Süddeutsche Zeitung

Prozess um versuchten Hammer-Mord:Auf der Suche nach Anhaltspunkten

Lesezeit: 3 min

Ein 42-Jähriger aus Kanada soll versucht haben, wegen Scheidungsstreitigkeiten seinen Schwager in Moosburg zu töten. Das Gericht muss auch entscheiden, wie Auffälligkeiten beim Einchecken im Hotel und ausgewertete Chatnachrichten zu werten sind.

Von Alexander Kappen, Landshut/Moosburg

War es ein heimtückischer Mordversuch oder eine eher handelsübliche Schlägerei, in deren Verlauf das Opfer einen Hammer auf den Kopf bekam und erheblich verletzt wurde? Diese Frage muss derzeit die als Schwurgericht zusammengekommene erste Strafkammer des Landshuter Landgerichts klären. Am zweiten Verhandlungstag sagte ein Beamter der Kriminalpolizei als Zeuge aus. Unter anderem ging es dabei um die Auswertung des Handys des Angeklagten, dem vorgeworfen wird, dass er im vergangenen November mit einem Zimmerer-Hammer seinen Schwager auf dessen Anwesen in Moosburg vorsätzlich umbringen wollte. Thematisiert wurden auch Auffälligkeiten bei einer Hotelbuchung durch den Angeklagten.

Laut Anklage soll der 42-jährige Angeklagte, der in der Türkei geboren wurde, in Deutschland aufgewachsen ist und seit vielen Jahren als selbständiger Bauunternehmer mit seiner Familie in Kanada lebt, seinen Schwager wegen Vermögensstreitigkeiten aus dem Hinterhalt mit dem Hammer angegriffen haben. Die in Moosburg lebende Schwester des Angeklagten befand sich damals gerade im Scheidungsverfahren mit dem Geschädigten. Dieser erlitt bei dem Hammerschlag, den er mit der Hand noch teilweise abwehren konnte, unter anderem eine Riss-Quetsch-Wunde am Kopf, eine Fraktur der Schädelkalotte und eine Rippenprellung. Er leidet laut Anklage psychisch noch an den Folgen der Tat, hat Kopfschmerzen und Schwindelattacken und kann bis heute nicht arbeiten.

Der Angeklagte hatte am ersten Verhandlungstag über seinen Anwalt erklären lassen, er habe seinen Schwager, der mit ihm nicht mehr über die Scheidung reden wollte, mit dem Hammer nur zu einer Aussprache zwingen wollen. Der Schwager sei bei der Begegnung vor dessen Haus zuerst auf ihn losgegangen und im Laufe der anschließenden Rangelei verletzt worden. Dass es zu der Auseinandersetzung gekommen sei, sei aber ganz allein seine Schuld, gab der Angeklagte zu.

Ein als Zeuge geladener Polizist war nach der Tat für eine Video-Nachstellung am Tatort zuständig. Unter Anleitung des Opfers sei mit Kollegen das Geschehen nachgespielt worden - so, wie der Geschädigte es berichtet habe. Dabei habe "der Geschädigte auf mich persönlich schon einen sehr betroffenen Eindruck gemacht", sagte der Polizist. Nach Angaben des Opfers sei es ein "ansatzloser Schlag" mit der spitzen Seite des Hammers gewesen: "Er hat gesagt, er habe gerade noch die Hand dazwischen bekommen, sonst hätte ihn der Hammer voll am Kopf getroffen." Der Angeklagte seinerseits habe bei der Verhaftung gefragt, warum er denn festgenommen werde, es habe sich schließlich nur um eine "normale" Schlägerei gehandelt.

Das Gerangel und die gegenseitigen Schläge, so der Zeuge, zogen sich "durch den ganzen Garten bis hinaus vor das Tor". Auf die Geschehnisse wurden auch die Nachbarn aufmerksam, die schließlich die Polizei verständigten. Der Polizist sprach von zwei Notrufen, in denen die Rede davon gewesen sei, "dass draußen eine Schlägerei stattfindet". Bei der Aufzeichnung eines Notrufes höre man im Hintergrund den Satz "Hilfe, Polizei!". Er bilde sich ein, so der Polizist, "dass es die Stimme des Geschädigten war".

"Komm und zeig dich dem", schrieb die Schwester des Angeklagten vor der Tat

Im Chatverlauf des Angeklagten hat die Polizei nach der Tat auch eine Nachricht des 42-Jährigen an seine Frau gefunden. Der Wortlaut, so der Zeuge, war: "Schlägerei passiert. Glaube, die Polizei sucht mich. Habe keinen festen Schlafplatz." Die Schwester des Angeklagten soll ihm laut Auswertung vor der Tat geschrieben haben: "Komm und zeig dich dem." Wie dieser Satz zu werten ist, muss nun die Kammer um den Vorsitzenden Richter Ralph Reiter entscheiden. Die Schwester des Angeklagten wird wohl nicht zur Aufklärung beitragen. Als nahe Verwandte mache sie dem Vernehmung nach von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch, teilte der Vorsitzende mit.

Der als Zeuge geladene Polizist berichtete auch von den Ermittlungen in einem Landshuter Hotel, in dem sich der aus Kanada eingereiste Angeklagte vor der Tat eingemietet hatte. Beim Einchecken habe er wohl "eine Adresse angegeben, die nicht seine Wohnadresse war". Das hätten seine Kollegen ermittelt. Und auf einer Liste sei die Nummer des vom Angeklagten gebuchten Zimmers durchgestrichen und durch eine andere ersetzt worden. Der Wahlverteidiger des 42-Jährigen trat dem möglicherweise aufkommenden Verdacht, sein Mandant habe etwas vertuschen wollen, entschieden entgegen. Dieser habe sich schlicht mit seiner Firmenadresse eingebucht, das sei ganz leicht nachprüfbar. Der Prozess wird fortgesetzt.

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