Süddeutsche Zeitung

Hochschulen in Freising:Neuer Schub für die Moorforschung

Lesezeit: 4 min

Das "Peatland Science Centre" an der HSWT in Weihenstephan will die wissenschaftliche Basis für die Entwicklung und Wiederherstellung von Mooren verbessern. Denn deren Erhalt ist ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz.

Von Petra Schnirch, Freising

In Bayern geht es den Mooren noch etwas besser als in anderen Bundesländern, doch auch hier ist ein Großteil der 220 000 Hektar Moorböden entwässert. Acht Prozent der bayerischen Treibhausgas-Emissionen kommen aus solchen Flächen. Nicht nur für die Biodiversität, sondern insbesondere für den Klimaschutz ist es deshalb wichtig, sie wieder zu vernässen. Das ist allerdings nicht so einfach, wie es für den Laien vielleicht klingen mag. Die wissenschaftliche Basis dazu soll das neu gegründete Peatland Science Centre oder Moorforschungszentrum an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT) leisten, das am Freitag eröffnet wurde.

Zahlreiche Redner hoben bei dem Festakt, zu dem etwa 240 Gäste gekommen waren, im Löwentorgebäude hervor, wie wichtig diese Aufgabe ist, in Wissenschaft und Politik besteht darüber inzwischen Konsens. John Schellnhuber, emeritierter Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, das er 1992 gegründet hat, machte sehr eindringlich deutlich, dass keine Chance bestehe, den Temperaturanstieg durch den Treibhauseffekt auf eineinhalb Grad zu begrenzen, auch die Zwei-Grad-Schwelle werde überschritten, prognostizierte er. Neuer Ehrgeiz müsse es sein, dass die Kurve möglichst flach bleibe und der Zeitraum über dieser roten Linie möglichst kurz. Mit dem Peatland Science Centre sei ein "großer Wurf gelungen", sagte er.

Wie groß der Unterschied zwischen nassen und trockengelegten Moorböden ist, demonstrierte das Team von Matthias Drösler, dem Leiter des neuen Zentrums und Professor für Vegetationsökologie an der HSWT, in einem kurzen Versuch. In zwei Glaszylindern befanden sich etwa 60 Zentimeter tiefe Bodenproben aus dem Freisinger Moos. Eine war im Gefäß wiedervernässt worden, die andere entsprach dem trockengelegten Zustand des Moors. Mit Hilfe von Messhauben, die Drösler für seine Arbeit eigens entwickeln ließ, kann die CO₂-Konzentration, die ausstrahlt, erfasst werden. Der Unterschied war eklatant. Während sich die Kurve bei Probe eins nur ganz leicht nach oben bewegte, schnellte sie bei Nummer zwei schlagartig hoch, die Emissionen waren etwa fünf Mal so hoch.

Matthias Drösler ist einer der Moorexperten in Deutschland. Er forscht schon lange zur Bedeutung der Moore für Ökologie und Klimawandel, zunächst an der TU München, seit 2011 an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. Intakte Moore sind CO₂-Senken, das heißt, sie nehmen Kohlenstoff auf, entwässerte Böden dagegen geben sehr viel davon ab.

Mit dem neuen Peatland Science Centre rückt die Moorforschung noch stärker in den Fokus. Mit der staatlichen Startfinanzierung von 750 000 Euro sollen für zunächst zwei Jahre eineinhalb Stellen für den Wissenstransfer geschaffen werden. "Das hat uns die ganze Zeit gefehlt", sagte Drösler der SZ. Das Forschungsteam habe keine zusätzlichen Kapazitäten, um die Ergebnisse für eine Fachöffentlichkeit und Verbände aufzubereiten. Auch die neue Homepage setzt auf Fachinformationen. Mit dem Geld soll zudem der Unterhalt der zwei großen Forschungsstationen abgesichert werden, eine davon befindet sich im Freisinger Moos. Auch Lehre und Forschung will Drösler ausbauen, weitere Stellen sind beantragt. Er hoffe sehr, dass die Moorforschung zur Daueraufgabe werde, sagte er. Bisher gebe es nur drei dauerhafte Stellen, der Rest sei über Drittmittel finanziert.

Ein Knackpunkt der kommenden Jahre wird sein, wirtschaftliche Formen der Landnutzung auch für wiedervernässte Gebiete zu etablieren, etwa durch Paludikulturen wie Schilf oder Seggen, die im Idealfall sogar torfbildend sind. Denn ein großer Teil der Moorflächen ist in Privatbesitz und wird landwirtschaftlich genutzt. Das soll auch weiterhin möglich sein, nur eben anders. Allerdings brauchen die Landwirte Abnehmer zur Weiterverwertung der Pflanzen. Auch daran wird in Freising geforscht. Im "Zentrum für biogene Wertschöpfung und Smart Farming", einer Initiative, der das Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung angehört, suchen Experten unter anderem nach Verpackungslösungen aus Pflanzenfasern.

Ein "Flagschiff-Projekt" auf der Moorforschungsstation der HSWT war laut Drösler in den vergangenen Jahren "MOORuse" zur Etablierung von Paludikulturen auf Niedermoorböden. Mit einer automatisierten Messvorrichtung wurde dabei der Fluss der Treibhausgase erfasst. Die Ergebnisse lassen aufhorchen: Paludikulturen schaffen es als Einzige, als Senke zu wirken, erklärte Drösler. Sie binden also sogar CO₂.

Noch vor 40 Jahren ging es in der Forschung vor allem um die Entwässerung von Mooren

Die Moorforschung hat in Weihenstephan eine lange Tradition. Eines der Grußworte kam von Jörg Pfadenhauer, der an der TU München den Lehrstuhl für Renaturierungsökologie inne hatte. Er erinnerte daran, dass er Anfang der Achtzigerjahre einer der wenigen war, die schon Moorforschung betrieben haben - und der sich für eine Wiederherstellung eingesetzt hatte. Zu dieser Zeit sei eher über die Nutzbarkeit der Moore gesprochen worden. Er habe damals schon auf die CO₂-Ausgasung hingewiesen. "Das kam gar nicht gut an", sagte der emeritierte Professor. Kaputt gemacht, entwässert sei ein Moor schnell. Dies rückgängig zu machen, sei nicht einfach und mit vielen Unsicherheiten verbunden. Die Gründung des Peatland Science Centre zu erleben, sei für ihn nach 45 Jahren Moorforschung "ein großer Tag".

Das Peatland Science Centre will laut Drösler die wissenschaftliche Basis für die Moorentwicklung in Süddeutschland und auch international verbessern und regionale Lösungen anbieten. Die HSWT wolle "Moor-Manager" ausbilden. In der Konzeption ist ein neuer Bachelor-Studiengang "Nachhaltiger Klima- und Ressourcenschutz" mit einem Schwerpunkt zu Mooren. Außerdem starten in diesem Jahr die "Weihenstephaner Moor-Gespräche", die Peat-Talks. Als Webinar werden sie jeweils am letzten Mittwoch im Monat stattfinden.

Wissenschaftler Hans Joosten vom Greifswald Moor Centrum brachte es bei der Feier in seinem Vortrag auf den Punkt: "Moore allein werden die Welt nicht retten. Wir müssen die Welt selbst retten, aber die Moore helfen uns ein bisschen."

Freisinger Verein fordert Gesetz zum Moorschutz

Für die Moore setzt sich auch der Verein für Nachhaltigkeit mit Sitz in Freising ein. Bei dem Festakt zur Gründung des Peatland Science Centres verteilten Mitglieder ein Papier mit zehn Thesen. Ziel ist es, "Fakten in den Vordergrund des öffentlichen Interesses zu rücken und dabei auch zu unterstreichen, dass Torf, der vielfach noch abgebaut wird, ersetzt werden kann", wie es in der Präambel heißt.

Eine der Thesen lautet: Moorschutz muss klimapolitisch wichtiger werden. Moore seien möglichst in einen naturnahen öko-hydrologischen Zustand beziehungsweise in eine extensive feuchte Nutzung, etwa durch Paludikulturen, zu überführen. Noch beruhe dies auf Freiwilligkeit, das sollte sich ändern, so die Forderung des Vereins. Der Appell an die Politik: Sie müsse Gesetze schaffen, Förderungen und Entschädigungen bereitstellen. Die immer noch bestehende Förderung der entwässerungsbasierten Moornutzung müsse darauf abgestellt werden. "Wir fordern ein bundesweites Gesetz, das alle Moore schützt und die Wiederbelebung der Moorböden zum Ziel hat", heißt es weiter. Für Landwirte müsse es "einkommensausgleichende Honorierungen" geben.

In Deutschland seien 95 Prozent der organischen Böden geschädigt, schreibt der Verein. Deshalb "richten wir einen Weckruf an die gesamte Gesellschaft, an die Kommunen und den Staat, auf diesen Zustand zu schauen". Es müsse alles getan werden, um die vorhandenen Moorböden aus ökologischen und klimatischen Gründen zu retten. Dazu beitragen könnten auch die Verbraucherinnen und Verbraucher: indem sie auf Blumenerde mit Torf verzichten und beim Pflanzenkauf auf eine torffreie Aufzucht achten. Für solche Pflanzen wünscht sich der Verein ein einheitliches Label.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5771435
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.