Süddeutsche Zeitung

Folgen von Corona in Freising:Weniger Pendler, mehr Müll

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Die Krise hat Auswirkungen auf den Umweltschutz, die CO₂-Emissionen sind gesunken und Home-Office bleibt in einigen Firmen künftig eine Option. Die Abfallmenge ist allerdings deutlich gestiegen.

Von Nadja Tausche, Freising

Es ist eine Nachricht, bei der man sich erst einmal freut: Deutschland könnte die angestrebten Klimaziele für das Jahr 2020 doch noch erreichen. Unter normalen Umständen wäre es schwierig bis unmöglich geworden, die Treibhausgasemissionen im Vergleich zum Jahr 1990 um 40 Prozent zu senken. Wie groß die Auswirkung der Corona-Pandemie auf die Umwelt tatsächlich ist, dazu gibt es laut aktuellem Klimaschutzbericht der Bundesregierung noch keine konkreten Zahlen - sehr wohl aber bereits Hinweise auf deutlich gesunkene Emissionen. Was hat sich in Sachen Umweltschutz im Landkreis Freising während der vergangenen Monate verbessert, was verschlechtert - und was davon bleibt für die Zukunft? Home-Office

Die wohl größte positive Veränderung für die Umwelt dürfte die Erkenntnis bringen, dass Home-Office, wenn es sein muss, in sehr viel mehr Fällen funktioniert als gedacht. Im Architekturbüro von Reinhard Fiedler etwa gab es Home-Office vor Corona nur in Ausnahmefällen - also wenn die Kinder krank waren oder der Zugverkehr lahmgelegt war. "Jetzt hat sich das ein bisschen eingebürgert", sagt Fiedler: "Wir sind flexibler, weil wir die technischen Möglichkeiten haben." Gerade die Halbtagskräfte nutzten die Möglichkeit des Arbeitens von zu Hause nun vermehrt. Das wolle man auch in Zukunft ermöglichen, so Fiedler. Zum Umweltschutz trage es insofern bei, weil Mitarbeiter tageweise auf das Pendeln von einer anderen Ecke des Landkreises nach Freising verzichten - allerdings kämen die meisten Mitarbeiter aus der Stadt Freising selbst.

Eine ähnliche Lehre hat man im Landratsamt gezogen. "Die in der Corona-Pandemie gemachten Erfahrungen fließen in die Home-Office-Regelungen für die zukünftige Normalzeit ein", berichtet Landratsamtssprecher Robert Winkler: Derzeit werde "mit Hochdruck daran gearbeitet, eine breitere, flexible und standardisierte Basis für Home-Office und mobiles Arbeiten zu schaffen." Rund 250 Mitarbeiter wurden zu Beginn der Krise ins Home-Office geschickt, also etwa die Hälfte. Mittlerweile arbeiten die meisten ganz oder zumindest zeitweise wieder im Landratsamt - es sollen künftig aber mehr Mitarbeiter "mobil" arbeiten als vor der Pandemie.

Anders ist es bei der Stadt Freising. Gespräche über mobiles Arbeiten habe es schon lange vor der Corona-Krise gegeben, berichtet Sprecherin Christl Steinhart - "die Erfahrungen aus der Pandemie haben allerdings gezeigt, dass Homeoffice weder in allen Bereichen möglich ist noch von allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dauerhaft gewünscht wird". Spontane Projektarbeit sei nicht möglich, das Miteinander fehle.

Auch an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf will man wieder weg von Online- und hin zu Präsenzveranstaltungen. Es gehe um angewandte Wissenschaften, sagt Vizepräsident Carsten Lorz: Laborversuche und Ausflüge gehörten dazu, "da kommt man mit Videokonferenzen schnell an die Grenzen". Möglich sei, dass Professoren die Online-Videos künftig unterstützend einsetzen, so Lorz, denn einer Evaluation zufolge sei das Home-Office bei den 60 bis 70 Prozent der Mitarbeiter, die zeitweise von zu Hause aus gearbeitet haben, gut angekommen. Am Wissenschaftszentrum der TU in Freising ist Präsenzbetrieb schon wieder Standard: Seit Anfang Juni arbeite man unter Einhaltung der Hygienevorschriften wieder vor Ort, so Sprecherin Katharina Baumeister.

Müll

Wer viel zu Hause ist, der produziert auch viel Müll: Das traf im Landkreis in den vergangenen Monaten vor allem beim Sperrmüll zu. Zwischen Januar und Juli kam es zu einer Steigerung von über 25 Prozent im Vergleich zu 2019, wie aus Zahlen des Landratsamts hervorgeht. Am drastischsten war der Anstieg dabei im Juni: In dem Monat wurden 317 Tonnen und damit ganze 131 Tonnen mehr Sperrmüll entsorgt als im Juni 2019, im Mai waren es immerhin 92 Tonnen mehr. Auch Hausmüll wurde mehr produziert - besonders auffällig in den Monaten März und April, in die auch die Wochen des Lockdowns fielen.

Gut 2300 Tonnen haben die Landkreisbürger im März weggeworfen, 277 mehr als im März 2019. Den höchsten Wert seit Januar 2019 erzielten sie im April. Auch in den Gelben Säcken landeten im März und April ungewöhnlich viele Wertstoffe. Vermutlich werden sich die Zahlen wieder auf Normalniveau einpendeln und damit werdem immerhin keine langfristigen negativen Folgen für die Umwelt entstehen. Dafür könnte etwas anderes dazukommen, wie Christl Steinhart zu bedenken gibt: Denn Einwegmasken oder leere Desinfektionsmittelflaschen würden "das Abfallaufkommen sicher nicht schmälern".

Energieverbrauch

Was Steinhart zudem befürchtet: Das empfohlene regelmäßige Lüften könnte im Winter zu einem erhöhten Energiebedarf führen. An der Hochschule Weihenstephan ist der Bedarf zuletzt aber erst einmal gesunken. Kein praktischer Laborbetrieb, keine Ausflüge, keine Geländearbeit: "Die Corona-Zeit wird sicher eine positive Auswirkung auf unsere Energiebilanz haben", sagt Carsten Lorz. Zu bedenken gibt Katharina Baumeister von der TU München: Man forsche und lehre viel zu Klimawandel und Umweltschutz, wenn Praxisübungen ausfallen und Wissenschaftler nicht reisen, "würde dies auf lange Sicht den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn und die Ausbildung von Fachkräften im Bereich Umwelt- und Klimaschutz beeinträchtigen".

Verkehr

Dieselschleuder oder Fahrradsattel - wie haben sich die Menschen in den Pandemie-Monaten fortbewegt? Die Zahl der Kfz-Zulassungen ist zuletzt gesunken: Knapp 3300 Neuzulassungen meldet das Landratsamt für die Zeit zwischen März und August, in den drei Jahren zuvor waren es im gleichen Zeitraum je über 4000. Böse Zungen mögen behaupten, das liege an der Zulassungsstelle, die wochenlang keine Termine vergeben hat - in dem Fall hielte sich der langfristige positive Umwelteffekt wohl in Grenzen. Wie stark derweil die Stadtbusse ausgelastet waren, konnten die Stadtwerke noch nicht feststellen. Klar ist, dass im Flugverkehr zeitweise nur gut fünf Prozent der regulären Starts und Landungen stattfanden und die Ultrafeinstaubbelastung deutlich gesunken ist. Unklar ist, ob die Zahl wieder das Vor-Corona-Niveau erreichen wird.

Pop-up-Fahrradstraßen

Im Frühsommer modellierte die Stadt München an fünf Hauptverkehrsstraßen spontan je eine Spur zu einem Fahrradweg um, weil viele Menschen wegen Corona auf das Rad umgestiegen waren. Vorerst bis Ende Oktober bleibt das so - wie es dann mit den sogenannten Pop-up-Bikelanes weitergeht, ist noch Streitthema. Im Kreisstraßennetz des Landkreises Freising gab es solche spontan eingerichteten Fahrradwege laut Winkler nicht, auch Christl Steinhart sagt: "Pop-up-Bikelanes infolge der Corona-Folgen gab oder gibt es nicht." In diesen Tagen ist zwar in der Kammergasse eine solche "Pop-up-Lane" entstanden - allerdings wegen der Baustelle in der Innenstadt, nicht wegen Corona.

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Quelle:
SZ vom 05.09.2020
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