Süddeutsche Zeitung

Interview zu Moratorium:Nur den Status quo beschlossen

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Michael Buchberger aus Attaching war einer der Kläger im Startbahnprozess. Dass es nach dem Moratorium für ihn und seine Familie weitergeht wie bisher, hat ihn enttäuscht. Doch "es nimmt ein Stück Druck", sagt er.

Interview von Petra Schnirch, Freising

Das von CSU und Freien Wählern ausgehandelte Moratorium hat bei den Startbahngegnern im Landkreis für Empörung gesorgt, hatte FW-Chef Hubert Aiwanger zuvor doch vollmundig angekündigt, das Projekt beerdigen zu wollen. Die SZ sprach mit Michael Buchberger, der in der Bürgerinitiative Attaching sehr aktiv ist und einer der Kläger im Startbahn-Prozess war, über die aktuelle Situation.

SZ: Was war Ihr erster Gedanke, als die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen der Freien Wähler mit der CSU vorgestellt wurden?

Buchberger: Die haben sich über den Tisch ziehen lassen - weil nur der Status quo beschlossen wurde. Es gibt nicht das kleinste Signal, dass es nicht so weitergeht wie bisher, das hat mich enttäuscht. Ob die Freien Wähler wirklich eine völlige Rücknahme des Planfeststellungsbeschlusses hätten erreichen können, das ist fraglich. Ich hätte mir aber schon erwartet, dass sie beispielsweise einbringen, dass der Flughafen Airlines nicht länger subventionieren darf, damit sie nach München kommen und neue Strecken aufmachen, unabhängig von der Notwendigkeit.

Was bedeutet die aktuelle Situation für Sie und Ihre Familie?

Für uns geht es halt weiter wie in den vergangenen 13 Jahren. Solche Situationen haben wir schon öfter erlebt. Während des Gerichtsverfahrens hatten wir mal die Hoffnung, dass das Projekt dritte Startbahn beerdigt wird, auch als Ministerpräsident Horst Seehofer in Attaching war. Aber selbst wenn der Planfeststellungsbeschluss ewig in der Schublade liegt - ich glaube nicht, dass die Startbahn gebaut wird. Es gibt keinen Bedarf und auch die ganze Diskussion um Umwelt, Nachhaltigkeit und Stickoxide spricht dagegen. Das ist mit ein Grund, warum wir uns entschlossen haben, am Haus anzubauen, weil unsere Wohnung zu klein geworden ist. Das Risiko gehen wir jetzt ein.

Was würde es für Ihre Familie bedeuten, wenn die dritte Startbahn doch käme?

Laut Planfeststellungsbeschluss wären es 78 Flieger täglich, die in 200 bis 500 Meter Höhe über unser Haus gehen würden. Die Dachziegel müssten angeschraubt werden und für die Kinder wäre es wegen der Wirbelschleppen eher gefährlich, draußen zu spielen. Ich glaube, dass ein menschenwürdiges Wohnen dann nicht mehr möglich wäre.

Aber dank des Moratoriums können Sie nun doch zumindest für fünf Jahre durchschnaufen?

Auf alle Fälle, es gibt aber Licht und Schatten. Für uns persönlich ist es gut, weil es ein Stück Druck nimmt und Sicherheit gibt. Es wird aber schwierig sein, das Thema dritte Startbahn präsent zu halten. Ich glaube, diese Präsenz über die vergangenen 13 Jahre war entscheidend dafür, dass es eine politische Meinung gegen das Projekt gibt, wie der Münchner Bürgerentscheid gezeigt hat. Die Wahlergebnisse in der Region Freising und in ganz Bayern belegen, dass die Leute ein "Weiter so" nicht wollen.

Wird die Bürgerinitiative aktiv bleiben?

Die Bürgerinitiative bleibt aktiv, wir wollen das Drachenfest weiterhin veranstalten und die politische Situation und die Entwicklung am Flughafen kritisch begleiten. Einen Hebel gäbe es zum Beispiel bei Kurzstreckenflügen, weil es in München viele innerdeutsche Verbindungen gibt. Flüge unter 400 Kilometer kann man spielend durch die Bahn ersetzen. Sämtliche interkontinentale Wachstumsfantasien des Flughafens könnten dann mit den zwei Bahnen leicht erfüllt werden.

Ist das Thema Startbahn immer präsent oder gibt es noch ein normales Dorfleben?

Ja, zum Beispiel beim Dorffest. Einige sind weggezogen, die mit der Situation nicht umgehen konnten. Es ist ein sehr, sehr großer Zusammenhalt im Dorf - denn die, die da sind, wollen bleiben. Zwischendurch aber ist das Thema sehr präsent, zum Beispiel vor der Wahl oder jetzt, bei der Diskussion über das Moratorium.

Wie lang beschäftigen Sie sich schon mit dem Thema Startbahn?

Seit August 2005, seit es die ersten Planungen gibt. Ich war einer der Kläger, jetzt ist noch eine Verfassungsbeschwerde anhängig. Ich denke, dass man auf das, was wir an Umwelt und Lebensräumen in der Region haben, besser aufpassen muss.

Wie viel Freizeit frisst Ihr Engagement?

In ruhigen Zeiten sind es ein, zwei Stunden in der Woche, in stressigen waren es auch schon ganze Abende und Wochen. Speziell während des Gerichtsverfahrens war es extrem, weil ich die kompletten Leitzordner durchgearbeitet und mit den Anwälten diskutiert habe.

Was machen Sie, wenn Sie in solchen Phasen abschalten wollen?

Dann fahre ich eine Runde mit dem Rad oder gehe laufen. Ich bin ein ausgeglichener Mensch, ich brauche dann einfach ein bisschen mehr Ruhe, vielleicht mal eine Stunde vor dem Kamin.

Haben Sie schon überlegt, aus Attaching wegzuziehen?

Hatten wir. Im Zuge der Bauentscheidung haben wir mit uns gehadert. Aber wir haben hier unser soziales Umfeld. Das ist unsere Heimat. Da müsste schon etwas sehr Schwerwiegendes passieren.

Ein Startbahnbau zum Beispiel?

Das will ich nicht ausschließen. Man braucht eine gewisse Lebensqualität und ein soziales Umfeld. Mit einer dritten Startbahn würde sich das auflösen, weil die Hälfte der Ortschaft im Entschädigungsgebiet liegt, viele würden wegziehen. Es gäbe keinen Sportverein mehr, weil man im Freien keinen Sport mehr machen kann. Das ganze soziale Umfeld würde zerfallen.

Wie haben Sie es geschafft, dass Sie sich nie wirklich entmutigen ließen?

Ich bin von Haus aus Optimist. Ich habe immer schon gesagt, das wird für uns gut ausgehen. Die Niederlage nach dem Gerichtsverfahren oder auch die Enttäuschung, als Horst Seehofer nach dem Besuch in Attaching umgefallen ist, hat mich viel mehr mitgenommen als jetzt das Moratorium.

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Quelle:
SZ vom 12.11.2018
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