Süddeutsche Zeitung

Sechs Fragen an die Kandidaten:Mehr Lehrer, bessere Bezahlung

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Die sieben Direktkandidaten für den Landtag erläutern ihre Vorstellungen im Bereich der Bildung: Fast alle sprechen sich für Ganztagsschulen aus, um die Kinder unabhängig vom Elternhaus zu fördern.

Wie wollen Sie die Chancengleichheit im Bildungssystem verbessern? Wie stehen Sie zur Ganztagsschule? Wie begegnen Sie dem Lehrermangel?

Florian Herrmann (CSU): Im Landkreis Freising haben wir sämtliche Schularten - von der Grundschule bis zur Exzellenzuniversität; das ist wirklich ein Privileg für die Menschen in unserer Region. Uns ist wichtig, dass jeder Schüler seinen Begabungen entsprechend bestmöglich gefördert und betreut wird. Wir investieren in beste Bildungschancen und die Zukunft unserer Kinder. Die Basis für guten Unterricht sind unsere hochqualifizierten Lehrerpersönlichkeiten. Im vergangenen Jahr haben wir beschlossen, 2000 zusätzliche Stellen quer über die Schularten zu schaffen. Mit der Bildungsoffensive Plus werden wir dies sogar nochmals um 2000 Stellen erweitern.

Für werdende Grundschullehrer haben wir 700 neue Studienplätze geschaffen. Für die Sonderpädagogik sind die Weichen für neue Lehrstühle gestellt. Um möglichst schnell auf Engpässe reagieren zu können, ermöglichen wir Zweitqualifizierungsmaßnahmen. Auch Ganztagsangebote sind ein bedeutendes Element eines chancengerechten bayerischen Schulsystems. Für mich ist aber auch hier die Wahlfreiheit der Eltern wichtig. Wir werden die Ganztagsangebote weiter ausbauen - und schließlich mit dem Bund zusammen den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter umsetzen. Kurz: Bayern gehört zur Spitze im Bereich Bildung und wird es auch bleiben.

Markus Grill (SPD): Ein Anliegen von mir seit Jusozeiten ist der Ausbau von politischer und gesellschaftlicher Bildung in Mittelschule und Realschule. Wir hinken auch in allen drei Schularten in der Ausstattung der Schulen mit moderner EDV hinterher. Eine intensive Schulung von Lehrkörpern im Umgang wie Unterricht mit neuen Medien muss eher gestern als morgen stattfinden. Der Ganztagsschule stehe ich sehr positiv gegenüber. In einer Zeit steigender Anforderungen an junge Menschen wie auch an deren Eltern sollte Ganztagsunterricht (9 bis 16.30 Uhr) keine Ausnahme, sondern die Regel sein. Ich schreibe von Ganztagsunterricht, da es sich nicht um Menschenaufbewahrung handeln darf. Ein solches Konzept muss ganzheitlich angelegt sein. Mit Hausaufgabenbetreuung, Pausen, Sportmöglichkeiten und interessanten Wahlfachmöglichkeiten. Die Vorstufe dazu, die Ganztagsbetreuung, ist bei uns bereits für 2020 in Planung. Dem Lehrermangel ist zu begegnen, indem eine ordentliche Planungspolitik auf die Zahlen Rücksicht nimmt und agiert und nicht reagiert. Eine Arbeitslosigkeit von ausgebildeten Lehrkräften über die Sommerferien mit de facto Kettenzeitverträgen ist mit mir und meiner Partei nicht zu machen und gehört abgeschafft. Lehrergehälter in Grund-, Mittel-, und Realschulen sind denen von Gymnasiallehrern anzupassen.

Benno Zierer (FW): Mit unserer erfolgreichen Initiative zur Abschaffung der Studiengebühren haben wir Freien Wähler einen wichtigen Beitrag zur Chancengerechtigkeit im Bildungssystem geleistet. Wir haben auch den Anstoß dazu geliefert, dass die Staatsregierung den Fehler, das G8 einzuführen, korrigiert hat. Nach den Sommerferien kehrt das neunjährige Gymnasium zurück. Aber es gibt im Bildungsbereich noch viel zu tun. Kleinere Klassen und mehr Lehrer bedeuten bessere Betreuung für alle Schüler - das bedeutet für mich Chancengleichheit. So muss der Freistaat in den kommenden Jahren mindestens 1000 Gymnasiallehrer einstellen, in anderen Schultypen muss ebenfalls aufgestockt werden. Obwohl die Personalsituation überall angespannt ist, finden Hunderte angehende Lehrer nach dem Referendariat keinen Job. Auch die Kettenbefristung von Lehrer-Arbeitsverträgen ist ein Unding.

Die Staatsregierung muss ihr Versprechen einlösen und die Ganztagsangebote in allen Schularten umfassend ausbauen. An der Grundschule erhalten nur 13 Prozent der Kinder ein Angebot im Rahmen der Ganztagsbeschulung. Insbesondere für Kinder im Grundschulalter sollte die Ganztagsgarantie umgesetzt werden. Wir Freien Wähler fordern aus diesem Grund die Einführung eines Rechtsanspruchs.

Johannes Becher (Grüne): Bildung ist der Schlüssel zu einem chancen- und erfolgreichen Leben. Dennoch hängt auch heute noch die Zukunft von Kindern und Jugendlichen oft weniger von Talent und Fleiß, denn von der sozialen Herkunft ab.

Für echte Chancengleichheit brauchen wir kleinere Klassen, mehr individuelle Unterstützung, mehr Lehrerinnen und Lehrer und auch entsprechend mehr Zeit. Auch deswegen unterstütze ich gut konzipierte Ganztagesschulangebote. Natürlich kostet das alles Geld, aber ich bin der Meinung, dass dies im Bildungsbereich an der richtigen Stelle angelegt ist. Zu einem modernen Bildungssystem gehört für mich auch, die Stärken der Kinder zu unterstützen und mehr auf Neugier, denn auf Druck zu setzen. Wichtig ist zudem die flächendeckende Einrichtung von Jugendsozialarbeit an allen Schularten, um Probleme und Risiken frühzeitig zu erkennen und im Bedarfsfall schnell zu helfen.

Der Lehrermangel ist in manchen Bereichen auch ein Lehrerstellenmangel, denn es gibt auch arbeitslose Lehrerinnen und Lehrer. Hinzu kommt die inakzeptable Praxis, dass ein Teil der Lehrerinnen und Lehrer nur befristete Verträge bekommt und zum Beginn der Sommerferien entlassen wird. Im Grundschulbereich ist der Lehrermangel durch die deutlich niedrigeren Löhne im Vergleich zu anderen Schularten auch ein Stück weit hausgemacht und dementsprechend muss hier angesetzt werden.

Jens Barschdorf (FDP): Wir brauchen endlich wieder Ruhe im Bildungssystem. Das ständige Verändern von Schullänge und Inhalt sorgt nicht für bessere Bildungsqualität. Wir müssen in Bayern endlich anfangen, alle Schulformen stärker zu fördern. Der Fokus rein auf das Gymnasium bringt uns nicht weiter. Die Qualität der Mittel- und Realschulen muss wieder mehr Beachtung finden. Damit aber Bildung nicht mehr so stark vom Elternhaus abhängt, brauchen wir Ganztagsschulen und einen Rechtsanspruch auf einen entsprechenden Platz. Wir brauchen in allen Schulformen mehr Informationen und mehr Interaktion mit der Wirtschaft, unter anderem mit mehr Praktika, um den Schülern die vielfältigen Möglichkeiten nach einem Schulabschluss vor Augen zu führen.

Lehrermangel herrscht vor allem in den naturwissenschaftlichen Fächern und in bestimmten Schulformen. Wir müssen die Attraktivität, gerade diese Fächer zu studieren, erhöhen, dazu gehört auch ein Schwerpunkt auf diese Fächer während der Schulzeit. Ein stärkerer Einsatz neuer Techniken an Schulen ist auch hierfür dringend erforderlich. Meine Patenkinder haben mir erzählt, wie toll sie Mathe und Physik fanden, als diese auch mit interaktiveren Mitteln erklärt wurden. Moderne Unterrichtsformen können helfen, diese Fächer attraktiver zu machen.

Felix Bergauer (ÖDP): Laut Pisa-Studie(n) ist in keinem anderen vergleichbaren Industriestaat der Welt die Abhängigkeit von sozialer Herkunft und Schulerfolg so ausgeprägt wie in Deutschland, insbesondere in Bayern. Schuld an dieser Situation ist laut Bildungswissenschaftlern die frühe Selektion im dreigliedrigen Schulsystem. Die zu frühe Übertrittsentscheidung hält die ÖDP für falsch und fordert eine gemeinsame Schulzeit bis einschließlich zur sechsten Jahrgangsstufe und tendiert zur Zweigliedrigkeit, wo es neben dem Gymnasium nur eine zweite Schulform gibt. Dabei muss größtmögliche Durchlässigkeit gegeben sein; unabhängig von der zunächst gewählten Schulform soll zu einem späteren Zeitpunkt noch jede Bildungskarriere möglich sein. Immer mehr Bundesländer sprechen sich dafür aus. Unterschiedliche Vorbildung in den Elternhäusern und immer häufiger auftretende Lernstörungen und soziale Problemen erfordern intensivere erzieherische Bemühungen und eine stärkere Differenzierung. Jedes Kind muss ein Anrecht auf bestmögliche Förderung bekommen, daher fordern wir Klassenstärken von 20 Kindern beziehungsweise Jugendlichen und eine zweite pädagogische Kraft in jeder Grundschulklasse, um leistungsfähigen Schülern zusätzliche Anregungen zu vermitteln oder hilfsbedürftigen Schülern den Stoff nahezubringen.

Langfristig muss der Lehrkräftebedarf so geplant werden, dass es nicht mehr zu Lehrermangel kommt. Der Ausbau der Ganztagsschule ist weitgehend Konsens, wobei auch der Betreuung der Kinder durch die Eltern mehr Beachtung geschenkt werden sollte.

Guido Hoyer (Die Linke): Die Linke steht für gute Bildung statt sozialer Auslese und Vererbung von Bildungschancen. Wir setzen auf eine zehnjährige gemeinsame Schule für alle, wie in den skandinavischen Ländern. Denn es kann nicht sein, dass ein Zehnjähriger, beziehungsweise seine Eltern, entscheiden müssen, ob er Arzt werden will oder Elektriker. Wir haben viel zu hohe Zahlen von Schulabbrechern, zum Beispiel schaffen nur zwei Drittel der Kinder, die das Gymnasium besuchen, das Abitur. Das hängt damit zusammen, dass das Bildungssystem nicht mit der Realität des Familienlebens Schritt hält: Wenn beide Eltern arbeiten und ihr Kind nicht bei den Hausaufgaben betreuen können, droht die Gefahr des Schulabbruchs. Oder es müssen teure Nachhilfestunden "gekauft" werden. Alternative ist die gebundene Ganztagsschule, eine Schule, die nicht nur "Verwahranstalt" ist, sondern die ganztägige Förderung durch Fachpersonal sicherstellt.

Bayern gibt von allen Bundesländern prozentual am wenigsten für Bildung aus. Wir wollen die Erhöhung des Bildungsetats auf sieben Prozent des Landeshaushalts. Dann kann Inklusion mit mehr Personal und kleineren Klassen gelingen. Die Einkommensunterschiede zwischen Lehrerinnen und Lehrern der verschiedenen Schularten wollen wir abschaffen und alle gleichwertig und besser bezahlen.

Bernhard Kranich (AfD): Eine Chancengleichheit ist dann gewährleistet, wenn die Klassen generell verkleinert werden und pro Schulklasse mehr Lehrkräfte zur Verfügung stehen. Dass begüterte Eltern über mehr Bildung und finanzielle Mittel zur Förderung ihrer Kinder verfügen, ist eine Binsenweisheit und das lässt sich nur bedingt ausgleichen über eine intensivere Betreuung in der Schule. Ganztagsschulen erleichtern zwar den Eltern die Arbeitsaufnahme und die Vereinbarkeit mit dem Beruf, führen aber langfristig zu einer Entfremdung von den Eltern, da diese dadurch noch weniger Zeit mit ihren Sprösslingen verbringen.

Ein wesentliches Hemmnis für Absolventen, den Lehrerberuf zu ergreifen, sind die immer mehr zunehmenden befristeten Arbeitsverhältnisse. Wenn junge Lehrer regelmäßig nur für ein Schuljahr beschäftigt werden und zu Beginn der Ferien arbeitslos werden, können diese keine Lebens- und Familienplanung betreiben, zumal sie mit häufigen und kurzfristigen Versetzungen an andere Schulorte rechnen müssen. Hier muss der Staat als Arbeitgeber mehr Verantwortung übernehmen.

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Quelle:
SZ vom 07.09.2018
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