünderblatt gestoßen. Dabei handelt es sich um ein Flugblatt, welches unter anderem das unter der Folter erzwungene Geständnis des Delinquenten und das Todesurteil enthält.

Das "Armesünderblatt" erzählt die Geschichte des Haupttäters, eines jungen Mannes, der aus einem heutigen Ortsteil von Au stammt. Georg N. hatte sich 1772 in einem Gehölz bei Dorfen mit einem gewissen Johannes H. getroffen. Dabei hatten sie beschlossen, in der Kreuzwoche, den Bitttagen vor Christi Himmelfahrt, an denen das Kreuz vorangetragen wird, in die Wallfahrtskirche St. Maria in Rudlfing einzubrechen. Den beiden Frevlern schien das ein günstiger Zeitpunkt zu sein. Sie dachten, dass in der Zeit der frommen Bittgänge Geld in dem Gotteshaus zu finden wäre.

Kurz vor Christi Himmelfahrt, damals der 28. Mai 1772, trafen sich die beiden Übeltäter vor der Kirche. Weil die Tür verschlossen war, besorgten sie sich eine Leiter und brachen ein Loch ins Dach, durch das sie sich hineinzwängten. Erstes Ziel war die Sakristei, in die sich die Diebe über ein geöffnetes Fenster Zutritt verschafften. Im Inneren fanden sie einen Schlüsselbund. Der passte zum Schloss eines Kastens, in dem sich Messgewänder befanden. Georg N. stopfte die scheinbar wertvollsten in einen mitgebrachten weißen Sack.

Johannes H. hatte indes bemerkt, dass die unterste Schublade des Kastens nicht versperrt war. Flugs verschwanden ein Kelch und der dazugehörige Teller ebenfalls im Sack. Die Einbrecher setzten ihren Beutezug im Altarraum fort. Mit einem der gefundenen Schlüssel sperrten sie den Tabernakel auf. Ohne Achtung vor dem "hochwertigen Gut", wie es auf dem "Armesünderblatt" heißt, raubten sie nicht nur die Monstranz, sondern auch den Speisekelch, in dem die Hostien aufbewahrt werden. Um den Frevel auf die Spitze zu treiben, verteilte Johannes H. die Hostien auf dem Altar, während sich Georg N. zwei Exemplare in den Mund steckte und demonstrativ verzehrte.

Monstranz, Speisekelch und - eidesstattlich versichert - 210 Hostien verschwanden in einem mitgebrachten blauen Säckchen. Johannes H. zog obendrein einer Madonnenfigur den mit Gold verzierten Mantel und darüber hinaus sämtliche Kleidung aus. Dann verschwanden die beiden Halunken. Als sie die Amper überquerten, besahen sie sich ihre Beute. Das, was sich nur schlecht "versilbern" ließ, warfen sie in den Fluss. Der "churfürstliche hochlöbliche Hofrat allhier in München", das oberste Gerichtsorgan des Landes, bezifferte den angerichteten Schaden in der Rudlfinger Kirche auf etwas 400 Gulden.

Über die Festnahme der Kirchenräuber ist nichts bekannt. Johannes H. sei aber offenbar als Erster gefasst und hingerichtet worden. Für den Kirchenraub musste Georg N. mit einer der schlimmsten Strafen, dem Verbrennen, rechnen. Der damals hochangesehene Rechtswissenschaftler Wiguläus von Kreittmayr hatte 1751 die damals bestehende Rechtsordnung überarbeitet und den Codex Maximilianeus Bavaricus Criminalis verfasst. Der enthielt neben vielen Neuerungen allerdings einige aus heutiger Sicht abstoßende Strafen. Für Kirchenräuber wie Georg N. war das Verbrennen bei lebendigem Leib explizit vorgesehen.

Vollzogen wurde das Urteil auf dem öffentlichen Hinrichtungsplatz in München, der sich vor der damaligen Stadtmauer Münchens befand. Etwa dort, wo heute die Arnulfstraße im Bereich des Starnberger Bahnhofs beginnt.

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