Süddeutsche Zeitung

Amtsgericht Freising:Verwarnung für IAA-Klimaaktivisten

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Richterin Karin Mey verurteilt eine Frau und zwei Männer wegen Nötigung und gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr auf der A 92 zu einer Geldstrafe auf Bewährung.

Von Peter Becker, Freising

Die nächste Internationale Autoausstellung (IAA) kommt bestimmt, nämlich im September 2023 in München. Drei Klimaaktivisten, die sich jüngst vor dem Freisinger Amtsgericht verantworten mussten, wären besser beraten, sich dann nicht mehr an irgendwelchen Abseilaktionen über Autobahnen in Bayern zu beteiligen. Denn sonst wird eine Geldstrafe von 2000 Euro, zahlbar in 40 Tagessätzen á 50 Euro fällig. Diese hatte Richterin Karin Mey unter Vorbehalt ausgesprochen. Sie verurteilte die beiden Männer und eine Frau wegen gefährlicher Eingriffe in den Straßenverkehr und Nötigung. Zusätzlich müssen alle Drei eine Geldauflage von je 800 Euro an die Umweltorganisation Bergwald zahlen.

Die drei Angeklagten, zwischen 25 und 48 Jahre alt, hatten zwei weitere Aktivisten gesichert und mit Speis und Trank versorgt. Diese hatten sich aus Protest gegen die IAA von der Brücke abgeseilt, über die der Moosmühlenweg bei Neufahrn über die Autobahn A 92 führt. Die Polizei sperrte deshalb den Straßenverkehr auf der Spur Richtung München. Aus diesem Grund bildete sich ein Stau, indem manche Autofahrerinnen und Autofahrer zwei Stunden lang feststeckten. Die Staatsanwaltschaft wertet das als Nötigung und gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr. Wie vielleicht nach dem ersten Prozesstag erhofft, erklärte sich die Justizbehörde nicht dazu bereit, das Verfahren einzustellen.

Immerhin: Waren vor gut zwei Wochen harsche Worte zwischen Verteidigung und Richterin gefallen, verlief die Fortsetzung diesmal weitaus weniger emotional - auch wenn die Verteidigung mit manchen Entscheidungen der Richterin nicht einverstanden war. "Hier herrscht wohl das Freisinger Landrecht", kritisierten sie.

Die Verhandlung stand im Spannungsfeld zwischen Politik und Rechtsprechung. Die Richterin unterstellte das, was im Laufe des Prozesses über den Klimawandel gesagt wurde, als wahr. Zunächst stellte Karin Mey fest, dass es sich um eine friedliche Versammlung gehandelt habe. Wäre diese angemeldet gewesen, hätten die Autofahrerinnen und Autofahrer aber die Möglichkeit gehabt, die Sperre zu umfahren. So standen sie im Stau, und hätten nur unter gröbster Missachtung der Straßenverkehrsordnung die Autobahn verlassen können. Nämlich zu wenden und zur nächsten Ausfahrt zurückzufahren.

Sich für zwei Stunden wegen einer politischen Meinungsäußerung bei sommerlicher Hitze in den Stau stellen zu müssen, "das muss sich Niemand gefallen lassen", sagte die Richterin zur Verwerflichkeit der Handlung. Dies muss im Fall einer möglichen Nötigung begründet sein.

Das sorgfältige Handlung der Aktivistinnen und Aktivisten steht in Widerspruch zu einem spontanen Handeln. So wurde beispielsweise genau ausgemessen, wie weit sich Akteure abseilen könnten, ohne Jemanden oder sich selbst zu gefährden. Trotzdem herrschte aber die Gefahr eines unerwarteten Zwischenfalls, etwa eines gefährlichen Ausweichmanövers. Niemand könne schließlich wissen, was die Menschen auf der Brücke bezweckten. Ein Transparent, am Geländer aufgehängt, hätte genügt, um ihr Anliegen transparent zu machen.

Ein Aufwand wie vor einem Schwurgericht

So sei das Verhalten der Aktivisten eigentlich kontraproduktiv gewesen: Aufgrund des Staus hätten viele Autofahrer die Aktion gar nicht mitbekommen. Die Verteidiger hatten immer wieder darauf hingewiesen, dass solche Aktionen in anderen Bundesländern straffrei ausgingen. Die Aktivisten hätten sich aber per Internet über die Verhaltensweisen in Bayern informieren können.

Es sei ein Aufwand wie bei einem Schwurgericht gewesen, sagte die Richterin. Die Tat an und für sich sei nicht so schlimm gewesen und rechtfertige nicht den ganzen Aufwand. Es habe sich um eine "eingefrorene Situation" gehandelt. Sprich: Die Hauptakteure hingen ruhig am Seil und "schwangen nicht hin und her wie Tarzan im Dschungel". Die Richterin hielt den nicht vorbelasteten Angeklagten ihre altruistische Einstellung zu Gute. "Eine Verwarnung reicht."

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