Süddeutsche Zeitung

Krebserregende Stoffe in der Kiesgrube:Gefahr für das Grundwasser

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In einer Kiesgrube bei Haag wurden offenbar asbesthaltiges Material und Straßenaufbruch, der Polycyclische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) enthält, entsorgt. Das Landratsamt ordnet eine Untersuchung an.

Von Peter Becker, Haag

Wütend steht der Bauunternehmer Gerhard Hermann auf einer Wiese nahe einer Kiesgrube am Ortsrand von Plörnbach in der Gemeinde Haag im Landkreis Freising. Entrüstet zeigt er in Anwesenheit eines Rechercheteams des Bayerischen Rundfunks und der Süddeutschen Zeitung auf einen Fettkübel, einen Altreifen und Scherben, die Asbest enthalten sollen. Nichts was unbedingt in eine Kiesgrube gehört, sondern eher auf eine Sonderdeponie. Verantwortlich macht er für den Missstand seinen Pächter, einen Bauunternehmer aus dem Landkreis.

Seitdem er ein Gutachten hat erstellen lassen und Fotos gemacht hat, die beweisen sollen, dass das Verfüllmaterial mit Plastik und Styropor durchsetzt ist, lässt ihn sein Pächter noch nicht einmal mehr auf die Kiesgrube, die er 2019 gekauft hat. Vom Landratsamt fühlt er sich im Stich gelassen. Das hatte bislang nicht auf seine Aufforderung reagiert, dort mal nach dem Rechten zu sehen.

Konkret lagen und liegen dem Landratsamt keine Erkenntnisse vor, die weitergehende Maßnahmen rechtfertigen würden, hieß es. Kurz vor dem Abschluss der Recherchearbeiten signalisiert das Landratsamt, jetzt doch eine Untersuchung der Grube zu planen. Über das weitere Vorgehen werde dann entschieden. Der verdächtigte Bauunternehmer lässt indes über seine Anwältin mitteilen, er habe stets vorschriftsgemäß verfüllt.

Die Kiesgrube

Nach Auskunft des Landratsamts betreibt das Unternehmen des Pächters seit 1998 auf den entsprechenden Grundstücken einen genehmigten Trockenabbau mit Wiederverfüllung. Zugelassen ist nur unproblematisches Boden- und Bauschuttmaterial, das keine nichtmineralische Stoffe enthalten darf. Bei einer Untersuchung eines alten, bereits verfüllten Teils der Kiesgrube stellte sich heraus, dass dort offenbar asbesthaltiges Material und Straßenaufbruch, der Polycyclische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) enthält, entsorgt worden ist. Beides gilt als krebserregend. Schon in der Vergangenheit waren immer wieder Verstöße gegen die Verfüllvorschriften auf dem Grundstück festgestellt worden.

Der Käufer

Der 54-jährige Gerhard Hermann ist im Großraum München im Bereich von Erd- und Abbrucharbeiten aller Art tätig. Anfang 2018 war seiner Schilderung nach ein Berater des Pächters aus dem Landkreis Freising an ihn herangetreten und hatte ihm dessen Abbau- und Verfüllrechte zum Kauf angeboten. Der hatte sie vor vielen Jahren nach einer Vereinbarung vom Vater eines in der Nähe ansässigen Landwirts erworben. Dem gehört die benachbarte alte Grube, die bereits verfüllt ist.

Der Sitz von Hermanns Unternehmen liegt zwar im Münchner Süden, doch die Kiesgrube liegt strategisch günstig für ihn. Er will sie zur Verfüllung nutzen, um Aufträge aus dem Raum Ingolstadt, Wasserburg, Garmisch und Augsburg zu erhalten. Eine Begutachtung der von ihm erworbenen Grube war nach Hermanns Ansicht nicht nötig. "In dem Teil hatte die Verfüllung ja noch nicht begonnen", sagt er. "Da es sich bei der Kiesgrube um eine Anlage handelt, die der Überwachung durch das Landratsamt Freising unterliegt, bin ich davon ausgegangen, dass insofern ein ordnungsgemäßer Betrieb durch regelmäßige Kontrollen sichergestellt wird", erklärt Herrmann. "Leider lag ich da falsch."

Verkaufen will der Bauunternehmer die Kiesgrube auf keinen Fall. "Vielmehr möchte ich erreichen, dass die Grube ordnungsgemäß betrieben wird und mögliche Umweltgefahren ermittelt werden." Ihm selbst habe der Unternehmer aus dem Landkreis das Betreten der eigenen Grube verboten. "Der Ball liegt jetzt beim Landratsamt Freising als Überwachungsbehörde, das aber trotz der zahlreichen Hinweise bislang untätig geblieben ist." Natürlich geht es Hermann um die Vermeidung eines wirtschaftlichen Schadens. Es könne nicht sein, dass er im Falle einer Sanierung zur Verantwortung gezogen würde, der aus seiner Sicht eigentliche Verursacher aber nicht.

Das Landratsamt

Im Landkreis Freising gibt es nach Auskunft des Landratsamts etwa 70 Kiesgruben. Die Kontrolle erfolgt gemeinsam durch die Behörde und die technische Gewässeraufsicht des Wasserwirtschaftsamts in München. In der Plörnbacher Grube sei eine Verfüllung von Boden und Bauschutt bis zur Belastungsklasse Z1.1 erlaubt. Das bedeutet, dass selbst unter ungünstigen hydrogeologischen Bedingungen das Grundwasser nicht belastet wird.

Der Bericht der Gutachterfirma, welches das Verfüllen mit unerlaubtem Abfall beweisen soll, liegt dem Landratsamt seit dem 21. Januar vor. Die Behörde beanstandet, dass bei der Aushebung der Schurfe keine fachgutachterliche Begleitung erfolgt sei. Dies sei bei altlastentechnischen Untersuchungen erforderlich. Es seien nur die festgestellten Schurfe und Haufwerke beschrieben worden.

Das Landratsamt kommt zu dem Schluss, dass eine fachliche Beurteilung nicht möglich sei. Im eingebauten Zustand sei das asbesthaltige Material als bodenschutzrechtlich unbedenklich einzustufen. Regelmäßige Grundwasseruntersuchungen hätten keinen Hinweis auf eine Beeinträchtigung der Grundwasserqualität durch toxische Stoffe ergeben. Das Landratsamt hat den mutmaßlichen Abfallerzeuger aufgefordert, wie in anderen Fällen zuvor unsachgemäß abgelagertes Material ordnungsgemäß zu entsorgen.

Das Landratsamt Freising und die technische Gewässeraufsicht des Wasserwirtschaftsamtes München haben seit der Genehmigung des Trockenkiesabbaus mit Wiederverfüllung im Jahr 1998 den betroffenen Betrieb regelmäßig überwacht. Festgestellte Verstöße wurden in Zusammenarbeit mit dem Wasserwirtschaftsamt München moniert und das beanstandete Material wurde in der Regel entfernt und entsorgt. "Zu einer Grundwassergefährdung kam es im gesamten Zeitraum nicht", teilt das Landratsamt mit. "Der Vorwurf ist für uns deshalb so nicht nachvollziehbar." Auch seien keine toxischen Stoffe im Grundwasser festgestellt worden.

Das Landratsamt räumt ein, gegen das Unternehmen aus dem Landkreis Zwangsgelder angeordnet zu haben. Diese seien aus rechtlichen Gründen reduziert worden. Der beanstandete Verfüllbereich sei im Geltungsbereich des Genehmigungsbereichs aus dem Jahr 2007 gelegen und nicht wie angenommen in dem aus dem Jahr 2018. Das Fazit der Behörde lautet: "Konkret lagen und liegen dem Landratsamt Freising keine Erkenntnisse vor, die weitergehende Maßnahmen rechtfertigen würden." In dieser Ansicht wird die Behörde von der Regierung von Oberbayerns bestätigt.

Das Bauunternehmen

Birgit Stede, Rechtsbeistand des Pächters aus dem Landkreis Freising, teilt mit, dass das Unternehmen entsprechend der in den Genehmigungen umgesetzten Anforderungen des Verfüll-Leitfadens arbeitet. Entsprechend würden die Anforderungen an die Eigen- und Fremdüberwachung sowie die Grundwasserüberwachung umgesetzt.

Die Schurfe im März 2020 seien noch unter fachlicher Begleitung erfolgt. Danach wurden diese Schurfe aber monatelang offengehalten. Erst einige Monate später wurden weitere Schurfe angelegt beziehungsweise die bestehenden vertieft. Ob dies fachgerecht erfolgte, "entzieht sich unserer Kenntnis". Ferner seien diese Schurfe über mehrere Tage lang offen gelegen. Es könne somit nicht ausgeschlossen werden, dass hier Materialien hinzugefügt worden seien.

"Ferner wäre zu prüfen, ob überhaupt für die Umwelt, so insbesondere den Boden und das Grundwasser, relevante Mengen der angeblich vorgefundenen Fehlchargen enthalten waren", gibt Stede zu bedenken. "Nach hiesiger Kenntnis und den hier vorliegenden Unterlagen gab es diesbezüglich keine Beanstandungen."

Es sei zu prüfen, in welcher Tiefe die Schurfe angelegt und aus welchen Tiefen die jeweiligen Proben genommen wurden. Denn bei der benannten Flurnummer handele es um eine Altdeponie, die seit Anfang des 20. Jahrhunderts zunächst als typische ehemalige "Bürgermeisterdeponie" betrieben wurde. Erst wesentlich später sei die Verfüllung der verbleibenden Abgrabung entsprechend des Verfüll-Leitfadens genehmigt worden. "Möglicherweise wurden im Zuge der Entnahme der Schurfe die Altablagerungen angeschnitten" mutmaßt Stede. Das Landratsamt hat sich jetzt dazu entschlossen, die bereits rekultivierte Fläche der Kiesgrube genauer untersuchen, um Grundwassergefährdungen auszuschließen.

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Quelle:
SZ vom 13.03.2021
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