Süddeutsche Zeitung

Kommunalwahl:Menschen mit Behinderung: Auch sie haben nun die Wahl

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Im März 2020 dürfen Menschen mit geistigen Einschränkungen zum zweiten Mal an die Urnen gehen, die Stadt Freising überarbeitet gerade das Wählerverzeichnis. Bei der Lebenshilfe begrüßt man die Regelung.

Von Birgit Goormann-Prugger, Freising

Wenn am 15. März 2020 die Kommunalwahlen stattfinden, dann soll in der Stadt und im Landkreis Freising nach Möglichkeit jeder von seinem Grundrecht, wählen zu gehen, Gebrauch machen können, auch Menschen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen. Im Finanzausschuss des Freisinger Stadtrats hatte sich Freisings Zweite Bürgermeisterin Eva Bönig kürzlich danach erkundigt, wie dies denn in der Stadt Freising sichergestellt werde. Christl Steinhart, Pressesprecherin der Stadt Freising, konnte auf Nachfrage der SZ zu diesem Thema schon mal so viel sagen: Nahezu alle Wahllokale in der Stadt würden barrierefrei zu erreichen sein. Bei den wenigen Ausnahmen, das seien wohl zwei oder drei, werde Gehbehinderten wie bei den bisherigen Wahlen von den Wahlhelfer-Teams vor Ort geholfen.

Direkt damit befasst ist Michael Eberwein, Leiter des Freisinger Bürgerbüros, der derzeit die Kommunalwahlen in der Stadt Freising vorbereitet. Gerade ist er laut eigenen Aussagen dabei, die Wahlhelferteams für die Wahllokale zusammenzustellen. Aus Erfahrung kann er berichten, dass die Wahlhelfer wohl auch bei diesen Wahlen nicht sehr oft jemandem werden helfen müssen, der in seiner Mobilität eingeschränkt ist. "Das kam in der Vergangenheit eher selten vor", so Eberwein. Wohl auch aus dem Grund, weil man mittlerweile ganz bequem per Briefwahl zuhause seine Stimme abgeben kann. Die Unterlagen für die Briefwahl könne man mittlerweile bei der Stadt Freising ohne Angabe von Gründen anfordern. Früher habe man seine Abwesenheit am Wahltag begründen müssen, mit einer Reise oder ähnlichem. Dennoch sei man in den Wahllokalen natürlich vorbereitet auf Menschen mit Mobilitätseinschränkungen, so Eberwein weiter.

Wer gehbehindert ist oder im Rollstuhl sitzt, der könne eine Begleitperson mitnehmen oder einen der Wahlhelfer um Hilfe bitten, beispielsweise wenn der Stimmzettel zu groß ist. Auch Menschen, die blind sind, könnten an der Wahl teilnehmen. Eine Person ihres Vertrauens müsse dann den Wahlzettel vorlesen. Das geht natürlich auch zuhause per Briefwahl.

Früher durften Menschen mit geistiger Behinderung nicht wählen

Womit Michael Eberwein derzeit auch beschäftigt ist, ist die Überarbeitung des Wählerverzeichnisses der Stadt Freising, Laut Paragraf 13 des Bundeswahlgesetzes war nämlich früher von Wahlen ausgeschlossen, wer seine Angelegenheiten auf Grund von einer geistigen Behinderung nicht selbst regeln kann und deshalb in allen Bereichen eine Betreuerin oder einen Betreuer zur Seite gestellt bekommen hat. Diese Menschen brauchen Hilfe bei Behördengängen und sind meist auch nicht geschäftsfähig. Betroffen davon sind mehr als 80 000 Menschen in Deutschland.

Das Bundesverfassungsgericht hatte am 21. Februar 2019 den Ausschluss von in allen Angelegenheiten betreuter Menschen von Wahlen für verfassungswidrig erklärt. An der Europawahl im Mai konnten die Betroffenen bereits teilnehmen, allerdings hatten sie dafür vorher einen entsprechenden Antrag stellen müssen. Das müssten sie nun nicht mehr tun, so Eberwein. Im Stadtgebiet von Freising gebe es etwa 90 Bürger mit Betreuung in allen Angelegenheiten. Die würden derzeit ins Wählerverzeichnis aufgenommen.

Positiv aufgenommen wird das von Christian Then von der Freisinger Lebenshilfe. Schon bei der Europawahl im Mai hatte er für den betroffenen Personenkreis Infoveranstaltungen organisiert. Da sei dann in einfacher Sprache beispielsweise erklärt worden, was Europa eigentlich ist und wer dazu gehört. "Wir planen eine solche Informationsveranstaltung auch wieder Anfang März für die Kommunalwahlen. Diese Wahl interessiert die Menschen auch mehr", sagte Then.

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Quelle:
SZ vom 12.11.2019
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